interpretiert worden ist, mussen wir das gesamte Beweismaterial noch mal uberprufen. Da wir's offenbar mit einem Psychopathen zu tun haben, kann die winzigste ubersehene Kleinigkeit der entscheidende Hinweis sein, den wir brauchen.«

»Im Fall Frost haben wir einen teilweisen Handflachenabdruck«, stellte Sylvia Waiden fest.

Der Staatsanwalt nickte. »Aber meines Wissens reicht das nicht aus fur eine eindeutige Identifizierung.«

»Unser Abdruck weist sechs Bestimmungskriterien auf. Eine eindeutige Identifizierung ist erst bei neun moglich. Zehn waren besser.«

»Also ware der Abdruck nur ein Indizienbeweis, Sylvia.«

»Richtig«, gab Waiden zu.

Dr. Sanchez meldete sich zu Wort. Sie trug wie ublich eines ihrer dunkelblauen Kostume und hatte ihr graumeliertes Haar zu einem Nackenknoten verschlungen. »Wie schon in den Autopsieberichten steht, lassen sich die Stichwunden der Ehepaare Frost und Urbina eindeutig identifizieren«, stellte sie fest. »Sie stammen alle von einem Bowiemesser mit zwolf Zentimeter langer Klinge, die charakteristische Einkerbungen und Scharten aufweist. Ich habe Fotos der Wunden, die deutliche Schnittspuren an Knorpel und Knochen zeigen.«

»Dr. Sanchez«, fragte Knowles, »konnten Sie diese Verletzungen einem bestimmten Bowiemesser zuordnen?«

»Wenn jemand das richtige Messer findet, ja.«

»Und das wurden Sie vor Gericht aussagen?«

»Wenn ich's Ihnen jetzt erzahle, wurde ich naturlich auch vor Gericht aussagen.« Sanchez fugte scharf hinzu: »Solche Beweise sind schon mehrfach zugelassen worden.«

»Ja, ich wei?. Trotzdem...« Knowles wirkte unentschlossen. Wer ihn kannte, wu?te genau, da? er jetzt die Rolle des Zogernden, Unsicheren spielte, in der er oft vor Gericht auftrat. »Nehmen wir mal an, ich sei der Verteidiger, der Ihnen folgende Frage stellt: >Doktor, mir liegt eine Bestatigung vor, da? Messer dieses Typs in Partien von mehreren hundert Stuck hergestellt werden. Wissen Sie ganz sicher, da? die von Ihnen beschriebenen Verletzungen nur von diesem einen Bowiemesser unter Hunderten - vielleicht sogar Tausenden - ahnlichen Messern stammen konnen? Und wenn Sie meine Frage beantworten, Doktor, bedenken Sie bitte, da? hier das Leben eines Mannes auf dem Spiel steht.<«

Wahrend Sanchez zogerte, betrachtete Knowles versonnen seine Hande.

Sie begann: »Nun... «

Der Staatsanwalt sah wieder auf. Er schuttelte den Kopf. »Schon gut«, sagte er abwehrend.

Sanchez wurde rot und pre?te die Lippen zusammen, als ihr klarwurde, wie geschickt Knowles sein Argument vorgebracht hatte. Statt wie ublich selbstbewu?t zu antworten, hatte sie gezogert und damit zugegeben, da? gewisse Zweifel moglich waren - ein Schwachpunkt, der den Geschworenen aufgefallen ware und den jeder Strafverteidiger durch Anschlu?fragen ausgeschlachtet hatte.

Sanchez funkelte Knowles an, der beschwichtigend lachelte. »Entschuldigung, Doktor. Nur ein Probelauf, aber lieber hier als im Zeugenstand.«

»Fur einen Augenblick«, sagte sie bedauernd, »bin ich mir wie vor Gericht vorgekommen.«

Der Staatsanwalt wandte sich an Julio Verona. »Das hei?t naturlich keineswegs, da? wir die Messerspuren nicht anfuhren, falls sich dazu Gelegenheit bietet. Aber ich befurchte, da sind uns ziemlich enge Grenzen gesetzt.«

»Wir haben das Messer naturlich nicht«, stellte der Leiter der Spurensicherung fest, »und ob wir's jemals bekommen, hangt von Ihnen ab.« Seine Handbewegung schlo? die Kriminalbeamten samt Newbold ein. »Nachdem Sylvia und ich jetzt wissen, da? zwei der Falle zusammenhangen, sehen wir uns das Beweismaterial noch mal auf Gemeinsamkeiten hin an.«

»Und ich sehe in unseren Unterlagen nach«, sagte Dr. Sanchez. »Vielleicht finde ich einen nicht aufgeklarten Mord mit ahnlichen Verletzungen oder irgendeinem religiosen Zusammenhang.« Sie fugte nachdenklich hinzu: »Moglicherweise haben wir's mit einem Wiederholungstater zu tun, dessen erste Straftaten langst in Vergessenheit geraten sind. Aus der Literatur kenne ich einen vergleichbaren Fall, in dem ein Serienmorder erst nach einer Pause von funfzehn Jahren wieder zu morden begonnen hat.«

»Gut, vielleicht kommen wir damit weiter«, sagte Newbold. »Und jetzt...« Er sah zu seinem Vorgesetzten Manolo Yanes, dem Leiter des Dezernats Verbrechen gegen Personen, hinuber. »Major, mochten Sie noch etwas hinzufugen?«

»Ja.« Yanes hielt sich wie ublich nicht mit langen Vorreden auf. »Ich verlange, da? alle, die an diesem Tisch sitzen, sich noch mehr anstrengen - sich bis zum au?ersten anstrengen. Wir mussen diese Serie stoppen, bevor weitere Morde passieren.«

Yanes suchte Newbolds Blick. »Furs Protokoll, Lieutenant: Sie und Ihre Leute haben jetzt freie Hand fur alle notwendig erscheinenden Ma?nahmen - auch fur die Bildung einer Sonderkommission. Sobald Sie wissen, was Sie brauchen und wie diese Kommission aussehen soll, stelle ich zusatzliche Leute aus dem Raubdezernat dafur ab. Was die Kosten betrifft, haben Sie meine Genehmigung, so viele Uberstunden wie notig anzuordnen.«

Yanes sah sich am Tisch um, dann fugte er hinzu: »Nachdem die logistische Seite geklart ist, haben Sie alle einen klaren Auftrag: Finden Sie diesen Kerl! Ich will Ergebnisse sehen. Und halten Sie mich auf dem laufenden.«

»Wird gemacht, Sir. Wie alle gehort haben, bilden wir sofort eine Sonderkommission, die nur diese Falle bearbeitet. Ihre Mitglieder werden von allen sonstigen Aufgaben entbunden. Ich habe Sergeant Ainslie bereits gebeten, die Leitung zu ubernehmen.«

Alle sahen zu Ainslie hinuber, als Newbold ihm erklarte: »Sergeant, Sie arbeiten mit zwei Teams aus je sechs Beamten. Ich uberlasse es Ihnen, einen weiteren Sergeant als Leiter des zweiten Teams zu benennen.«

»Sergeant Greene«, sagte Ainslie sofort. »Wenn er einverstanden ist.«

Pablo Greene machte eine gro?zugige Handbewegung. »Worauf du wetten kannst!«

Newbold nickte Greene zu. »Sie sind Sergeant Ainslie unterstellt. Ist das klar?«

»QSL. Sir.«

Ainslie fuhr fort: »Fur mein Team mochte ich schon jetzt die Detectives Quinn, Bowe, Kralik und Garcia. Die verbleibenden Posten besetzen Pablo und ich im Lauf des Tages.« Er wandte sich an Major Yanes. »Wir stehen vor sehr umfangreichen Ermittlungen, Sir. Deshalb brauche ich mindestens zwei Detectives aus dem Raubdezernat, vielleicht sogar vier.«

Der Major nickte. »Sagen Sie Lieutenant Newbold, wen Sie brauchen, dann bekommen Sie die Leute.«

Curzon Knowles warf ein: »Sollte das nicht genugen, kann ich einige unserer Ermittler abstellen. Wir mochten jedenfalls beteiligt bleiben.«

»Das sollen Sie auch, Counselor«, sagte Ainslie.

»Die Sonderkommission arbeitet selbstverstandlich eng mit Fort Lauderdale und Clearwater zusammen«, stellte der Lieutenant abschlie?end fest. »Ich mochte, da? die dortigen Kollegen auf dem laufenden gehalten werden.« Er wandte sich an Assistant Chief Serrano. »Chief, mochten Sie noch etwas hinzufugen?«

Serrano, ein ehemaliger Kriminalbeamter, der im Miami Police Department eine glanzende Karriere gemacht hatte, sprach mit ruhiger, klarer Stimme: »Ich will nur sagen, da? das gesamte Police Department in dieser Sache hinter Ihnen steht. Sobald diese Serienmorde in die Offentlichkeit dringen, wird die Medienberichterstattung sich uberschlagen und viel offentlichen und politischen Druck ausuben. Wir werden versuchen, Sie davor in Schutz zu nehmen, damit Sie weiterhin alles tun konnen, was notwendig ist, um diesen Verruckten zu fassen. Trotzdem ist Eile geboten. Und vergessen Sie dabei nie das Denken. Ich wunsche uns allen viel Erfolg!«

5

Gleich nach der Besprechung versammelte die neue Sonderkommission sich um Ainslie. Auch Staatsanwalt Knowles blieb noch da. Vor zwanzig Jahren war Curzon Knowles selbst Polizeibeamter gewesen - der jungste Sergeant der New Yorker Polizei. Spater war er als Lieutenant ausgeschieden, um in Florida Jura zu studieren. Knowles fuhlte sich in Gesellschaft von Kriminalbeamten wohl und war bei ihnen stets willkommen. Jetzt fragte er Ainslie: »Da wir zusammenarbeiten werden, Sergeant, darf ich wohl erfahren, was Ihr erster Schritt sein wird?«

»Ein kurzer, Counselor - zum Computer. Sie konnen gern mitkommen.« Ainslie sah sich um. »Wo ist

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