diesem Fall waren das zwei Jahre - die Halfte von Gustav Ernsts Wahlperiode.
Weiterhin wurde bekanntgegeben, die Kommission habe sich einstimmig fur Cynthia Ernst, die Tochter des Verstorbenen, als seine Nachfolgerin entschieden. Major Ernst habe die Nominierung angenommen und scheide mit sofortiger Wirkung aus dem Miami Police Department aus.
Nach Ablauf der Amtszeit ihres Vaters wurde Ms. Ernst sich naturlich - falls sie weitermachen wollte - zur Wahl stellen mussen. Aber wie Bernard Quinn sagte, als in der Mordkommission daruber diskutiert wurde: »Naturlich kandidiert sie. Und wie sollte sie verlieren konnen?«
Ainslie betrachtete Cynthias Rollenwechsel mit gemischten Gefuhlen. Einerseits war er erleichtert, da? sie keinen Polizeidienstgrad mehr besa?, mit dem sie ihm Befehle erteilen und Berichte uber die Mordserie von ihm anfordern konnte. Andererseits sagte sein Instinkt ihm, da? ihr Einflu? im Police Department nun gewaltig zunehmen wurde.
In der darauffolgenden Woche entstanden gewisse Zweifel daran, ob Elroy Doil weiter als verdachtig gelten musse. Die Detectives Dan Zagaki und Luis Linares konnten bestatigen, was auf seiner FIVO-Karte stand: Doil arbeitete ziemlich regelma?ig als Fernfahrer; deshalb wurde es immer unwahrscheinlicher, da? er der Serienmorder war. Zagaki hatte sogar vorgeschlagen, die Uberwachung Doils einzustellen, aber damit war Ainslie nicht einverstanden gewesen.
Au?erdem gab es noch James Calhoun und Edelberto Montoya, die weiter observiert wurden, obwohl der Verdacht gegen sie sich bisher nicht konkretisiert hatte. Bei den zunehmend gelangweilten Kriminalbeamten rief die Uberwachungsaktion erhebliche Zweifel hervor, die Ainslie insgeheim teilte. War die Computersuche nach Verdachtigen, die ihm ursprunglich als glanzende Idee erschienen war, in Wirklichkeit nur Zeitverschwendung gewesen? Daruber sprach er mit Lieutenant Newbold, wobei er hinzufugte: »Es ware leicht, jetzt aufzugeben moglicherweise zu leicht. Ich denke, wir sollten noch eine Woche weitermachen und die Sache dann abblasen, wenn sich bis dahin nichts Neues ergibt.«
Der Lieutenant kippte seinen Schreibtischstuhl gefahrlich weit nach hinten, wie er's oft tat. »Ich stehe hinter Ihnen, Malcolm, weil ich auf Ihr Urteil vertraue. Sie wissen, da? ich Sie unterstutze, wenn Sie finden, wir sollten weitermachen. Aber das Raubdezernat setzt mich unter Druck, weil in der Vorweihnachtszeit seine Leute zuruckhaben will.«
Zuletzt einigten Ainslie und Newbold sich auf einen Kompromi?: Die dritte Observationswoche wurde weitergehen, aber da inzwischen drei Verdachtige ausgeschieden waren, konnten zwei Detectives und die beiden Sergeants ins Raubdezernat zuruckkehren. Nach dieser dritten Woche sollte Ainslie entscheiden, ob eine vierte erforderlich war, und Newbold wurde seine Entscheidung mittragen.
Diese Vereinbarung hatte zwei weitere Tage Bestand. Dann passierte etwas, das alle Planungen uber den Haufen warf.
Der Vorfall ereignete sich am Donnerstag kurz vor Mittag.
An der Kreuzung Coral Way und 32nd Avenue hielt ein Geldtransporter der Firma Wells Fargo auf dem Parkplatz einer Filiale der Barnett Bank, um Bargeld anzuliefern. Als einer der beiden Transportbegleiter vom Wageninnern aus die Seitentur offnete, sah er sich drei Mannern - einem Schwarzen und zwei Hispanics - gegenuber, die mit Schnellfeuergewehren bewaffnet waren.
In diesem Augenblick bog ein Streifenwagen der Miami Police um die Ecke und fuhr direkt auf den Tatort zu. Die Geldrauber sahen die Polizei zuerst und eroffneten das Feuer, bevor die Polizeibeamten begriffen, da? hier ein Raububerfall stattfand. Ein Polizist starb sofort im Kugelhagel; der andere, der seinen Revolver noch nicht ganz gezogen hatte, wurde verletzt, als er aussteigen wollte. Die Manner erschossen den Transportbegleiter und entrissen ihm den Geldsack, den er gehalten hatte. Sie rannten damit zu ihrem Fluchtfahrzeug und rasten davon. Der ganze Uberfall hatte weniger als eine Minute gedauert.
Als die Geldrauber fluchteten, lief ein Augenzeuge namens Tomas Ramirez - ein gro?er, athletischer Neunzehnjahriger zu dem nun bewu?tlosen Polizeibeamten. Ramirez sah, da? der Verletzte ein Funkgerat am Gurtel trug, schnappte es sich und druckte auf die seitlich angebrachte Sprechtaste.
»Hallo, hallo! Hier ist Tom Ramirez. Hort mich jemand?«
»Ja, ich hore Sie«, antwortete eine Dispatcherin mit ruhiger Stimme. »Wo haben Sie das Polizeifunkgerat her? Ist alles in Ordnung?«
»Nein, um Himmels willen, nein! Hier vor der Bank ist ein Uberfall, eine Schie?erei passiert. Zwei Polizisten sind angeschossen. Schicken Sie bitte Hilfe!«
»Okay, Sir. Nicht auf die Taste drucken, solange ich spreche. Wo sind Sie? Sagen Sie mir bitte Ihren Standort.« Wahrend die Dispatcherin sprach, schrieb sie bereits eine Alarmmeldung, die automatisch auf den Bildschirmen sechs weiterer Dispatcher erschien.
»Ah, ich bin an der Kreuzung Coral Way und Thirtysecond Avenue auf dem Parkplatz der Barnett Bank. Der eine Polizist und der Wachmann aus dem Geldtransporter sehen tot aus. Der andere Polizist stirbt, glaub' ich. Beeilen Sie sich bitte!«
Andere Dispatcher, auf deren Bildschirmen die Alarmmeldung erschien, forderten bereits Hilfe an.
Die erste Dispatcherin antwortete: »Sir, wir sind unterwegs. Sind die Tater gefluchtet?«
»Ja, sie sind mit ihrem Wagen weggefahren - einem grauen Buick Century. Sie sind zu dritt gewesen. Alle drei sind bewaffnet. Sie haben die Polizisten schwer getroffen. Die beiden sind tot, glaub' ich.«
»Okay, Sir. Versuchen Sie, Ruhe zu bewahren. Wir brauchen Ihre Hilfe.«
Ein weiterer Dispatcher gab uber Funk Alarm: »Achtung, an alle Fahrzeuge! Ein Dreizwoneun an der Kreuzung Coral Way und Thirtysecond Avenue, Barnett Bank. Vermutlich zwei unserer Leute verletzt oder tot. Die Tater sind mit einem grauen Buick Century gefluchtet.«
»Drei« bezeichnete einen Notfall, wahrend »zwoneun« der Code fur einen Raububerfall war.
Aus allen Stadtteilen rasten jetzt Streifenwagen zur Barnett Bank am Coral Way.
Inzwischen hatte ein weiterer Dispatcher mehrere Notarztwagen angefordert.
Die erste Dispatcherin: »Mr. Ramirez, sind Sie noch da?«
»Ja. Ich kann jetzt Sirenen horen. Gott sei Dank, da? jemand kommt.«
»Mr. Ramirez, konnen Sie mir etwas uber die Tater sagen?«
»Ich hab' mir das Kennzeichen gemerkt. NZD sechszwoeins, ein Nummernschild aus Florida.«
»Ausgezeichnet, Sir.« Die Dispatcherin tippte die Angaben ein, damit sie sofort an alle Fahrzeuge weitergegeben werden konnten.
»Mr. Ramirez, konnen Sie die Tater beschreiben?«
»Ich hab' sie ziemlich gut gesehen. Ja, ich kann sie beschreiben.«
»Sehr gut, Sir. Bleiben Sie bitte dort, bis ein Fahrzeug kommt, und geben Sie unseren Beamten diese Informationen.«
»Ich sehe schon die ersten kommen. Gott sei Dank!«
Lieutenant Leo Newbold, der sein Funkgerat im Auto auf Kanal drei eingestellt hatte, horte Ramirez' Hilferuf. Er schaltete sofort auf den Uberwachungskanal um und rief Ainslie, der sich ebenfalls aus seinem Dienstwagen meldete.
»QSK, Lieutenant.«
»Malcolm, lassen Sie die Uberwachungen sofort einstellen. Schicken Sie alle Ihre Leute zur Kreuzung Coral Way und Thirtysecond Avenue. Bei einem Uberfall auf einen Geldtransporter sind zwei Cops und ein Wachmann angeschossen worden; ein Cop und der Wachmann sollen tot sein. Ich mochte, da? Sie den Fall ubernehmen. Wer die Ermittlungen leiten soll, bestimmen Sie selbst.«
Da die Uberwachungsteams auf diesem Kanal empfangsbereit waren, mu?ten sie das Gesprach mitgehort haben, aber Ainslie funkte trotzdem: »An alle, hier dreizehnzehn. Habt ihr das mitbekommen?«
»Dreizehnzehn, hier dreizehnelf, verstanden.« Von seinen
ubrigen Teams kamen ahnliche Bestatigungen.
»Dann fahrt zur Kreuzung Coral Way und Thirtysecond, Leute. Wir treffen uns dort.«
Ainslie schaltete auf einen anderen Kanal um. »Dispatcher, hier dreizehnzehn. Irgend jemand am Tatort soll auf Tac One umschalten und mich rufen.« Tac One war der Kanal der Mordkommission.
Vom Tatort aus meldete sich eine vertraut klingende Stimme: »Dreizehnzehn, hier einssiebennull.