auch eine Verpflichtung der Bank gegenuber. Wir sind in Lateinamerika ein bedeutendes und renommiertes Institut und haben neben dieser Filiale noch andere in den Vereinigten Staaten. Konnten Sie vielleicht ein oder zwei Tage warten, damit ich mich mit der Geschaftsleitung au?erhalb der Zentrale absprechen kann?«
Es mu? eine Verbindung geben, dachte Kettering und schuttelte entschieden den Kopf. »Ich kann leider nicht warten. Es handelt sich um eine kritische Situation, die Sicherheit und das Leben von Menschen stehen auf dem Spiel.« Nun war es an der Zeit, da? auch er einige Informationen preisgab.
»Mr. Armando, wir bei CBA haben Grund zu der Annahme, da? Ihre Bank in die Entfuhrung der Familie von Mr. Crawford Sloane verwickelt ist. Sie haben sicher schon davon gehort. Nun stellt sich die Frage, ob dieser andere Vorfall - der Tod von Helga Efferen und Salaverry - etwas mit der Entfuhrung zu tun hat.«
Hatte man Armando schon zuvor seine Sorgen angesehen, so wirkte Ketterings Enthullung nun wie ein Blitzschlag auf ihn. Er stutzte die Ellbogen auf den Tisch und legte den Kopf in die Hande. Nach ein paar Sekunden hob er die Augen.
»Ja, das ist durchaus moglich«, sagte er, und seine Stimme war nur noch ein Flustern. »Jetzt wird mir einiges klar. Es ist nicht nur moglich, es ist sogar wahrscheinlich.« In seinen Gesten lag Uberdru? und Erschopfung. »Ich wei?, es klingt vielleicht egoistisch, aber ich habe nur noch wenige Monate bis zur Pensionierung, und ich frage mich, warum diese ganze Sache nicht warten konnte, bis ich nicht mehr hier bin.«
»Ich kann Sie gut verstehen.« Kettering versuchte, seine Ungeduld zu zugeln. »Aber Sie und ich sind nun einmal hier, und wir sind beide von der Sache betroffen. Ganz offensichtlich besitzen wir unterschiedliche Informationen, und es ist ebenso offensichtlich, da? es uns beiden weiterhilft, wenn wir sie austauschen.«
»Da stimme ich Ihnen zu«, erwiderte Armando. »Wo sollen wir anfange n?«
»Lassen Sie mich anfangen. Wir wissen, da? ein gro?er Geldbetrag, mindestens zehntausend Dollar, wahrscheinlich aber mehr, uber Ihre Bank den Entfuhrern zugeflossen ist.«
Der Direktor nickte ernst. »Wenn ich zusammennehme, was Sie wissen und was ich wei?, mu? ich sagen, da? es mit Sicherheit sehr, sehr viel mehr ist.« Er hielt inne. »Wenn ich Ihnen mit Details weiterhelfe, ist es dann notwendig, da? Sie mich namentlich erwahnen?«
Kettering uberlegte einen Augenblick. »Wahrscheinlich nicht. Es gibt bei uns ein Arrangement, das wir als >anonyme Hintergrundinformation< bezeichnen. Wenn Sie wollen, konnen wir auf dieser Basis weiterreden.«
»Es ware mir lieber.« Armando machte eine Pause, um sich zu sammeln. »Wir fuhren in dieser Bank Konten von einigen UN-Delegationen. Ich will da nicht zu weit ausholen, sondern nur soviel sagen, da? unsere Bank enge Beziehungen zu gewissen Landern hat, und deshalb liegt diese Filiale auch so nahe an den Vereinten Nationen. Verschiedene Delegationsmitglieder haben Vollmachten fur diese Konten, und eins davon wurde von diesem Mr. Salaverry kontrolliert.«
»Ein Konto, das der peruanischen Delegation gehorte?«
»Das in Zusammenhang mit der peruanischen Delegation stand - ja. Aber ich bin nicht sicher, wie viele Leute au?er Salaverry, der zeichnungs- und nutzungsberechtigt war, von diesem Konto uberhaupt wu?ten. Sie mussen wissen, da? jede UN-Delegation eine ganze Reihe von Konten besitzt, und einige davon fur besondere Zwecke.«
»Okay, aber wir sollten uns besser auf das konzentrieren, was fur uns wichtig ist.«
»Nun gut. In den letzten Monaten liefen gro?ere Geldbetrage uber dieses Konto - alles ganz legal, auch von seiten der Bank, bis auf eins, das ungewohnlich war.«
»Und das war?«
»Miss Efferen, die als eine der stellvertretenden Direktoren betrachtlichen Einflu? hatte, tat alles, um das Konto selbst verwalten zu konnen, ohne da? ich oder andere uber dessen Existenz und die einzelnen Geldbewegungen Genaueres erfuhren.«
»Mit anderen Worten, die Herkunft und die Empfanger des Geldes wurden geheimgehalten.«
Armando nickte. »Genau so war es.«
»Und an wen wurde das Geld ausbezahlt?«
»Immer nur an Jose Antonio Salaverry. In den Unterlagen taucht nie eine andere Unterschrift auf, und es wurde immer bar ausbezahlt.«
»Kehren wir noch einmal zu einem fruheren Punkt zuruck«, sagte Kettering. »Sie haben uns gesagt, da? Sie diese Schlu?folgerungen der Polizei uber die Todesart von Efferen und Salaverry nicht teilen. Warum?«
»Als ich letzte Woche die Sache mit dem Konto entdeckte und dann noch von diesem doppelten Todesfall erfuhr, kam mir der Gedanke, da? diejenigen, die Geld uber dieses Konto laufen lie?en und dabei, meiner Meinung nach, Salaverry als Vermittler benutzten, auch fur diese Todesfalle verantwortlich sein konnten. Und das wurde bedeuten, da? es sich um einen Doppelmord handelt, der nur so aussehen sollte wie ein Mord mit anschlie?endem Selbstmord. Und da Sie mir nun erzahlen, da? in dieser Sache eine Verbindung zu den Entfuhrern der Sloanes besteht, ist es durchaus wahrscheinlich, da? die dafur verantwortlich sind.«
Kettering konnte nicht umhin, die Logik des Alteren zu bewundern, der trotz des Drucks, unter dem er stand, zu brillanten Schlu?folgerungen kam. Dann bemerkte er, das Mony unruhig wurde, und meinte: »Jonathan, wenn Sie irgendwelche Fragen haben, stellen Sie sie ruhig.«
Mony legte seine Notizen weg und setzte sich auf. »Mr. Armando, nehmen wir einmal an, es stimmt alles, was Sie sagen. Haben Sie dann nicht auch einen Verdacht, warum diese Leute umgebracht wurden?«
Der Direktor zuckte mit den Achseln. »Meiner Meinung nach wu?ten die einfach zuviel.«
»Die Namen der Entfuhrer zum Beispiel?«
»Wenn man davon ausgeht, was Mr. Kettering mir gesagt hat, scheint mir das eine Moglichkeit zu sein.«
»Und was ist mit der Herkunft des Geldes, das dieser Salaverry kontrollierte? Wissen Sie, woher das kam?«
Nun zogerte der Direktor zum ersten Mal. »Seit Montag stehe ich mit Angehorigen der peruanischen Delegation in Verbindung - die fuhren namlich eigene Untersuchungen durch. Aber was sie bis jetzt entdeckt und mir mitgeteilt haben, ist vertraulich... «
Kettering mischte sich ein. »Wir haben doch bereits vereinbart, da? wir Ihren Namen nicht erwahnen. Also los -erzahlen Sie! Woher stammt das Geld?«
Armando seufzte. »Ich mochte Sie etwas fragen, Mr. Kettering. Haben Sie je von einer Organisation mit dem Namen >Sendero Luminoso< oder...«
Mony beendete den Satz fur ihn. »Der Leuchtende Pfad?«
Mit verbissenem Gesicht antwortete Kettering: »Ja, ich habe davon gehort.«
»Wir sind noch nicht ganz sicher«, sagte der Direktor, »aber es besteht die Moglichkeit, da? das Geld von denen stammt.«
Nachdem sie Kettering und Mony hinter der Queensboro Bridge abgesetzt hatten, beschlossen Harry Partridge und Minh Van Canh, sich bei Wolfs Delicatessen an der Ecke West Fifthy-seventh und Sixth Avenue ein fruhes Mittagessen zu genehmigen. Wahrend sie uber ihren riesigen, warmen Pastrami-Sandwiches sa?en, betrachtete Partridge Minh, der an diesem Tag sehr nachdenklich und beinahe abwesend wirkte, was aber seine Arbeit in Godoys Bestattungsinstitut nicht beeintrachtigt hatte. Minhs kantiges, pockennarbiges Gesicht wirkte so undurchdringlich wie immer; zwischen zwei Bissen erwiderte er Partridges Blick.
»Was geht dir denn im Kopf herum, mein Freund?« fragte Partridge.
»Einiges.« Die Antwort war typisch fur Van Canh, und Partridge wu?te, da? es keinen Sinn hatte weiterzubohren. Wenn Minh die Zeit fur gekommen hielt, wurde er ihm auf seine Art Genaueres mitteilen.
Partridge erzahlte Minh nun von seiner Absicht, nach Kolumbien zu fliegen. Er fugte hinzu, da? er nicht sicher sei, ob ihn uberhaupt jemand begleiten sollte; er werde das mit Rita besprechen. Aber falls er einen Kameramann brauche, ob nun gleich fur den folgenden Tag oder spater, dann wolle er ihn.
Van Canh uberlegte eine Weile. Dann nickte er. »Okay, Harry, ich tu' es fur dich und fur Crawf. Aber es ist das letzte Mal, das letzte Abenteuer.«
Partridge war uberrascht. »Soll das hei?en, du willst aufhoren?«
»Ich habe es meiner Familie versprochen; wir haben gestern abend daruber geredet. Mein Frau will, da? ich mehr zu Hause bin. Unsere Kinder brauchen mich, und das Geschaft auch. Sobald wir aus Kolumbien zuruck sind, kundige ich.«
»Das kommt aber verdammt plotzlich.«
