hielten gespannt Papier und Bleistift in der Hand, andere schienen weniger interessiert. Ein junger Orientale studierte eine Partitur, andere lasen Zeitungen, und einige schliefen.

An der einen Wand befanden sich eine Reihe von Computern und einige Telefone. Auf einem Schild uber den Apparaten stand: FUR GESPRACHE IN DIE BORSE BITTE HORER ABHEBEN. Von mehreren Apparaten wurde gesprochen. Trotz der geflusterten Gesprache konnte man einige Bruchstucke verstehen: »Sie haben zweitausend gekauft? Verkaufen.« -»Konnen Sie funfhundert zu achtzehn kriegen? Dann tun Sie es.« - »Okay, bei funfzehneinviertel aussteigen.«

Eine Rezeptionistin auf der anderes Seite des Saals sah die beiden Journalisten hereinkommen, begru?te Kettering mit einem Lacheln und griff zum Telefon. Hinter ihr waren einige, teils geoffnete Turen, die zu Buros im Inneren des Gebaudes fuhrten.

»Sehen Sie sich gut um«, sagte Kettering zu Mony. »Diese Art von Aktienumschlagplatz gehort bald der Vergangenheit an. Der hier ist einer der letzten. Die meisten anderen sind verschwunden wie die Flusterkneipen nach der Prohibition.«

»Aber der Aktienhandel geht doch weiter.«

»Klar. Aber die Broker haben sich ihre Unkosten angesehen und gemerkt, da? sich Verkaufsraume wie dieser nicht mehr rentieren. Es kommen zu viele Leute, die sich hier ausruhen wollen oder einfach nur neugierig sind. Und dann die Obdachlosen - im Winter gibt es fur die keinen besseren Ort, wenn sie einen angenehmen Tag im Warmen verbringen wollen. Nur bringen Obdachlose keine Provisionen.«

»Vielleicht sollten Sie was daruber bringen«, meinte Mony. »Einen schonen, nostalgischen Bericht, bevor, wie Sie eben sagten, der letzte verschwunden ist.«

Kettering sah ihn eindringlich an. »Das ist eine ganz hervorragende Idee, junger Mann. Warum bin ich da eigentlich nicht selber drauf gekommen? Ich werde es nachste Woche am Hufeisen zur Sprache bringen.«

Eine Tur hinter der Empfangsdame offnete sich, und ein stammiger Mann mit buschigen Augenbrauen kam heraus, der Kettering herzlich begru?te. »Schon, dich zu sehen, Don. Du warst ja schon langer nicht mehr bei uns, aber wir verfolgen deine Berichte immer sehr aufmerksam. Kann ich etwas fur dich tun?«

»Danke, Kevin.« Kettering deutete auf Mony. »Mein junger Kollege Jonathan hier mochte wissen, mit welchen Aktien er sein Geld bis morgen vervierfachen kann. Au?erdem hatte ich gerne fur eine halbe Stunde einen Schreibtisch und ein Telefon.«

»Schreibtisch und Telefon sind kein Problem. Ihr kommt am besten in mein Buro, da seid ihr ungestort. Aber was das andere angeht - tut mir leid, Jonathan, unsere Kristallkugel ist gerade in Reparatur. Falls sie zuruckkommt, solange Sie noch da sind, werde ich es Sie wissen lassen.«

Man fuhrte sie in ein kleines, gemutliches Buro mit einem Mahagonischreibtisch, zwei Ledersesseln, dem unvermeidlichen Computer und einem Telefon. An der Tur stand der Name: Kevin Fane.

»Fuhlt euch wie zu Hause«, sagte Fane. »Ich werde Kaffee und Sandwiches bringen lassen.«

Als sie allein waren, sagte Kettering zu Mony: »Kevin und ich waren zusammen auf dem College. In den Sommerferien haben wir als Laufburschen in der New Yorker Borse gearbeitet und sind seitdem in Kontakt geblieben. Wollen Sie einen beruflichen Rat?«

Mony nickte. »Klar.«

»Als Korrespondent, und es sieht ja ganz so aus, als konnten Sie einer werden, sollten Sie so viele Kontakte wie moglich pflegen, nicht nur in den Fuhrungsetagen, sondern auch weiter unten, und Sie durfen sie nicht einschlafen lassen, sondern mussen sich immer wieder mal bei den Leuten melden, so wie wir es jetzt tun. Und vergessen Sie nicht, die Leute helfen Fernsehjournalisten gern; sie fuhlen sich wichtig, auch wenn sie einen nur das Telefon benutzen lassen, und irgendwie sind sie dankbar dafur.«

Wahrend er noch sprach, zog Kettering die Hundertdollarscheine, die er sich von Godoy ausgeborgt hatte, aus einer Innentasche seines Anzugs und breitete sie auf dem Schreibtisch aus. Er offnete eine Schublade und nahm ein Blatt Papier heraus.

»Zuerst versuchen wir unser Gluck mit den Scheinen, auf denen die Namen stehen. Falls uns das nicht weiterbringt, kummern wir uns um die mit den Kontonummern.« Er nahm einen Schein in die Hand, las laut »James W. Mortell« und fugte hinzu: »Der hat diesen Hunderter irgendwann in der Hand gehabt. Sehen Sie mal nach, ob Sie ihn im Telefonbuch von Manhattan finden, Jonathan.«

Wenige Minuten spater verkundete Mony: »Hier ist er.« Er las die Nummer vor, und Kettering tippte gleichzeitig auf die Tasten des Telefons. Es klingelte zweimal, dann meldete sich eine angenehme Frauenstimme: »Mortell Installationen.«

»Guten Morgen. Konnte ich bitte Mr. Mortell sprechen?«

»Er ist unterwegs. Ich bin seine Frau. Kann ich Ihnen helfen?« Nicht nur angenehm, sondern auch jung und charmant, dachte Kettering.

»Vielen Dank, Mrs. Mortell. Mein Name ist Don Kettering. Ich bin der Wirtschaftskorrespondent von CBA News.«

Eine Pause, dann eine zweifelnde Erwiderung: »Soll das ein Witz sein?«

»Das soll kein Witz sein, Madam.« Kettering klang gelost und freundlich. »Ich dachte, da? Mr. Mortell mir vielleicht bei einer Ermittlung weiterhelfen kann. Aber in seiner Abwesenheit konnen Sie es eventuell.«

»Sie sind ja wirklich Don Kettering. Ich kenne Ihre Stimme. Aber wie sollen denn gerade wir Ihnen helfen konnen?« Ein leises Lachen. »Au?er Sie haben irgendwo eine undichte Leitung.«

»Soviel ich wei?, nicht, aber falls mir etwas in dieser Richtung zu Ohren kommen sollte, werde ich an Sie denken. Aber eigentlich geht es mir um einen Hundertdollarschein, auf dem der Name Ihres Mannes steht.«

»Ich hoffe doch, wir haben nichts Ungesetzliches getan.«

»Aber nein, Mrs. Mortell. Es sieht nur so aus, als hatte Ihr Mann den Schein irgendwann in der Hand gehabt, und ich mochte herausfinden, welchen Weg er genommen hat.«

Die Antwort der Frau klang nachdenklich: »Nun, wir haben Kunden, die bar bezahlen, und einige auch mit Hundertdollarscheinen. Aber wir stellen keine Fragen.«

»Dazu haben Sie auch keinen Grund.«

»Wenn wir dann diese gro?en Scheine bei der Bank einzahlen, schreibt der Kassierer manchmal unseren Namen drauf. Ich glaube, das durfen sie eigentlich nicht, aber sie tun es trotzdem.« Sie machte eine Pause und fuhr dann fort: »Ich habe einen Kassierer einmal gefragt, warum er das tut. Und er hat mir geantwortet, es sei eine Vorsichtsma?nahme, weil es so viele gefalschte Hunderter gibt.«

»Genau das habe ich mir auch gedacht, und das ist vermutlich auch der Grund, warum auf dem Schein, den ich vor mir habe, Ihr Name steht.« Wahrend Kettering sprach, streckte er Mony den hochgereckten Daumen entgegen. »Mrs. Mortell, hatten Sie etwas dagegen, mir den Namen Ihrer Bank zu nennen?«

»Warum eigentlich nicht? Es ist die Citibank.« Sie nannte den Namen einer Filiale im Norden.

»Vielen Dank, Mrs. Mortell. Mehr wollte ich gar nicht wissen.«

»Einen Auge nblick noch, Mr. Kettering. Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«

»Naturlich.«

»Kommt uber die Sache was in den Nachrichten? Und falls etwas kommt, wie kann ich sicher sein, da? ich es nicht verpasse?«

»Das ist ganz einfach, Mrs. Mortell. Sie haben mir so viel geholfen, da? ich Ihnen verspreche, ich werde Sie personlich anrufen und Ihnen sagen, wann es kommt.«

Als Kettering auflegte, sagte Jonathan Mony: »Ich dachte mir, da? ich heute etwas lernen wurde. Und das habe ich eben getan.«

»Und was?«

»Wie man sich Freunde schafft.«

Kettering lachelte. Diese Mrs. Mortell hatte so charmant und fast etwas einladend geklungen, da? er beschlo?, sie personlich zu besuchen. Er notierte sich die Adresse, sie lag im Norden, gar nicht weit weg. Naturlich konnte er auch eine Enttauschung erleben. Stimmen waren manchmal trugerisch, vielleicht war die Frau alter, als sie klang, und sah aus wie das Heck eines Busses. Aber sein Instinkt war anderer Meinung. Auch Jonathan wurde zweifellos irgendwann lernen, da? die Arbeit beim Fernsehen am Rande auch noch den Vorteil haufiger romantischer Begegnungen hatte, aus denen sich angenehme Exkursionen entwickeln konnten.

Er nahm sich einen anderen Schein vor. »Versuchen wir den mal«, sagte er zu Mony und deutete auf das Telefonbuch. »Der Name ist Nicolini Brothers.«

Es war eine Backerei an der Third Avenue. Der Mann, der den Anruf entgegennahm, war argwohnisch und

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