schien nach den ersten Fragen gleich wieder auflegen zu wollen. Doch Kettering blieb auf seine Art beharrlich und brachte ihn dazu, es nicht zu tun. Schlie?lich nannte der Mann den Namen der Bank, bei der die Geschaftseinnahmen eingezahlt wurden. Es war die American-Amazonas Bank an der Dag Hammarskjold Plaza.

Die Namen auf den nachsten beiden Scheinen waren nicht im Telefonbuch von Manhattan zu finden.

Der nachste Schein fuhrte zu einem sehr hilfsbereiten Geschaftsfuhrer eines Herrenbekleidungsgeschafts. Das Geschaft, so gab er an, habe ein Konto bei der Bank Leumi, in der Filiale an der Third Avenue Ecke Sixty- seventh Street.

Dann gab es wieder einen Namen, der nicht im Telefonbuch stand, und beim nachsten hatte Kettering eine mi?trauische und unverschamte Frau am Apparat, bei der er nichts ausrichten konnte und schlie?lich aufgab.

Der funfte Anruf erreichte einen sechsundachtzigjahrigen Mann in der East End Avenue. Er war zu schwach, um den Horer selbst zu halten, eine Pflegerin ubernahm das fur ihn. Doch mit seinem Verstand war offensichtlich noch alles in Ordnung, denn man horte ihn frohlich flustern, da? sein Sohn, der mehrere Nachtclubs besitze, ihn oft besuche und ihm dabei Hundertdollarscheine zustecke, die er auf ein Konto einzahle. Als Reserve furs Alter, wie der - Sechsundachtzigjahrige - mit einem schwachen Kichern meinte. Ja, und das Konto sei bei der American-Amazonas Bank an der Dag Hammarskjold Plaza.

Ketterings nachster Anruf ging an ein Fischrestaurant. Er sprach mit funf verschiedenen Leuten, doch niemand wollte die Verantwortung auf sich nehmen und etwas so Wichtiges wie die Bankverbindung preisgeben. Doch schlie?lich bekam er den Restaurantbesitzer an den Apparat, der nur unwirsch meinte: »Was soll's schon. Naturlich konnen Sie den Namen meiner Bank erfahren. Ich hoffe nur, da? Sie unser Restaurant dann in den Nachrichten erwahnen. Also, die Bank ist an diesem verdammten Platz, den ich nie richtig schreiben kann - Dag Hammarskjold - na, jedenfalls die American-Amazonas.«

Nach dem Auflegen schob Kettering die Hunderter zusammen und sagte zu Mony: »Wir haben ins Schwarze getroffen. Keine Anrufe mehr. Wir haben die Losung.«

Als Antwort auf Monys fragenden Blick erganzte er: »Uberlegen Sie sich folgendes: Da? drei von funf Leuten dieselbe Bank nennen, kann kein Zufall mehr sein. Also wurden die beiden Namen auf den anderen Scheinen, die durch Citibank und Leumi liefen, fruher aufgeschrieben, die Scheine kamen wieder in Umlauf und wurden wahrscheinlich ebenfalls von der American-Amazonas ausgegeben.

»Von dort kam also das Geld, mit dem Novack-Rodriguez Godoy die Sarge bezahlte.«

»Genau!« Ketterings Stimme wurde hart. »Und ich schatze, da? diese verdammten Entfuhrer ihr ganzes Geld von dieser Bank bezogen und dort auch ein Konto hatten - oder vielleicht immer noch haben.« »Also ab zur Dag Hammarskjold Plaza?« fragte Mony.

Kettering schob den Stuhl zuruck und stand auf. »Naturlich. Wohin denn sonst? Gehen wir!«

10

Don Kettering wurde beim Betreten der American-Amazonas Bank sofort erkannt, und er hatte den Eindruck, als sei sein Besuch fur die Angestellten keine Uberraschung.

Als er eine etwas hausmutterliche Sekretarin fragte, ob er den Direktor sprechen konne, sagte sie ihm: »Er hat im Augenblick Besuch, Mr. Kettering, aber ich werde hineingehen und ihm sagen, da? Sie hier sind.« Sie sah Jonathan Mony an. »Ich bin sicher, da? er die Gentlemen nicht lange wird warten lassen.«

In der Zwischenzeit sah Kettering sich in der Filiale um. Sie lag im Erdgescho? eines bejahrten Backsteinbaus am Nordende des Platzes. Von au?en betrachtet war der schiefergraue Eingang eher unauffallig. Der fur New Yorker Verhaltnisse kleine Innenraum war dagegen attraktiv und farbenfroh. Statt der ublichen Fliesen bedeckte ein gedampft kirschroter Teppich mit hellroten und orangefarbenen Mustern den Boden des gesamten Geschaftsbereichs; auf einem kleinen Schild war in Goldschrift zu lesen, da? er aus der Amazonas-Region in Brasilien stammte.

Die Einrichtung entsprach dem ublichen Standard, eine Reihe von Kassenschaltern auf der einen, drei Schreibtische auf der anderen Seite, doch die Holzvertafelung war von allererster Qualitat. Ins Auge sprang ein au?ergewohnliches, riesiges Wandgemalde - eine Revolutionsszene mit fliehenden Pferden und uniformierten Soldaten.

Kettering betrachtete eben das Gemalde, als die Sekretarin meldete: »Mr. Armando hat jetzt Zeit fur Sie. Wenn Sie bitte hereinkommen wollen.«

Sie betraten ein Buro, das nur durch eine Glaswand vom Kundenbereich getrennt war. Der Direktor kam ihnen mit ausgestreckter Hand entgegen. Ein Schild auf dem Tisch wies ihn als Emiliano W. Armando, Jr. aus.

»Mr. Kettering, es ist mir ein Vergnugen, Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich sehe Sie oft im Fernsehen und bewundere Ihre Reportagen. Aber das horen Sie wahrscheinlich die ganze Zeit.«

»Ich wei? es aber trotzdem zu schatzen.« Der Wirtschaftskorrespondent stellte Mony vor. Armando wies auf die Sessel, und seine Besucher plazierten sich so, da? sie einen Wandteppich in leuchtenden Blau- und Gelbtonen im Blick hatten, der das dekorative Thema der Schalterhalle wiederaufnahm.

Kettering beobachtete den Direktor, eine kleine Gestalt mit einem faltigen, leicht mude wirkenden Gesicht, schutteren wei?en Haaren und buschigen Augenbrauen. Armando bewegte sich schnell und fahrig, sein Gesicht wirkte besorgt, und er machte auf Kettering den Eindruck eines alternden Terriers, der mit seiner sich verandernden Umwelt unzufrieden ist. Doch instinktiv mochte er den Mann, ganz im Gegensatz zu Alberto Godoy.

Der Banker lehnte sich in seinem Drehstuhl zuruck und seufzte: »Ich habe mir schon gedacht, da? Sie oder einer Ihrer Kollegen bald hier aufkreuzen wurden. Wir sind alle nicht sehr glucklich uber die verwirrenden Ereignisse der letzten Zeit, wie Sie sicher verstehen werden.«

Kettering beugte sich vor. Der Direktor nahm an, da? sein Gesprachspartner etwas wu?te, von dem er in Wirklichkeit keine Ahnung hatte. Deshalb stimmte er ihm vorsichtig zu. »Doch ja, aber so ist das nun einmal.«

»Mich wurde interessieren, wie Sie davon erfahren haben.«

Der Wirtschaftskorrespondent stand auf und fragte lachelnd: »Wie erfahren? Wir beim Fernsehen haben Informationsquellen, die wir manchmal nicht preisgeben durfen.« Er bemerkte, da? Mony der Unterhaltung aufmerksam, aber mit ausdruckslosem Gesicht folgte. Fur den ehrgeizigen jungen Mann war dieser Tag ein Intensivkurs in Sachen Journalismus.

»Ich habe mir schon uberlegt, ob es der Artikel in der Post war«, sagte Armando. »Der lie? ja viele Fragen offen.«

Kettering runzelte die Stirn. »Vielleicht habe ich den gelesen. Haben Sie zufallig ein Exemplar da?«

»Naturlich.« Armando zog eine Schreibtischschublade auf und holte einen Zeitungsausschnitt in einer Plastikhulle heraus. Die Uberschrift lautete:

UN-DIPLOMAT TOTET IN RASENDER EIFERSUCHT GELIEBTE UND SICH SELBST

Kettering uberflog den Bericht und bemerkte dabei, da? er aus einer zehn Tage alten Zeitung stammte, deren Erscheinungsdatum auf den vorletzten Sonntag lautete. Als er Namen und Berufsbezeichnungen der beiden Opfer las - Helga Efferen von der American-Amazonas Bank und Jose Antonio Salaverry, Mitglied der peruanischen Delegation bei den Vereinten Nationen -, wurde ihm klar, woruber sich der Direktor Sorgen machte. Noch unklar war ihm jedoch, ob eine Verbindung bestand zwischen diesem Vorfall und dem Problem, das ihn und Mony hierhergefuhrt hatte.

Kettering gab Mony den Bericht und wandte sich wieder Armando zu: »Sie sagten etwas von offenen Fragen, wenn ich mich recht erinnere.«

Der Direktor nickte. »Die Zeitung gibt nur die Verlautbarungen der Polizei wieder. Ich personlich glaube nicht daran.«

Kettering, der immer noch nach einer moglichen Verbindung suchte, bohrte weiter. »Wollen Sie mir Ihren Grund dafur nennen?«

»Die ganze Sache ist viel zu komplex fur eine so einfache Erklarung.«

»Die Frau war Ihnen ja sicher bekannt, sie arbeitete ja hier. Kannten Sie auch den Mann, Salaverry?«

»Ja. Leider - wie ich inzwischen sagen mu?.«

»Wurden Sie mir das bitte erklaren?«

Armando zogerte, bevor er antwortete. »Ich mochte ganz offen mit Ihnen sprechen, Mr. Kettering, vor allem weil ich glaube, da? das, was wir in den letzten zehn Tagen hier in der Bank entdeckt haben, irgendwann sowieso an die Offentlichkeit dringen wird, und weil ich wei?, da? Sie in Ihrer Berichterstattung fair sind. Aber ich habe

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