Van Canh lachelte, was er nur sehr selten tat. »So plotzlich wie ein Befehl, um drei Uhr morgens nach Sri Lanka oder Gdansk aufzubrechen?«

»Ich wei?, was du meinst. Aber ich werde dich sehr vermissen, ohne dich ist es einfach nicht dasselbe.« Partridge schuttelte traurig den Kopf, doch eigentlich uberraschte die Entscheidung ihn nicht - Minh hatte sich bei seiner Arbeit fur CBA News in Vietnam standig den allergro?ten Gefahren ausgesetzt und es gegen Ende geschafft, mit seiner Frau und seinen zwei Kindern aus seinem Heimatland fliehen zu konnen.

In den folgenden Jahren lebten sich die Van Canhs gut in Amerika ein. Die Kinder waren, wie die vieler vietnamesischer Immigranten, sehr flei?ig und erhielten in der Schule und nun auch auf dem College hervorragende Zeugnisse. Partridge kannte sie gut und bewunderte ihren Zusammenhalt; manchmal beneidete er sie sogar darum. Die Familie lebte sehr bescheiden, denn Minh sparte und investierte einen Gro?teil seines nicht eben geringen Gehalts von CBA. Diese Sparsamkeit war so offensichtlich, da? unter Kollegen inzwischen das Gerucht ging, Minh sei Millionar.

Partridge hielt das fur durchaus moglich, denn Minh hatte in den vergangenen funf Jahren einige kleine Fotogeschafte in den Au?enbezirken von New York gekauft und sie mit Unterstutzung seiner Frau Thanh zu einer Kette ausgebaut.

So war es nur vernunftig, da? Minh an diesem Punkt seines Lebens zu der Entscheidung kam, er habe nun genug von den Reisen und den langen Zeiten der Abwesenheit und auch von den Risiken, die er, nicht zuletzt bei gefahrlichen Einsatzen mit Harry Partridge, auf sich nahm.

»Weil wir gerade von deinem Geschaft reden, wie lauft es denn?«

»Sehr gut.« Mit dem Anflug eines Lachelns fugte er hinzu: »Aber Thanh schafft es nicht mehr alleine, wenn ich unterwegs bin.«

»Ich freue mich fur dich«, sagte Partridge, »weil es keiner so verdient hat wie du. Ich hoffe nur, da? wir uns ab und zu sehen werden.«

»Worauf du dich verlassen kannst. In unserem Haus stehst du ganz oben auf der Liste der Ehrengaste.«

Nach dem Essen trennte sich Partridge von Van Canh und ging in ein Sportgeschaft, wo er sich einige Paar dicke Socken, Wanderstiefel und eine robuste Taschenlampe kaufte. Denn er ging davon aus, da? er dies alles sehr bald brauchen wurde. Als er in die CBA News-Zentrale zuruckkehrte, war es bereits Nachmittag.

Im Konferenzraum der Spezialeinheit winkte Rita Abrams ihn zu sich. »Ein Mann hat versucht, dich zu erreichen. Er hat seit heute vormittag schon dreimal angerufen. Wollte seinen Namen nicht nennen, mu? dich aber unbedingt heute noch sprechen. Ich hab' ihm gesagt, da? du irgendwann zuruckkommst.«

»Danke. Ich mu? dir ubrigens auch etwas sagen. Ich habe beschlossen, nach Bogota zu fliegen...«

Partridge hielt inne, und beide sahen auf, als sie hinter sich schnell naher kommende Schritte horten. Einen Augenblick spater trat Don Kettering ins Zimmer, dicht gefolgt von Jonathan Mony.

»Harry! Rita!« rief Kettering, und seine Stimme klang atemlos vom Laufen. »Ich glaube, wir haben die Nu? geknackt!«

Rita sah sich angstlich um, weil sich noch andere im Zimmer befanden. »Sprechen wir in meinem Buro«, sagte sie und ging voraus.

In den nachsten zwanzig Minuten erzahlte Kettering, mit gelegentlicher Unterstutzung von Mony, alles, was sie erfahren hatten. Kettering zog eine Kopie des Post-Artikels uber den angeblichen Mord mit anschlie?endem Selbstmord aus der Tasche. Die beiden Korrespondenten und Rita wu?ten, da? nach ihrer Besprechung die Recherchenabteilung von CBA routinema?ig alles verfugbare Material uber den Fall beschaffen wurde.

Rita uberflog den Zeitungsausschnitt und fragte dann Kettering: »Glaubst du, da? wir diesen Todesfallen weiter nachgehen sollten?«

»So am Rande vielleicht, aber die Sache ist eigentlich nicht mehr relevant. Was relevant ist, ist diese Verbindung nach Peru.«

»Das glaube ich auch«, sagte Partridge. »Der Name Peru ist ja schon einmal gefallen.« Er dachte an sein Gesprach mit Manuel Leon Seminario, dem Besitzer und Herausgeber von Escana, der erwahnt hatte, da? Entfuhrungen in Peru inzwischen an der Tagesordnung seien.

»Auch wenn wir jetzt diese Spur nach Peru haben«, gab Rita zu bedenken, »durfen wir nicht vergessen, da? wir noch gar nicht sicher wissen, ob die Entfuhrungsopfer uberhaupt au?er Landes gebracht wurden.«

»Das vergesse ich nicht«, sagte Partridge. »Don, hast du sonst noch etwas?«

Kettering nickte. »Ja. Ich habe mir von dem Bankdirektor die Zustimmung zu einem Interview vor der Kamera geben lassen, das wir vielleicht sogar noch heute machen. Er wei? zwar, da? er damit Kopf und Kragen riskiert, aber er ist ein guter alter Kerl mit viel Verantwortungsgefuhl, und er meint, er werde es riskieren. Harry, wenn du willst, ubernehme ich das.«

»Ist mir recht. Es ist sowieso deine Geschichte.« Dann wandte Partridge sich an Rita: »Vergi? die Sache mit Bogota. Ich fliege nach Lima. Gleich morgen fruh will ich dort sein.«

»Und mit wieviel Material gehen wir auf Sendung, und wann?«

»Mit allem, und zwar bald. Wir werden mit Les und Chuck besprechen, wann genau, aber ich hatte in Peru gern vierundzwanzig Stunden Zeit, bevor die Reporterhorden uber das Land hereinbrechen. Denn das wird passieren, sobald wir mit unseren Informationen an die Offentlichkeit gehen.«

Nach kurzem Schweigen fuhr er fort. »Wir fangen jetzt sofort an, die ganze Geschichte zusammenstellen, und arbeiten die Nacht durch. Ruf alle von der Spezialeinheit zu einer Konferenz zusammen« - er sah auf die Uhr: 15 Uhr 15 - »um funf.«

»Jawohl, Sir!« Rita lachelte, sie war froh, da? endlich etwas passierte.

Im selben Augenblick klingelte das Telefon. Rita meldete sich, legte dann die Hand uber den Horer und sagte zu Partridge: »Es ist wieder dieser Mann, der schon den ganzen Tag versucht, dich zu erreichen.«

Harry nahm den Horer. »Partridge.«

»Nennen Sie wahrend dieses Gesprachs nie meinen Namen. Ist das klar?« Die Worte klangen gedampft, vielleicht beabsichtigt, aber Partridge erkannte die Stimme des Anwalts sofort.

»Ja, ist klar.«

»Sie wissen, wer ich bin?«

»Ja.«

»Ich rufe aus einer Telefonzelle an, der Anruf kann also nicht zuruckverfolgt werden. Und noch etwas: Sollten Sie mich je offentlich mit dem, was ich Ihnen jetzt sage, in Verbindung bringen, werde ich schworen, da? Sie die Unwahrheit sagen, und alles leugnen. Ist auch das klar?«

»Ja.«

»Ich bin ein gro?es Risiko eingegangen, um das herauszubekommen, was ich jetzt wei?, und falls gewisse Leute von unserer Unterhaltung erfahren, konnte es mich das Leben kosten. Verstanden?«

»Voll und ganz.«

Die anderen drei in dem kleinen Buro schwiegen und sahen Partridge an, wahrend die gedampfte Stimme, die sie alle horen konnten, fortfuhr.

»Einige meiner Klienten haben Verbindungen nach Lateinamerika.« Verbindungen zum Kokainhandel, dachte Partridge, sagte es aber nicht.

»Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, lassen diese Leute die Finger von Geschichten wie der Ihren, aber es kommen ihnen gewisse Sachen zu Ohren.«

»Ich verstehe«, sagte Partridge.

»Also, was ich Ihnen jetzt sage, stammt aus absolut zuverlassiger Quelle, dafur kann ich garantieren. Die Leute, die Sie suchen, wurden letzten Samstag aus Amerika herausgeflogen und werden jetzt in Peru gefangengehalten. Verstanden?«

»Ja«, antwortete Partridge. »Darf ich Sie etwas fragen?« »Nein.«

»Ich brauche einen Namen«, bat Partridge. »Wer steckt dahinter? Wer halt sie gefangen?«

»Auf Wiederhoren.«

»Warten Sie, bitte warten Sie. Also gut, ich werde Sie nicht bitten, einen Namen zu nennen, sondern ich werde Ihnen einen nennen, und wenn ich mich tausche, geben Sie mir das irgendwie zu verstehen. Wenn ich recht habe, sagen Sie gar nichts.«

Ein Pause und dann: »Aber schnell.«

Partridge holte Atem, bevor er flusterte: »Sendero Luminoso.«

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