»Ganz sicher«, erwiderte er traurig und fugte dann hinzu: »Jessica hat zwei Signale ubermittelt.«

»Welche Signale?« Chippingham klang verwirrt.

»Zuerst hat sie sich uber die Lippen geleckt, und das hei?t: >Ich mache das gegen meinen Willen. Glaubt kein Wort von dem, was ich sage.<«

»Raffiniert!« sagte Bracebridge.

»Sehr mutig«, bemerkte jemand. Andere nickten zustimmend.

»Wir haben noch am Abend vor der Entfuhrung uber solche Signale geredet, weil ich glaubte, da? ich selber sie eines Tages brauchen wurde... Das Leben ist voller Zufalle. Offensichtlich hat Jessica sich daran erinnert.«

»Was konnte sie dir sonst noch mitteilen?« fragte Chippingham.

»Nein, Sir!« Die Stimme des FBI-Manns Havelock mischte sich in die Unterhaltung. »Mr. Sloane, was Sie sonst noch erfahren haben, sollten Sie im Augenblick fur sich behalten. Je weniger Leute davon wissen, desto besser. Bitte, lassen Sie uns spater daruber reden.«

»Ich mochte das aber wissen«, sagte Norm Jaeger. »Die Spezialeinheit hat es ja bis jetzt sehr gut geschafft, Geheimnisse fur sich zu behalten.« Dann fugte er spitz hinzu: »Und sie aufzudecken.«

Der FBI-Agent sah ihn murrisch an. »Soweit ich wei?, werden Sie wegen dieser Sache noch von unserem Direktor horen - warum Sie uns nicht informiert haben.«

»Das ist doch alles Zeitverschwendung«, sagte Iris Everly ungeduldig. »Mrs. Sloane hat auf dem Band Anweisungen erwahnt. Haben wir die?« Obwohl Iris die Jungste der Gruppe war, war sie von der hochkaratigen Besetzung wenig beeindruckt. Sie hatte den ganzen Tag hart gearbeitet, um die Sondersendung fertigzubekommen, und war jetzt mude, aber ihr Verstand reagierte so schnell wie immer.

Margot, die noch immer das lavendelfarbene Chiffonkleid von Oscar de la Renta trug, in dem sie den franzosischen Prasidenten getroffen hatte, antwortete: »Wir haben es hier.« Sie nickte Nortandra zu. »Ich glaube, Sie sollten es laut vorlesen.«

Der Vizeprasident nahm ihr das Bundel zusammengehefteter Blatter ab, setzte sich eine Lesebrille auf die Nase und ging zur nachsten Lampe. Das Licht hob sein schlohwei?es Haar und das nachdenkliche Gesicht hervor. Nortandra war Anwalt eines gro?en Konzerns gewesen, bevor er Manager bei CBA wurde; in seiner Stimme lag eine selbstbewu?te Bestimmtheit, die er sich in den vielen Pladoyers im Gerichtssaal angeeignet hatte.

»Der Titel dieses Dokuments - oder vielleicht sollte ich besser sagen, dieser au?ergewohnlichen Schmahschrift - lautet: >Die leuchtende Zeit ist gekommen.< Ich werde es Ihnen wortlich vorlesen, ohne Kommentar oder Zwischenbemerkungen.

In der Geschichte der erleuchteten Revolutionen gab es Zeiten, in denen diejenigen, die sie anfuhrten und inspirierten, es vorzogen zu schweigen und geduldig zu leiden, manchmal auch im Elend zu sterben, immer aber zu hoffen und zu planen. Dann gab es andere Zeiten -Augenblicke des Ruhms und des Sieges, wenn eine unterdruckte und ausgebeutete Mehrheit sich erhob, wenn Imperialismus und Tyrannei gesturzt wurden und wenn eine verkrustete kapitalistisch-bourgeoise Klasse ihre verdiente Vernichtung erfuhr.

Fur den Sendero Luminoso ist die Zeit des Schweigens, der Geduld und des Leidens zu Ende. Die leuchtende Zeit, die zu beiden Seiten des Leuchtenden Pfads liegt, ist gekommen. Wir sind bereit zum Aufbruch.

Wahrend die selbsternannten Supermachte dieser Welt sich nach au?en hin durch Verhandlungen um Frieden bemuhen, bereiten sie sich in Wahrheit auf eine katastrophale Konfrontation zwischen dem imperialistischen und dem sozialistisch-imperialistischen Block vor, die beide die Vorherrschaft uber die Welt anstreben. Die bereits versklavte und vergewaltigte Mehrheit wird darunter nur noch mehr leiden. Wenn nichts gegen die immer weiter fortschreitende Ausbeutung der Welt unternommen wird, werden einige wenige machtbesessene Geldbonzen die gesamte Menschheit um ihrer eigenen Zwecke willen unterwerfen.

Aber wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch brodelt uberall die Revolution. Die Partei - der Sendero Luminoso - wird diese Revolution anfuhren. Sie hat das Wissen und die Erfahrung. Ihr wachsender Einflu? erstreckt sich uber die ganz Welt.

Es ist an der Zeit, da? die Offentlichkeit uns kennenlernt und versteht.

Die verlogenen kapitalistisch-imperialistischen Medien, die nur drucken und senden, was ihre geldscheffelnden Herren ihnen sagen, ignorieren oder entstellen seit Jahren den heroischen Kampf des Sendero Luminoso.

Das wird sich nun andern. Und das ist der Grund, warum wir kapitalistische Gefangene als Geiseln halten.

An den amerikanischen Fernsehsender CBA ergehen hiermit folgende Befehle:

Erstens: Beginnend mit dem zweiten Montag nach Erhalt dieser Forderungen wird das Programm CBA National Evening News (beide Ausgaben) an funf Wochentagen, also eine ganze Woche lang, abgesetzt.

Zweitens: Statt des abgesetzten Programms wird ein anderes gesendet, das CBA in Form von funf Cassetten zugeschickt wird. Der Titel dieses Programms lautet: >Die Weltrevolution: der Sendero Luminoso zeigt den Weg.<

Drittens: Wahrend dieser Programme darf keine Werbung ausgestrahlt werden.

Viertens: Weder CBA noch eine andere Institution wird versuchen, die Herkunft dieser Cassetten zu ermitteln, von denen die erste CBA am Donnerstag nachster Woche zugehen wird. Die anderen folgen in taglichem Abstand. Jeder Versuch einer Nachforschung wird die sofortige Exekution einer der in Peru festgehaltenen Geiseln zur Folge haben. Bei allen weiteren Versuchen wird ebenso verfahren.

Funftens: Diese Befehle stehen nicht zur Diskussion, sie sind Punkt fur Punkt auszufuhren.

Wenn CBA und andere diese Forderungen zur Ganze erfullen, werden die drei Gefangenen vier Tage nach der letzten Ausstrahlung des Sendero Luminoso-Programms freigelassen. Wenn nicht, bleiben die Gefangenen verschwunden, und auch ihre Leichen wird man nirgends finden.«

»Da ist noch etwas«, sagte Nortandra. »Es steht auf einem separaten Blatt.«

»Kopien von >Die leuchtende Zeit ist gekommen und von der Videocassette mit der Erklarung der weiblichen Gefangenen gehen auch an die anderen Fernsehsender und die Presse.«

»Das ist alles«, stellte Nortandra fest. »Die Papiere sind nicht unterzeichnet, aber die Tatsache, da? sie als Begleitschreiben mit der Cassette kamen, macht sie meiner Meinung nach authentisch.«

Schweigen folgte. Niemand schien als erster etwas sagen zu wollen. Einige sahen Crawford Sloane an, der zusammengesunken und mit verbissenem Gesicht in seinem Sessel sa?. Die anderen teilten seine Verzweiflung.

Schlie?lich war es Les Chippingham, der sprach. »Jetzt wissen wir es wenigstens. Die ganze Zeit haben wir uns schon gefragt, was diese Leute wollen. Zuerst haben wir an Geld gedacht. Jetzt zeigt sich, da? es viel mehr ist.«

»Viel, viel mehr«, erganzte Bracebridge. »In Geld ist das uberhaupt nicht umzurechnen, aber das steht ja auch gar nicht zur Debatte.«

»Wie ich anfangs schon angedeutet habe«, bemerkte Nortandra, »ergibt das Ganze, vor allem dieser Revolutionsjargon, wenig Sinn.«

Norm Jaeger meldete sich. »Das Gerede von Revolutionaren ergibt selten Sinn, au?er fur sie selbst. Aber das ist kein Grund, sie nicht ernst zu nehmen. Das haben wir im Iran gesehen.« Jaeger sah auf die Uhr uber ihnen: 22 Uhr 55. Dann wandte er sich an Chippingham. »Les, sollen wir mit einer Sondermeldung das Programm unterbrechen? Wenn wir schnell sind, schaffen wir es bis zur vollen Stunde. Wir konnten Ausschnitte aus dem Band mit Mrs. Sloane verwenden. Wenn es stimmt, da? die anderen Sender die Cassette auch erhalten haben, dann bringen sie die Geschichte wahrscheinlich sofort.«

»Sollen sie ruhig«, erwiderte Chippingham entschlossen. »Das ist eine ganz neue Situation, in der wir unter Zugzwang stehen und nichts ubersturzen durfen. Wir werden um Mitternacht eine Meldung bringen; das gibt uns Zeit, uns zu uberlegen, wie wir vorgehen, und wichtiger noch, wie wir auf die Forderungen reagieren wollen - falls wir reagieren.«

»Die Art unserer Reaktion steht ja wohl au?er Frage«, erklarte Margot Lloyd-Mason. »Es ist doch klar, da?

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