Unterschied machte. Frage: Wie hoch war das Risiko, da? wegen der Veroffentlichung jemand getotet wurde? Antwort: Sehr gering, da eine tote Geisel wertlos ware. Frage: Da CBA die Entscheidung in ein oder zwei Tagen sowieso bekanntgeben mu?te, welchen Unterschied machte es, wenn sie etwas fruher veroffentlicht wurde? Antwort: Kaum einen. Frage: Da die Entscheidung durch Theo Elliotts Leichtfertigkeit bereits nach au?en gedrungen war und andere mit Sicherheit davon wu?ten, wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, da? die Offentlichkeit nichts davon erfuhr? Antwort: Sehr gering.
Am Ende formulierte der Chefredakteur das Ergebnis, zu dem sie beide gekommen waren: »Es gibt kein moralisches Problem. Der Artikel wird gedruckt!«
Die Geschichte wurde zum Aufmacher der Nachmittagsausgabe des
CBA SAGT NEIN ZU SLOANE-ENTFUHRERN
Der Artikel, der unter Glen Dawsons Namen erschien, begann wie folgt:
Es kam noch mehr - vorwiegend Hintergrundinformationen uber die Geschichte der Entfuhrung.
Noch vor Auslieferung des
Am nachsten Morgen berichteten auch die peruanischen Medien, die der Entfuhrungsgeschichte hochste Aufmerksamkeit schenkten, uber die Enthullung, wobei sie besonders Theo Elliotts Beschreibung des Sendero Luminoso als »Haufen verruckter Kommunisten« -
6
»Ich mag Vincente«, sagte Nicky. »Er ist unser Freund.«
»Das glaube ich auch«, rief Angus aus seiner Zelle. Er lag auf der dunnen, fleckigen Matratze seiner Pritsche und vertrieb sich die Zeit mit der Beobachtung von zwei gro?en Kafern an der Wand.
»Das schlagt euch schleunigst aus dem Kopf«, zischte Jessica. »Hier irgend jemand zu mogen, ist dumm und naiv.«
Sie hielt inne und hatte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. So harte Worte waren wirklich unnotig.
»Tut mir leid. Das ist mir einfach so rausgerutscht.«
Das Problem war, da? sie nach funfzehn Tagen Gefangenschaft in diesen winzigen Kafigen alle gereizt und mutlos waren. Jessica hatte zwar alles getan, um die Stimmung, wenn schon nicht hoch, dann wenigstens so zu halten, da? sie nicht in Verzweiflung umschlug. Sie hatte auch sehr darauf geachtet, da? keiner die tagliche Gymnastik vernachlassigte. Aber trotz ihres Bemuhens zeigten die fehlende Bewegungsfreiheit, die Monotonie und die Einsamkeit Wirkung.
Dazu kam noch, da? das fettige, fast ungenie?bare Essen ihre korperliche Konstitution weiterhin erheblich schwachte.
Und obwohl sie versuchten, sich regelma?ig zu waschen, waren sie meistens schmutzig, sie rochen schlecht und schwitzten, und die dreckigen Kleider klebten an ihren Korpern.
Es war ja schon und gut, dachte Jessica nun, sich immer wieder ins Gedachtnis zu rufen, da? ihr Antiterrorismus-Lehrer, Brigadier Wade, in seinem Erdloch in Korea schlimmer und langer gelitten hatte. Aber Cedric Wade war ein au?ergewohnlicher Mann, der damals in Kriegszeiten seinem Land diente. Doch hier war kein Krieg, an dem sie ihren Mut hatten aufrichten konnen. Sie waren nur Zivilisten, zufallige Opfer eines unbedeutenden Geplankels, Gefangene... zu welchem Zweck? Jessica wu?te es nicht.
Dennoch erinnerte sie der Gedanke an Brigadier Wade und Nickys und Angus' Bemerkungen uber Vincente an etwas, das sie von Wade gelernt hatte. Und jetzt schien ihr der Augenblick gunstig, um es zur Sprache zu bringen.
Sie sah sich angstlich nach dem diensthabenden Wachposten um und fragte leise: »Angus und Nicky, habt ihr schon einmal vom Stockholm-Syndrom gehort?«
»Ich glaube schon«, erwiderte Angus. »Aber ich bin nicht sicher.«
»Nicky?«
»Nein, Mom. Was ist das?«
Der Wachposten war derjenige, der manchmal in ComicHeften las; er schien auch jetzt in eins vertieft zu sein und nicht auf ihre Unterhaltung zu achten. Jessica wu?te au?erdem, da? er kein Englisch verstand.
»Ich werde es euch erzahlen«, sagte sie.
Sie erinnerte sich daran, was Brigadier Wade der kleinen Gruppe, zu der auch sie gehorte, erklart hatte: »Eins passiert fast immer in Entfuhrungssituationen, namlich da? zumindest ein paar der Opfer anfangen, die Terroristen zu mogen. Manchmal geht das sogar so weit, da? die Geiseln die Terroristen als ihre Freunde betrachten und die Polizei oder die Truppen, die sie retten wollen, als Feinde. Das ist das Stockholm- Syndrom.«
Da? das alles zutraf, fand Jessica spater durch zusatzliche Lekture bestatigt. Es hatte sie auch interessiert nachzulesen, wie dieses Phanomen zu seinem Namen gekommen war.
Nun versuchte sie, sich das wieder ins Gedachtnis zu rufen, und erzahlte dann die eigenartige Geschichte, wahrend Nicky und Angus interessiert zuhorten.
Es
