wurde weniger als ein Drittel, weil, mit einer Ausnahme, nur zwischen den sechs Apparaten telefoniert wurde, nie nach drau?en. Solche Ortsgesprache zwischen Funktelefonen sind zwar auch nicht umsonst, aber relativ billig.«

»Das spricht alles fur den hohen Organisationsgrad und die Disziplin der Entfuhrer«, erwiderte Kettering. »Aber du hast eine Ausnahme erwahnt.«

»Ja - am 13. September, ein direkt gewahltes Auslandsgesprach nach Peru.«

»Das ist der Tag vor der Entfuhrung. Hast du die Nummer?«

»Naturlich. Es war 011, der Zugriffscode auf das internationale Netz, 51, die Vorwahl von Peru, und dann 14-289427. Von meinen Leuten wei? ich, da? >14< Lima ist. Aber welcher Anschlu? das nun genau ist, mu?t ihr selber herausfinden.«

»Das werden wir sicher. Und vielen Dank!«

»Hoffentlich hilft euch das weiter. Viel Gluck!«

Sofort nach dem Auflegen blatterte Kettering in seinem Notizbuch und wahlte dann eine Nummer fur ein weiteres

Gesprach: 011-51-14-1212.

Als sich eine Stimme mit »Buenas tardes, Cesar's Hotel« meldete, erwiderte Kettering: »Mr. Harry Partridge, por favor.«

8

Fur Harry Partridge war es ein entmutigender Tag gewesen. Er war mude und hatte sich deshalb schon kurz vor zehn ins Bett gelegt. Aber seine Gedanken lie?en ihm keine Ruhe. Er grubelte uber Peru nach.

Das ganze Land, so dachte er, war ein Paradox - eine konfliktgeladene Mischung aus militarischem Despotismus und freier Demokratie. In den abgelegeneren Gegenden der Republik herrschten das Militar und die sogenannte Antiterror-Polizei mit eiserner Faust und meist unter Mi?achtung der Gesetze. Sie toteten willkurlich und nannten danach ihre Opfer »Rebellen«, auch wenn sie es nicht waren, wie unabhangige Ermittlungen oft zeigten.

Americas Watch, eine Menschenrechtsorganisation in den Vereinigten Staaten, hatte sich, in Partridges Augen, sehr verdient gemacht, als sie in einem Bericht »eine wahre Sturzflut von au?ergerichtlichen Exekutionen, willkurlichen Verhaftungen, Verschleppungen und Folterungen« aufzeigte und sie als »zentrales Element« der Antiterrorismuskampagne der Regierung anprangerte.

Doch Americas Watch verschonte auch die Rebellen nicht. In einem erst kurzlich veroffentlichten Untersuchungsbericht, der nun neben Partridges Bett lag, hie? es, der Sendero Luminoso »ermorde systematisch wehrlose Menschen, plaziere Sprengsatze, die das Leben unschuldiger Passanten bedrohen, und greife militarische Ziele an, ohne zu versuchen, das Risiko fur die Zivilbevolkerung gering zu halten«. Dies alles seien »fundamentale Verletzungen der internationalen Menschenrechte«.

Uber das Land im allgemeinen hie? es: »Peru hat inzwischen das traurige Privileg, zu den brutalsten und gefahrlichsten Landern Sudamerikas zu gehoren.«

Auch andere Quellen kamen zu dem unvermeidlichen Schlu?, da? es, was wahlloses Morden und andere Grausamkeiten betraf, kaum einen Unterschied gab zwischen den Rebellen und den Regierungstruppen.

Doch gleichzeitig existierten in Peru starke demokratische Elemente, die mehr waren als nur Fassade, wie manche Kritiker behaupteten. Dazu gehorte auch die Freiheit der Presse, die in Peru eine lange Tradition hatte. Ebendiese Freiheit gestattete es Partridge und anderen auslandischen Reportern zu reisen, Fragen zu stellen, nachzuforschen und zu berichten, woruber sie wollten, ohne ihre Ausweisung oder Repressalien befurchten zu mussen. Naturlich hatte es auch Ausnahmen gegeben, aber bis jetzt nur sehr selten und in einzelnen Fallen. Partridge hatte dieses Thema vor wenigen Stunden bei einem Interview mit General Raul Ortiz, dem Chef der Antiterror-Polizei angeschnitten.

»Beunruhigt es Sie denn nicht«, hatte er den in Zivil gekleideten, steifen und ernst dreinblickenden Mann gefragt, »da? verla?liche Berichte vielen Ihrer Manner Grausamkeiten und illegale Exekutionen vorwerfen?«

»Es wurde mich mehr beunruhigen«, erwiderte Ortiz mit beinahe verachtlichem Ton, »wenn meine Manner die Opfer von Exekutionen wurden, was sicherlich der Fall ware, wenn sie sich nicht verteidigen wurden gegen diese Terroristen, die Ihnen und anderen so sehr am Herzen zu liegen scheinen. Und was diese unwahren Berichte betrifft, wenn unsere Regierung versuchen wurde, sie zu unterdrucken, wurden Leute wie Sie doch keine Ruhe geben und sie standig in der Offentlichkeit wiederholen. Deshalb ziehen wir eine einmalige Veroffentlichung dieser Lappalien, die vierundzwanzig Stunden spater wieder vergessen sind, normalerweise vor.«

Partridge hatte um das Interview gebeten, da er glaubte, auch diesen Aspekt berucksichtigen zu mussen, obwohl er kaum Hoffnung hatte, da? dabei viel herauskommen wurde. Das Innenministerium hatte dieses Treffen zwar ohne Zogern arrangiert, doch die Bitte, ein Kamerateam mitbringen zu durfen, wurde abgelehnt. Und als er bei der Leibesvisitation im Vorzimmer des Generals um Erlaubnis bat, den mitgebrachten Minicassettenrecorder benutzen zu durfen, nahm man ihm das Gerat ab. Niemand sagte ihm jedoch, da? er das Gesprach vertraulich behandeln musse, und der General hatte keine Einwande, als sein Besucher sich Notizen machte.

General Ortiz' unscheinbares, holzgetafeltes Buro war eins aus einer ganzen Flucht ahnlicher Buros in einem alten Betonklotz im Zentrum von Lima. Hohe Mauern umgaben das Gebaude, dessen eine Halfte fruher ein Gefangnis gewesen war. Am Eingang hatte er Kontrollen durch eine ganze Reihe argwohnischer Wachen uber sich ergehen lassen mussen, und der Weg uber den Hof fuhrte ihn an gepanzerten Mannschaftswagen und Wasserwerfern vorbei. Wahrend des Gesprachs mit dem General war Partridge sich bewu?t, da? es im Keller des Gebaudes Zellenblocks gab, in denen Gefangene oft zwei Wochen lang ohne jeden Kontakt zur Au?enwelt festgehalten wurden und in denen gefoltert und mit brutalen Methoden verhort wurde.

Zu Beginn des Gesprachs mit Ortiz stellte Partridge die Frage, die ihn am meisten beschaftigte: Ob die Antiterror-Polizei wisse, wo die drei Geiseln gefangengehalten wurden.

»Und ich hatte gedacht, Sie wurden mir das sagen, nach all den Kontakten, die Sie seit Ihrer Ankunft schon geknupft haben«, erwiderte der General. Es war das Eingestandnis, da? Partridge beobachtet wurde, und gleichzeitig eine unuberhorbare Warnung. Partridge nahm deshalb auch an, da? seine Satellitenubertragungen nach New York wie die anderer amerikanischer Sender trotz aller Pressefreiheit von der peruanischen Regierung uberwacht und aufgezeichnet wurden.

Als Partridge entgegnete, da? er trotz seiner Bemuhungen noch nichts uber den Aufenthaltsort der amerikanischen Geiseln wisse, bemerkte Ortiz: »Dann wissen Sie jetzt, wie raffiniert und verschlagen der Sendero Luminoso, unser Staatsfeind Nummer eins, sein kann. Und auch, da? dieses Land hier sehr verschieden ist von dem Ihren, da? es hier weite Landstriche gibt, in denen man ganze Armeen verstecken kann. Doch zu Ihrer Frage: Ja, wir haben eine Vorstellung, wo Ihre Freunde sein konnten, und unsere Streitkrafte suchen diese Gegenden ab.«

»Werden Sie mir sagen, welche Gegenden?« fragte Partridge.

»Ich glaube nicht, da? das besonders klug ware. Und es ist sowieso unmoglich, da? Sie selber dort hinfahren. Oder haben Sie etwas in dieser Richtung vor?«

Partridge verneinte, obgleich das nicht der Wahrheit entsprach.

Der Rest des Interviews verlief ahnlich, keiner traute dem anderen, man spielte Katz und Maus und versuchte, sich gegenseitig Informationen zu entlocken, ohne selbst etwas preiszugeben. Erfolg hatte am Ende keiner, doch Partridge benutzte in einer Zusammenfassung fur die National Evening News zwei Zitate von General Ortiz - das eine uber die »weiten Landstriche, in denen man ganze Armeen verstecken kann« und die zynische Bemerkung, da? angebliche Menschenrechtsverletzungen »Lappalien, die vierundzwanzig Stunden spater wieder vergessen sind«, seien.

Da es keine Aufnahmen gab, brachte New York beide Aussagen in Textzeilen unter einem Foto des Generals.

Doch Partridge betrachtete dieses Interview nicht als ergiebig.

Befriedigender verlief etwas spater das Interview mit Cesar Acevedo, auch der ein alter Freund von Partridge und ein einflu?reicher Laie in der katholischen Kirche. Sie trafen sich in einem privaten Buro im hinteren Teil des Erzbischoflichen Palais' an der Plaza de Armas, dem offiziellen Stadtzentrum.

Acevedo, ein kleiner, eindringlich und sehr schnell sprechender Mann Mitte Funfzig, besa? einen tiefen Glauben und ein profundes religioses Wissen. Er war hauptberuflich in der Kirchenverwaltung tatig und hatte betrachtlichen Einflu?, doch den letzten Schritt, namlich die Priesterweihe, hatte er nie gewagt. Wenn er es getan hatte, so seine Freunde, ware er inzwischen zumindest Bischof mit guten Aussichten auf den Kardinalshut.

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