dem Eingang und sahen zu, wie Partridge, Fernandez und Tomas ausstiegen, wahrend Rita, Minh Van Canh und Ken O'Hara, der Tontechniker, mit dem Fahrer im Auto sitzenblieben.

Partridge sah die feindseligen, prufenden Blicke der Manner und war froh, da? er das Gebaude nicht allein betreten mu?te.

Im Inneren uberfiel sie der Gestank von Urin und allgemeinem Verfall. Der Boden war voller Unrat. Naturlich funktionierte auch der Aufzug nicht, und die Manner mu?ten zu Fu? uber die schmuddelige Treppe in den zehnten Stock steigen.

Apartment F lag am Ende eines dusteren Korridors. Partridge klopfte an der einfachen Holztur. Drinnen horte er Bewegungen, doch es kam niemand, um die Tur zu offnen. Er klopfte noch einmal. Nun wurde die Tur einen Spalt geoffnet, gerade so weit, wie es die Sicherungskette erlaubte. Gleichzeitig kam von einer schrillen Frauenstimme eine Schimpftirade in Spanisch - so schnell, da? Partridge nicht folgen konnte. Er verstand nur einige Worte: »Animales!... Asesinos!... Diablos!«

Partridge spurte eine Hand auf seinem Arm, Fernandez' kraftige Gestalt schob sich zur Tur. Er hielt den Mund an den Spalt und sprach ahnlich schnell, aber mit sachlicher, beruhigender Stimme. Nach einer Weile verstummte die Stimme in der Wohnung, die Kette wurde gelost und die Tur geoffnet.

Die Frau, die vor ihnen stand, war um die Sechzig. Fruher war sie vielleicht einmal schon gewesen, aber die Zeit und das schwere Leben hatten sie aufgedunsen und grobschlachtig gemacht. Ihre Haut war fleckig, die Haare grau, strahnig und ungekammt. Die Augen unter den gezupften, nachgezogenen Brauen waren rot und geschwollen vom Weinen, das dicke Make-up war zerlaufen. Fernandez ging an ihr vorbei in die Wohnung, die anderen folgten. Nach einem Augenblick des Zogerns schlo? sie die Tur.

Partridge sah sich schnell um. Das Zimmer, das sie betreten hatten, war klein und einfach mobliert mit einigen Holzstuhlen, einem Sofa mit fadenscheiniger Polsterung, einem simplen, uberhauften Holztisch und einem aus Ziegelsteinen und Brettern notdurftig zusammengebauten Bucherregal, das erstaunlich voll war und vorwiegend dicke, schwere Bande enthielt.

Fernandez wandte sich an Partridge. »Anscheinend wurde vor wenigen Stunden der Mann, mit dem sie zusammenlebte, getotet - ermordet. Sie war ausgegangen, und als sie zuruckkam, fand sie ihn tot; die Polizei hat eben die Leiche fortgeschafft. Sie hat geglaubt, wir sind die Leute, die ihn ermordet haben und kommen jetzt zuruck, um auch sie zu erledigen. Ich habe ihr versichert, da? sie von uns nichts zu befurchten hat.« Dann sagte er etwas zu der Frau, und sie sah Partridge an.

»Es tut uns wirklich leid, vom Tod Ihres Freundes zu horen«, versicherte ihr Partridge. »Wissen Sie, wer ihn getotet hat?«

Die Frau schuttelte den Kopf und murmelte etwas. »Sie spricht nur sehr wenig Englisch«, sagte Fernandez und ubersetzte fur sie. »Lo sentimos mucho la muerte de su amigo. Sabe Ud quien lo mato?«

Die Frau nickte heftig und lie? einen Wortschwall los, der mit »Der Sendero Luminoso« endete.

Es bestatigte, was Partridge befurchtet hatte. Die Person, die sie anzutreffen gehofft hatten - wer immer es war - hatte Verbindungen zum Sendero Luminoso. Aber was nutzte ihnen ein Toter. So blieb nur die Frage, ob die Frau etwas von den Entfuhrungsopfern wu?te? Es schien eher unwahrscheinlich.

Nun sprach sie wieder in Spanisch, aber langsamer, so da? Partridge verstand. »Ja«, sagte er zu Fernandez, »wir wurden uns gern setzen, und sagen Sie ihr, da? ich dankbar ware, wenn sie uns ein paar Fragen beantworten wurde.«

Fernandez wiederholte den Wunsch, die Frau antwortete, und er ubersetzte: »Sie sagt ja, soweit sie kann. Ich habe ihr gesagt, wer Sie sind, und sie hei?t ubrigens Dolores. Sie la?t fragen, ob Sie etwas trinken wollen.«

»No, gracias«, sagte Partridge, worauf Dolores nickte und zum Regal ging, offenbar um sich selbst einen Drink einzugie?en. Doch als sie die Gin-Flasche hob, merkte sie, da? sie leer war. Sie schien gleich wieder in Tranen auszubrechen, murmelte aber nur vor sich hin und setzte sich.

Fernandez berichtete: »Sie sagt, sie wei? nicht, wie lange sie noch lebt. Sie hat kein Geld.«

Partridge wandte sich direkt an Dolores: »Le dare dinero si Ud tiene la informacion que estoy buscando.«

Die Erwahnung des Geldes hatte einen weiteren schnellen Wortwechsel zwischen Dolores und Fernandez zur Folge. Danach sagte er: »Sie sagt, Sie sollen Ihre Fragen stellen.«

Partridge beschlo?, sich lieber nicht auf sein eigenes beschranktes Spanisch zu verlassen, und lie? Fernandez weiter

ubersetzen.

»Ihr Freund, der getotet wurde, was hat er gearbeitet?«

»Er war Arzt. Ein besonderer Arzt.«

»Ein Spezialist?«

»Er hat Leute einschlafen lassen.«

»Ein Anasthesist?«

Dolores schuttelte den Kopf, sie verstand das Wort nicht. Dann ging sie zu einem Schrank, wuhlte darin herum und brachte einen kleinen, abgenutzten Koffer zum Vorschein. Sie offnete ihn, zog eine Mappe mit verschiedenen Papieren heraus und blatterte sie durch. Sie nahm zwei der Dokumente und gab sie Partridge. Er sah, da? es Arztdiplome waren.

Das erste erklarte, da? Hartley Harold Gossage, ein Absolvent der Boston University Medical School, befugt war, als Arzt zu praktizieren. Das zweite ernannte diesen Hartley Harold Gossage zum »Facharzt fur Anasthesie«.

Mit einer Handbewegung fragte Partridge, ob er auch die anderen Unterlagen sehen durfe. Dolores nickte.

Einige Papiere schienen medizinische Routineangelegenheiten zu betreffen und waren ohne Bedeutung. Das dritte, das Partridge in die Hande fiel, war ein Brief auf dem Papier der Arztekammer von Massachusetts. Er war adressiert an »H. H. Gossage« und begann wie folgt: »Hiermit wird Ihnen auf Lebenszeit die arztliche Approbation entzogen...«

Partridge legte den Brief weg. Allmahlich wurde das Bild klarer. Bei dem Mann, der hier gewohnt hatte und angeblich ermordet worden war, handelte es sich vermutlich um Gossage, einen auf Lebenszeit aus der Arzteschaft ausgeschlossenen amerikanischen Anasthesisten, der Verbindung zum Sendero Luminoso hatte, eine Verbindung, die nahelegte, so folgerte Partridge, da? die Entfuhrungsopfer, bevor sie aus Amerika verschleppt wurden, betaubt worden waren. Die Entdeckungen in dem Haus in Hackensack, von denen Kettering berichtet hatte, bestatigten das nur. Es war deshalb wahrscheinlich, da? dieser Ex-Arzt Gossage ihnen die Narkose gegeben hatte. Partridge verzog das Gesicht. Es ware ihm lieber gewesen, wenn er den Mann lebend vor sich gehabt hatte.

Die anderen beobachteten ihn. Mit Fernandez' Hilfe nahm er die Befragung von Dolores wieder auf.

»Sie sagten uns, der Sendero Luminoso habe Ihren Freund ermordet. Warum glauben Sie das?«

»Weil er fur diese bastardos gearbeitet hat.« Sie hielt inne, und plotzlich fiel ihr etwas ein. »Der Sendero hatte auch einen Namen fur ihn - Baudelio.«

»Woher wissen Sie das?«

»Hat er mir erzahlt.«

»Hat er Ihnen auch erzahlt, was er fur den Sendero gemacht hat?«

»Hin und wieder schon.« Das schwache Lacheln verschwand sofort wieder. »Wenn wir uns gemeinsam betrunken haben.«

»Haben Sie von der Entfuhrung gewu?t? Es stand alles in der Zeitung.«

Dolores schuttelte den Kopf. »Ich lese keine Zeitung. Die drucken nur Lugen.«

»War Baudelio in letzter Zeit nicht in Lima?«

Heftiges Nicken. »Er war lange weg. Er hat mir gefehlt.« Und nach einer Pause: »Er hat mich aus Amerika angerufen.«

»Ja, das wissen wir.« Alles pa?t zusammen, dachte Partridge. Baudelio mu?te an der Entfuhrung beteiligt gewesen sein. Er lie? Fernandez fragen: »Wann ist er zuruckgekehrt?«

Dolores uberlegte, bevor sie antwortete. »Vor einer Woche. Er war froh, da? er wieder hier war. Und er

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