Sloane und Insen zu ihm gesellten, sagte er: »Chuck, erzahl es Crawf.«
»Die Sache ist die«, begann Insen, »wir trauen den staatlichen Stellen nicht zu, da? sie die Situation in den Griff bekommen. Wir wollen dich nicht deprimieren, Crawf, aber wir alle wissen doch noch, wie lange das FBI brauchte, um Patricia Hearst zu finden - uber eineinhalb Jahre. Aber da ist noch etwas anderes.«
Insen wuhlte in den Papieren auf seinem Schreibtisch und zog ein Buch hervor, dessen Verfasser vor ihm sa?. Insen schlug eine mit einem Einleger markierte Seite auf.
»Crawf, du schreibst in
Es folgte ein Schweigen. In dieser Form an seine eigenen Worte erinnert zu werden, uberraschte und erschreckte Sloane. Er begann sich insgeheim zu fragen, ob hinter der Entfuhrung von Jessica, Nicky und seinem Vater moglicherweise ein terroristisches Motiv steckte. Oder war der Gedanke zu absurd, um ihn uberhaupt in Erwagung zu ziehen? Offensichtlich nicht, denn noch zwei andere erfahrene Journalisten dachten in dieser Richtung.
Schlie?lich sagte er: »Glaubt ihr wirklich, da? Terroristen...« »Es ist immerhin moglich, oder?« erwiderte Insen.
»Ja.« Sloane nickte bedachtig. »Ich habe mir das auch schon uberlegt.«
»Vergi? aber nicht«, warf Chippingham ein, »da? wir im Augenblick auch nicht die leiseste Ahnung haben, wer die Leute sind, die deine Familie entfuhrt haben, oder was sie wollen. Es konnte auch nur eine gewohnliche Entfuhrung mit anschlie?ender Losegeldforderung sein, und bei Gott, das ware schlimm genug. Aber wegen dir und deiner besonderen Stellung denken wir eben auch uber andere, entferntere Moglichkeiten nach.«
Insen nahm den Faden von zuvor wieder auf. »Wir haben bereits vom FBI gesprochen. Und wie gesagt, wir wollen dir nicht alle Hoffnung nehmen, aber wenn Jessica und die anderen au?er Landes gebracht werden, was ja immerhin moglich ist, dann hat die Regierung, furchte ich, keine andere Wahl, als auf die CIA zuruckzugreifen. Na, und in all den Jahren, die amerikanische Burger nun schon in Gefangenschaft im Libanon verbringen, hat es die CIA, trotz ihrer Macht und ihrer Moglichkeiten, trotz Spionagesatelliten, Aufklarung und Infiltration, nie geschafft heraus zufinden, wo ein zusammengewurfeltes Pack verwilderter Terroristen sie versteckt halt. Und das in einem Land, das kaum gro?er ist als Delaware. Da kann man wohl kaum annehmen, da? ebendiese CIA in einem anderen Land mehr Erfolg haben wird.«
Der Prasident der Nachrichtenabteilung war es, der nun eine Losung aufzeigte.
»Das haben wir gemeint«, begann Chippingham, »als wir sagten, wir hatten kein Vertrauen in die staatlichen Stellen. Aber wir sind der Ansicht, da? wir selbst - eine gro?e Nachrichtenorganisation mit viel Erfahrung in journalistischer Ermittlungsarbeit - durchaus Chancen haben, deine Familie aufzuspuren.«
Zum ersten Mal an diesem Tag fa?te Sloane wieder Mut.
Chippingham fuhr fort. »Wir haben also beschlossen, eine CBA-interne Spezialeinheit aufzustellen, die unabhangige Ermittlungen anstellen soll. Sie wird zunachst nur in den Staaten operieren, dann aber, wenn es notig wird, auch weltweit. Wir werden alle unsere Moglichkeiten ausschopfen und Ermittlungstechniken benutzen, die sich in der Vergangenheit bereits bewahrt haben. Was die Leute angeht, da nehmen wir die besten, die wir haben. Und zwar von diesem Augenblick an.«
Sloane spurte Dankbarkeit und Erleichterung in sich aufsteigen. Er begann: »Les... Chuck...«
Chippingham brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Sag nichts. Es ist uberhaupt nicht notig. Naturlich tun wir das zum Teil auch wegen dir, aber es ist eben auch unser Job.«
Insen beugte sich vor. »Da ist nur noch eins, was wir von dir wissen wollen, Crawf. Fur diese Sondereinheit brauchen wir einen erfahrenen Korrespondenten oder Produzenten als Leiter, jemand, der die Sache in die Hand nehmen kann, der ein guter Ermittler ist und dem du vertraust. Mochtest du jemand vorschlagen?«
Crawford Sloane zogerte nur einen kurzen Augenblick, in dem er seine personlichen Gefuhle gegen das, was auf dem Spiel stand, abwagte. Dann sagte er entschlossen: »Ich will Harry Partridge.«
2
Die Medellin-Bande hatte sich, wie Fuchse in ihren Bau, in ihren Unterschlupf sudlich von Hackensack zuruckgezogen.
Das Anwesen bestand aus einer Reihe alter, halbverfallener Gebaude, einem Haupthaus und drei Nebengebauden. Es hatte mehrere Jahre leergestanden, bevor Miguel, nach grundlicher Prufung anderer Angebote auf dem Immobilienmarkt, es fur ein Jahr angemietet und den ganzen Betrag im voraus bezahlt hatte. Ein Jahr war die kurzeste Mietzeit, die der Makler ihm angeboten hatte. Da Miguel nicht offenbaren konnte, da? das Anwesen nur fur etwas mehr als einen Monat genutzt wurde, hatte er die Bedingungen widerspruchslos akzeptiert.
Die Art des Anwesens und seine Lage in einer dunnbesiedelten, heruntergekommenen Gegend war in mehrfacher Hinsicht ideal. Das Haupthaus war gro? genug, um allen sieben Mitgliedern der Bande Platz zu bieten, und sein baufalliger Zustand war ohne Bedeutung. In den Nebengebauden konnten sechs Fahrzeuge versteckt werden. Die nahere Umgebung war unbewohnt, das Anwesen selbst lag hinter Baumen und dichtem Buschwerk versteckt. Eine weiterer Vorteil lag darin, da?, nur eine knappe Meile entfernt, der Flughafen von Teterboro lag. Denn Teterboro Airport, der vorwiegend von Privatmaschinen benutzt wurde, spielte in den Planen der Entfuhrer eine wichtige Rolle.
Von Anfang an hatte Miguel vorausgesehen, da? es unmittelbar nach der Entfuhrung zu einer Ermittlungsjagd mit polizeilichen Stra?ensperren und intensiven Nachforschungen kommen wurde. Er hielt es deshalb fur ungefahrlicher, nicht gleich nach der Tat gro?ere Entfernungen zuruckzulegen. Doch dazu brauchte er einen einstweiligen Unterschlupf in sicherer Entfernung von Larchmont.
Das Anwesen in Hackensack war ungefahr funfundzwanzig Meilen vom Ort der Entfuhrung entfernt. Da? sie so problemlos und ohne jede Verfolgung hierher hatten zuruckkehren konnen, zeigte, da? Miguels Plan aufging, zumindest bis zu diesem Zeitpunkt.
Die drei Gefangenen befanden sich inzwischen im Haupthaus. Man hatte die noch immer betaubten Opfer in ein gro?es Zimmer im ersten Stock gebracht. Im Gegensatz zu den anderen Raumen des heruntergekommenen, stockfleckigen Hauses war dieser grundlich gereinigt und wei? gestrichen worden. Zusatzliche Steckdosen und Neondeckenlampen waren ebenfalls installiert. Der Boden war mit neuem, hellgrunem Linoleum ausgelegt. Baudelio, der ehemalige Arzt, hatte die Renovierungen angeordnet und uberwacht, und Rafael, der Handwerker und Mechaniker der Truppe, sie ausgefuhrt.
In der Mitte des Zimmers standen zwei Krankenhausbetten mit Seitengittern. In dem einen lag Jessica, im anderen Nicholas. Beide waren an Armen und Beinen mit Gurten gefesselt - als Vorsichtsma?nahme, falls sie aufwachen sollten, doch dazu wollten es die Entfuhrer im Augenblick gar nicht kommen lassen.
Obwohl in der Anasthesie selten prazise Voraussagen gemacht werden konnten, war Baudelio ziemlich sicher, da? seine »Patienten«, denn so nannte er sie in Gedanken, noch mindestens eine halbe Stunde betaubt sein wurden.
Neben den beiden Betten stand eine schmale Metallpritsche, die man in aller Eile fur Angus aufgestellt hatte, dessen Anwesenheit ja nicht eingeplant gewesen war. Deshalb war er auch nicht mit Gurten, sondern mit Stricken gefesselt. Miguel, der den alten Mann vom anderen Ende des Zimmers aus betrachtete, war sich noch immer unschlussig, was er mit ihm tun sollte. Ihn toten und nach Einbruch der Dunkelheit im Hof verscharren? Oder ihn in den Plan mit einbauen? Er mu?te die Entscheidung bald treffen.
Baudelio lief zwischen den drei bewu?tlosen Gestalten hin und her, er baute Infusionsstander auf und hangte Flussigkeitsbehalter an die Haken. Auf einem mit einem grunen Tuch bedeckten Tisch hatte er seine Instrumente, Medikamente und Schalchen ausgebreitet. Obwohl er in diesem Fall wahrscheinlich nur Katheter und Infusionsnadel brauchte, hatte Baudelio es sich angewohnt, immer sein gesamtes Handwerkszeug bereitzulegen, um es bei Schwierigkeiten oder einem Notfall zur Hand zu haben. Socorro, die Frau mit den Verbindungen zum Medellin-Kartell wie zum Sendero Luminoso, assistierte ihm, denn sie war ausgebildete Schwesternhelferin.
Sie hatte rabenschwarze Haare, die sie am Hinterkopf zu einem Knoten zusammengebunden trug, einen schlanken, geschmeidigen Korper, olivfarbene Haut und ein Gesicht, das man durchaus schon hatte nennen konnen, hatte sie nicht einen permanent mi?mutigen Ausdruck zur Schau getragen. Socorro tat, was man von ihr verlangte, und erwartete keine Rucksichtnahme auf ihr Geschlecht, doch sie schwieg die meiste Zeit und zeigte nie, was in ihrem Kopf vorging. Sexuelle Annaherungsversuche von einigen der Manner hatte sie immer mit unverblumter Offenheit zuruckgewiesen.
