das machte nichts, solange er nur lebend in Peru ankam. Alle drei waren sehr bla?, aber sie atmeten regelma?ig. Befriedigt wandte Miguel sich ab.
Die Sarge, in die Angus, Jessica und Nicky erst kurz vor der Abfahrt gelegt wurden, lagen geoffnet auf Bocken. Miguel hatte zugesehen, wie Rafael unter Baudelios Anleitung eine Reihe winziger Luftlocher in die Seiten gebohrt hatte. Sie waren praktisch nicht zu sehen, sorgten aber fur frische Luft in den Sargen.
»Was ist das?« Miguel deutete auf eine Schale mit Kristallen neben den Sargen.
»Natronkalkgranulat«, antwortete Baudelio. »Das wird im Sarg verstreut, um das Kohlendioxid der ausgeatmeten Luft zu kompensieren. Von au?en regulierbare Sauerstofflaschen kommen ebenfalls hinein.«
Da Miguel nur zu gut wu?te, da? in den schwierigen Stunden, die vor ihnen lagen, Baudelios medizinische Fahigkeiten fur sie alle von hochster Bedeutung waren, fragte er weiter: »Was gibt es sonst noch zu wissen?«
Der Arzt wies auf Socorro. »Erzahl du es ihm. Du machst es ja mit mir zusammen.«
Mit unerforschlicher Miene, wie immer, hatte Socorro den beiden zugehort und zugesehen. Miguel hatte noch immer leichte Zweifel an ihrer Zuverlassigkeit, aber in diesem Augenblick war er abgelenkt von ihrem provozierenden Korper, den sinnlichen Bewegungen und der offenkundigen Sexualitat. Und als konnte sie seine Gedanken lesen, legte sie einen leicht spottischen Unterton in ihre Stimme.
»Falls einer von denen pissen mu?, kann es sein, da? sie sich trotz der Betaubung bewegen und Larm schlagen. Bevor wir die da zumachen« - Socorro wies auf die Sarge - »werden wir Katheter einfuhren. Das sind Rohren in den Schwanzen der Manner und in der Mose der Frau.
»Ich wei?, was Katheter sind«, erwiderte Miguel pikiert. Er hatte ihr beinahe schon gesagt, da? sein Vater Arzt war, hielt sich dann aber zuruck. Ein kurzer Augenblick der Schwache und der Einflu? einer Frau hatten ihn beinahe dazu verleitet, Einzelheiten seiner Herkunft preiszugeben, etwas, das er sonst nie tat.
Statt dessen fragte er Socorro: »Kannst du weinen, falls es notig sein sollte?«
Denn in ihrer Tarngeschichte war auch ihr die Rolle einer trauernden Hinterbliebenen zugedacht.
Mit professionellem Stolz, der noch ab und zu an die Oberflache kam, fugte Baudelio hinzu: »Ich werde ihr je ein Pfefferkorn unter die unteren Lider klemmen. Und mir auch. Dann flie?en die Tranen reichlich.« Er sah Miguel an. »Wenn du willst, kann ich das bei dir auch machen.«
»Wir werden sehen.«
Nun beendete Baudelio die Aufzahlung der medizinischen Vorsichtsma?nahmen. »In jeden Sarg kommt dann noch ein winziger EKG-Monitor, der Atmung und Betaubungstiefe registriert. Ich kann die Werte von au?en abrufen. Und auch die Propofol-Injektionen kann ich von au?en korrigieren.«
Im Verlauf des Gesprachs hatte Miguel, trotz seiner fruheren Zweifel, die Uberzeugung gewonnen, da? Baudelio genau wu?te, was er tat. Und auch Socorro.
Nun hie? es nur noch den Abend abwarten. Doch die Stunden, die noch vor ihnen lagen, dehnten sich schier endlos.
11
In der Zentrale von CBA News hatte die Konferenz der Spezialeinheit am Samstagmorgen noch kaum begonnen, als sie plotzlich und sehr abrupt unterbrochen wurde.
Harry Partridge, der am Kopfende des Konferenztisches sa?, hatte eben die Diskussion eroffnet, als eine Lautsprecherdurchsage aus dem Redaktionssaal dazwischenplatzte. Partridge hielt inne, und alle sieben am Tisch horten zu.
»Hier Disposition. Richardson. Eben kam diese Meldung von UPI...
Noch wahrend der Durchsage wurden im Konferenzraum Stuhle nach hinten geruckt, die Mitglieder der Spezialeinheit sprangen hastig auf. Als der Lautsprecher verstummte, war Partridge bereits auf dem Gang und rannte hinunter in den Redaktionssaal. Rita folgte ihm dicht auf den Fersen.
Am Samstagmorgen ging es in jeder Nachrichtenredaktion relativ formlos zu. Viele, die von Montag bis Freitag arbeiteten, waren zu Hause. Die wenigen, die Wochenenddienst hatten, standen zwar manchmal etwas unter Druck, doch wirkte sich die Abwesenheit von Vorgesetzten deutlich auf das Arbeitsklima aus. Die Kleidung war deshalb eher lassig, Jeans dominierten, die Manner trugen keine Krawatte.
Im Redaktionssaal war es fast gespenstisch ruhig. Nur etwa ein Drittel der Schreibtische war besetzt, und der diensthabende Disponent, Orv Richardson, fungierte gleichzeitig als Inlandsredakteur. Richardson, jung, aufgeweckt und sehr ehrgeizig, war erst kurzlich aus einer regionalen Redaktion in die Zentrale gekommen. Er war zwar nicht gerade unglucklich uber die Verantwortung, die er an diesem Tag trug, aber diese wichtige Meldung aus White Plains machte ihn doch etwas nervos.
Deshalb war er auch erleichtert, als er sah, da? einer der ranghohen Korrespondenten und ein Chefproduzent, namlich Harry Partridge und Rita Abrams, in den Redaktionssaal sturzten und auf ihn zuliefen.
Wahrend Partridge den Ausdruck der UPI-Meldung uberflog und dann einen ausfuhrlicheren Bericht las, der eben uber einen Computermonitor hereinkam, sagte Rita zu Richardson: »Wir sollten sofort auf Sendung gehen. Wer kann eine Programmunterbrechung veranlassen?«
»Ich habe eine Nummer.« Den Telefonhorer zwischen Ohr und Schulter und mit einem Notizbuch in der Hand wahlte der Disponent die Nummer eines Vizeprasidenten, der zu Hause erreichbar war. Nachdem der Mann abgehoben hatte, erklarte ihm Richardson die Situation und bat um die Erlaubnis, mit einer Sondermeldung auf Sendung zu gehen. Die Antwort kam sofort: »Die habt ihr. Legt los!«
Nun folgte eine fast prazise Wiederholung der Programmunterbrechung vom vergangenen Donnerstag kurz nach Bekanntwerden der Entfuhrung. Unterschiede bestanden nur im Inhalt der Meldung und bei den beteiligten Personen. Partridge sa? im Moderatorensessel im Sonderstudio, Rita war Produzentin, und im Kontrollraum sa? ein anderer Techniker, der nach der Ankundigung der Sondermeldung aus einem anderen Teil des Gebaudes dorthin geeilt war.
Wenige Minuten nach Durchgabe der UPI-Meldung war CBA bereits auf Sendung, Die Monitore im Kontrollraum zeigten, da? die anderen Sender ihr Programm fast gleichzeitig unterbrachen.
Harry Partridge war, wie immer, konzentriert und redegewandt, ein Profi durch und durch. Fur ein Manuskript oder eine Teleprompterprogrammierung war keine Zeit gewesen, und so sprach Partridge aus dem Stegreif.
Die Sondermeldung dauerte nicht langer als zwei Minuten. Es gab nur die nackten Tatsachen, wenige Einzelheiten und keine Liveaufnahmen vom Schauplatz, statt dessen einige hastig zusammengesuchte und uber Partridges Schulter projizierte Fotos der Familie Sloane, ihres Hauses in Larchmont und des Grand Union Supermarkts, wo die Entfuhrung stattgefunden hatte. Partridge versprach jedoch den Zuschauern einen ausfuhrlichen Bildbericht aus White Plains fur die bevorstehende Samstagsausgabe der National Evening News.
Sobald im Sonderstudio das rote Licht ausging, rief Partridge Rita im Regieraum an. »Ich fahre nach White Plains«, sagte er. »Kannst du alles vorbereiten?«
»Schon passiert. Iris, Minh und ich kommen ebenfalls mit. Iris produziert den Bericht fur heute abend. Du kannst deine Ansage vor Ort machen und den Bildkommentar dann spater aufnehmen. Auto und Fahrer warten bereits.«
White Plains hatte eine lange Geschichte. Im Jahr 1661 hatten dort die Siwanoy-Indianer ein Lager, das sie Quarropas nannten, was wei?e Ebene, White Plains eben, oder wei?er Balsam bedeutete, nach den Balsamtannen, die dort wuchsen. Im achtzehnten Jahrhundert war die Stadt ein Zentrum des Eisenerzforderung und ein Verkehrsknotenpunkt. Im Jahr 1776 wahrend der Amerikanischen Revolution, zwang eine verlorene Schlacht auf dem nahen Chatterton Hill Washingtons Armee zum Ruckzug, aber noch im selben Jahr billigte ein Provinzkongre? in White Plains die Unabhangigkeitserklarung und die Grundung von New York State. Es gab noch einige andere, gute wie schlechte Meilensteine der Geschichte, doch keiner ubertraf an Niedertrachtigkeit diese
