Antwort auf eine qualende Frage zu finden: Da er nun den Auftrag ubernommen hatte, Jessica, ihren Sohn und Crawfords Vater zu finden und zu befreien, bestand denn uberhaupt die geringste Hoffnung, da? er Erfolg haben konnte? Im Augenblick furchtete Partridge, die Frage eher mit Nein beantworten zu mussen. Es war fur ihn ein sehr ernuchterndes Erlebnis, mit ansehen zu mussen, war hier passiert war, und dabei zu erkennen, wozu seine Gegner fahig waren. Und es warf weitere Fragen auf: Gab es uberhaupt etwas, das man einem solch gnadenlosen Wuten entgegensetzen konnte? Gab es nun, da ein terroristischer Hintergrund praktisch bestatigt war, uberhaupt zivilisierte Mittel und Wege, um ein solchen Feind aufzuspuren und zu uberwaltigen? Und auch falls die Antwort Ja lautete und trotz des anfanglichen Optimismus in der CBA News-Zentrale, war es denn nicht nur leere Eitelkeit zu glauben, ein unbewaffnetes Reporterteam konne Erfolg haben, wo Polizei, Regierungen, Geheimdienste und Militar so oft versagten?
Fur ihn, Partridge selbst, war dies kein offener Kampf, nicht die Art von Kriegsfuhrung, die ihn, pervers oder nicht, erregte und seinen Kreislauf in Schwung brachte, sondern ein heimlicher, schmutziger Krieg, mit unbekanntem Feind, unschuldigen Opfern und einem ekelerregenden Umfeld...
Doch ungeachtet seiner personlichen Empfindungen, sollte er aus rein pragmatischen Uberlegungen eine Einstellung der aktiven Suche von CBA und die Ruckkehr zur ublichen Rolle des Beobachters empfehlen oder, wenn er das schon nicht konnte, doch wenigstens seine Verantwortung jemand anderem ubertragen?
Er wurde sich einer Bewegung hinter seinem Rucken bewu?t. Als er sich umdrehte, stand Rita hinter ihm. »Kann ich dir helfen?« fragte sie.
»Wir haben uns noch nie in einer ahnlichen Lage befunden«, erwiderte er, »in der so viel nicht nur davon abhangt, was wir berichten, sondern davon, was wir tun.«
»Ich wei?«, sagte sie. »Und du hast daran gedacht, aufzugeben und die Last einem anderen aufzuhalsen, oder?«
Ritas Scharfblick hatte ihn schon ofters uberrascht. Er nickte. »Ja, das habe ich wirklich.«
»Tu's nicht, Harry«, bat sie ihn. »Gib nicht auf. Weil, wenn du es tust, ist keiner mehr da, der auch nur halb so gut ist wie du.«
12
Gemeinsam fuhren Partridge, Rita und Teddy Cooper nach Manhattan zuruck, allerdings betrachtlich langsamer als bei der Hinfahrt. Partridge sa? vorn neben dem Fahrer, Teddy und Rita im Fond.
Cooper, der sich erst im letzten Augenblick entschieden hatte, die anderen nach White Plains zu begleiten, hatte sich dort beobachtend im Hintergrund gehalten und wirkte nun etwas abwesend, als wurde er sich auf ein Problem konzentrieren. Auch Partridge und Rita hatten zunachst wenig Lust zu reden. Fur beide war dieser Vormittag eine schreckliche, aber wichtige Erfahrung gewesen. Im Ausland hatten sie die Auswirkungen des Terrorismus schon haufig miterlebt, aber diese terroristische Invasion einer amerikanischen Kleinstadt war traumatisch, so als hatten Barbarei und Wahnsinn nun auch dieses Land erreicht und eine Gesellschaft vergiftet, in der zwar nicht unbedingt absolute Ruhe herrschte, die aber bis jetzt ein solides Fundament der Vernunft besessen hatte. Die Erosion dieses Fundaments, die heute begonnen hatte, wurde sich immer weiter ausdehnen und vermutlich irreversibel sein, das wu?ten sie beide.
Nach einer Weile drehte sich Partridge um, sah die anderen zwei an und sagte: »Die Briten waren uberzeugt, da? der Terrorismus nicht bis in ihr Land vordringen konnte, aber er tat es trotzdem. Und auch bei uns glaubten das eine ganze Menge.«
»Die haben sich von Anfang an geirrt«, erwiderte Rita. »Dazu mu?te es einfach kommen. Die Frage war nur
Wie schon der Polizeichef von White Plains gingen auch Rita und Partridge inzwischen davon aus, da? es sich bei den Entfuhrern der Sloanes mit ziemlicher Sicherheit um auslandische Terroristen handelte.
»Aber wer zum Teufel sind sie?« Partridge schlug sich mit der Faust auf die geoffnete Linke. »Darauf mussen wir uns konzentrieren.
Rita merkte nun deutlich, da? Harry den Gedanken an eine Aufgabe bereits wieder hinter sich gelassen hatte. Sie erwiderte ihm: »Naturlich denkt man zunachst an den Mittleren Osten -Iran, Libanon, Libyen... die ganze religiose Front: Hisbollah, Schiiten, Islamischer Jihad, FARL, PLO und was es sonst noch alles gibt.«
»Daran habe ich zuerst auch gedacht«, gab Partridge zu. »Aber dann frage ich mich:
»Vielleicht, um Eindruck zu machen. Um den >gro?en Satan< davon zu uberzeugen, da? er nirgends sicher ist.«
Partridge nickte bedachtig. »Vielleicht hast du recht.« Dann sah er Cooper an. »Teddy, sollten wir auch die IRA in Betracht ziehen?«
Der Ermittler wachte aus seiner Gedankenversunkenheit auf. »Ich glaube nicht. Die IRA ist eine Drecksbande, die zu allem fahig ist, aber nicht in Amerika, weil's hier immer noch ein paar irisch-amerikanische Idioten gibt, die ihnen Geld zuschie?en. Mit einem Anschlag in Amerika wurden sie sich diesen Geldhahn selber zudrehen.«
»Hast du eine andere Idee?«
»Was den Mittleren Osten betrifft, bin ich mit dir einer Meinung, Harry. Vielleicht solltest du dich eher im Suden umsehen.«
»Lateinamerika«, sagte Rita. »Klingt einleuchtend. Wahrscheinlich Nicaragua, vielleicht Honduras, Mexiko oder Kolumbien.«
Sie spekulierten weiter, waren aber noch zu keinem Schlu? gekommen, als Partridge plotzlich zu Teddy sagte: »Ich wei? doch, da? du in deinem wirren Schadel noch irgend etwas ausbrutest. Durfen wir schon daran teilhaben?«
»Glaub' schon.« Er uberlegte kurz, dann sagte er: »Sie haben das Land verlassen.«
»Die Entfuhrer?«
Der Rechercheur nickte. »Und sie haben Mr. Sloanes Familie mitgenommen. Was da heute morgen passiert ist« - er deutete mit dem Kopf in Richtung White Plains - »ist wie ein Erkennungszeichen. Damit wir wissen, welche Art von Leuten sie sind, mit welch harten Bandagen sie kampfen. Als Vorgeschmack fur diejenigen, die mit ihnen spater verhandeln mussen.«
»Ich will nur ganz sichergehen, da? ich dich auch richtig verstanden habe«, sagte Partridge. »Du glaubst also, die haben sich ausgerechnet, wie lange es dauert, bis der Kleinbus entdeckt wird und in die Luft fliegt, und es dann so eingerichtet, da? das erst passiert, nachdem sie verschwunden sind?«
»So in der Richtung.«
»Aber das ist doch nur Spekulation«, gab Partridge zu bedenken. »Du konntest dich auch tauschen.«
Cooper schuttelte den Kopf. »Das ist mehr als nur Spekulation - sagen wir mal, es ist eine intelligente Einschatzung, die wahrscheinlich richtig ist.«
»Nehmen wir mal an, du hast recht«, sagte Rita. »Wohin bringt uns das?«
»Das bringt uns in die Zwangslage«, erwiderte Cooper, »entscheiden zu mussen, ob wir viel Geld in eine intensive Suche nach ihrem Versteck investieren wollen, obwohl es bereits leer ist, wenn wir es finden.«
»Warum sollten wir uns damit abgeben, wenn die Vogel, wie du annimmst, bereits ausgeflogen sind?«
»Weil, wie Harry gestern gesagt hat, jeder Spuren hinterla?t. Also haben auch sie welche hinterlassen, ganz gleich wie vorsichtig sie waren.«
Das Auto naherte sich Manhattan. Sie fuhren auf dem Major Deegan Expressway auf die Third Avenue Bridge zu, und der Fahrer mu?te wegen des starker werdenden Verkehrs abbremsen. Partridge sah zum Fenster hinaus, orientierte sich kurz und wandte sich dann wieder den beiden anderen zu.
»Gestern abend«, sagte er zu Cooper, »hast du gesagt, du wurdest dir einen Weg uberlegen, wie man den Unterschlupf der Bande ausfindig machen konnte. Gehort dieses >viele Geld fur eine intensive Suche< auch zu diesem Weg?«
»Ja. Aber das Ganze ware eine hochst unsichere Sache.«
»Dann erzahl mal«, sagte Rita.
Cooper blatterte in seinem Notizbuch und begann dann: »Ich habe mir zuerst uberlegt, welche Art von Anwesen diese Bande braucht, um all das zu tun, woruber wir gestern abend gesprochen haben: mindestens funf Autos abstellen beziehungsweise verstecken, eine Lackierwerkstatt einrichten, die gro? genug ist, um alle Autos immer wieder umspritzen zu konnen, und genug Platz haben, um vier oder wahrscheinlich noch mehr Leute
