Katastrophe, die das Medellin-Kartell und der Sendero Luminoso im Parkhaus des Center City Einkaufszentrums angerichtet hatten.

Wie sich spater zeigte, lag in der Abfolge der Ereignisse eine gewisse Zwangslaufigkeit.

In der vergangenen Nacht hatte ein Wachposten sich Autonummern und Fabrikate aller Fahrzeuge aufgeschrieben, die uber Nacht im Parkhaus abgestellt waren. Es war eine Routineangelegenheit und als Vorsichtsma?nahme gegen Fahrer gedacht, die behaupteten, ihren Parkschein verloren und ihr Auto nur einen Tag abgestellt zu haben.

Der Nissan war schon in der Nacht zuvor bemerkt worden, doch auch das war nichts Ungewohnliches. Aus verschiedensten Grunden wurden Autos manchmal eine Woche und langer abgestellt. Aber in der zweiten Nacht fragte sich ein anderer, wachsamerer Posten, ob der Nissan nicht vielleicht der Wagen sei, der in Verbindung mit der Sloane-Entfuhrung gesucht wurde.

Er erwahnte es deshalb in seinem Bericht, und sein Vorgesetzter, der ihn am nachsten Morgen las, rief sofort die Polizei von White Plains und forderte eine Streife an, die sich die Sache ansehen sollte. Nach Angaben der Polizei erreichte sie der Anruf um 9 Uhr 50.

Doch der Sicherheitschef des Supermarkts wartete die Ankunft der Polizei nicht ab. Mit einem gro?en Bund von Autoschlusseln, die sich im Lauf der Jahre bei ihm angesammelt hatten, ging er zu dem Nissan. Er war stolz darauf, da? es kaum ein Auto gab, das er mit diesen Schlusseln nicht offnen konnte.

All das geschah genau zu der Zeit, als sich das Parkhaus langsam mit den Wagen der Leute fullte, die ihre Wochenendeinkaufe erledigen wollten.

Ziemlich schnell fand der Sicherheitschef einen Schlussel, der in den Nissan pa?te. Er steckte ihn ins Schlo? und offnete die Fahrertur. Es war das letzte, was er in seinem Leben tat.

Mit einem Krachen »wie funfzig Donner«, so ein Zeuge spater, explodierte der Nissan in einem riesigen, alles verschlingenden Feuerball. Ein gro?er Teil des Gebaudes wurde zerstort, ebenso die meisten, glucklicherweise leeren Autos in der Nahe, die vollig ausbrannten. Die Explosion ri? gro?e Locher in Boden und Decke der Etage, auf der der Nissan gestanden hatte, brennende Autos sturzten durch diese Locher in die darunterliegenden Stockwerke.

Doch die Schaden waren nicht auf das Parkhaus beschrankt. Das Einkaufszentrum selbst wurde in Mitleidenschaft gezogen, Glasturen und Fenster in der Nachbarschaft zersprangen. Der in die Luft geschleuderte Schutt und Staub ging in den Stra?en der Nachbarschaft uber Autos und Fu?ganger nieder.

Der Schock war vollkommen. Als das Echo der Detonation verebbte, herrschte, von dem Knistern des Feuers und dem Gerausch fallender Gegenstande abgesehen, einen Augenblick Stille. Dann begannen die Schreie, hysterische Hilferufe und unverstandliche Befehle, und kurz darauf kam aus allen Richtungen das Heulen der Sirenen.

Am Ende schien es fast verwunderlich, da? der Verlust an Menschenleben nicht gro?er war. Au?er dem Sicherheitschef, der von der Explosion getotet wurde, starben zwei weitere Opfer kurz darauf an ihren Verletzungen, vier waren schwer verletzt und schwebten zwischen Leben und Tod. Zweiundzwanzig, darunter sechs Kinder, wurden mit leichteren Verletzungen in Krankenhauser gebracht.

Der Hinweis auf Beirut in der UPI-Meldung schien also durchaus angebracht.

Danach entstand eine Diskussion, die sich vor allem auf eine Frage konzentrierte: Ware es zu der Explosion gekommen, wenn; der Sicherheitschef das Eintreffen der Polizei abgewartet hatte? Die Polizei sagte nein, da sie sofort das FBI informiert hatte, dessen forensische Experten den Kleinbus untersucht und den Sprengstoff entdeckt und entscharft hatten. Andere waren skeptisch, sie glaubten, die Polizei hatte den Kleinbus auf jeden Fall geoffnet, entweder mit eigenen Mitteln oder mit den Schlusseln des Sicherheitschefs. Doch nach einer Weile erkannte man die Sinnlosigkeit der Diskussion, und sie versandete.

Eins war allerdings offensichtlich. Der zerstorte Kleinbus war wirklich das Fahrzeug, das zwei Tage zuvor bei der Entfuhrung der Sloanes benutzt worden war. Die Nahe zu Larchmont, das nachweisbare Auftauchen des Kleinbusses am Donnerstag in dem Parkhaus und die Tatsache, da? er mit einer Sprengladung versehen war, all das legte diesen Schlu? nahe. Und ebenso die Zulassungsnummer, deren Uberprufung ergab, da? sie von einem 83er Oldsmobile Sedan stammte. Dabei stellte sich schnell heraus, da? Name und Adresse des Besitzers und die Versicherungsdaten falsch waren; die Zulassungsgebuhr und der Versicherungsbeitrag waren bar bezahlt worden, Aussagen uber die wahre Identitat des Einzahlers waren also unmoglich.

Das bedeutete, da? das Oldsmobile verschwunden und wahrscheinlich verschrottet worden war, wahrend man sein Zulassung fur ungesetzliche Zwecke aufrechterhalten hatte. Die Nummernschilder an dem Nissan waren also illegal, doch bei der Polizei nicht als solche registriert.

Zunachst gab es noch gewisse Zweifel, weil Zeugen in Larchmont an dem Nissan Schilder aus New Jersey gesehen hatten, wahrend der im Parkhaus von White Plains New Yorker Nummern aufwies. Doch die Ermittlungsbeamten hielten dem entgegen, es sei durchaus normal, da? Verbrecher nach der Tat die Nummernschilder auswechselten.

Der Polizeichef von White Plains kam am Ort der Explosion noch zu einem weiteren Schlu?. Mit verbissenem Gesicht erklarte er vor Journalisten: »Das ist ganz offensichtlich das Werk von hartgesottenen Terroristen.«

Auf die Frage, ob er daraus auch schlie?en wurde, da? es sich bei den Entfuhrern der Sloanes um auslandische Terroristen handle, antwortete er: »Das ist zwar nicht in meinem Revier passiert, aber ich wurde davon ausgehen.«

»Fur die Abendausgabe sollten wir uns auf diese Theorie von den auslandischen Terroristen konzentrieren«, sagte Harry Partridge zu Rita und Iris Everly, als er von der Bemerkung des Polizeichefs erfuhr.

Die CBA-Gruppe war wenige Minuten zuvor in zwei Fahrzeugen eingetroffen, das Kamerateam in einem Jeep Wagoneer, Partridge, Rita, Iris und Teddy Cooper in einer Chevrolet Limousine, die von einem Boten des Senders gesteuert wurde. In weniger als drei?ig Minuten hatten die beiden Autos die funfundzwanzig Meilen von Mid-Manhattan bis hierher geschafft. Neben verschiedenen Reporterteams drangte sich nun auch eine immer gro?er werdende Menge von Schaulustigen hinter den von der Polizei errichteten Absperrungen. Minh Van Canh und Ken O'Hara, der Tontechniker, nahmen bereits Bild- und Tonmaterial von der Gebauderuine, den Verletzten, deren Abtransport noch andauerte, und von den zerstorten, teilweise noch brennenden Autos auf. Zuvor hatten sie schon bei einer improvisierten Pressekonferenz die Stellungnahme des Polizeichefs aufgenommen.

Nachdem Partridge sich einen ersten Uberblick uber die Szene verschafft hatte, rief er Minh und O'Hara zu sich und begann, die an der Rettungsaktion Beteiligten zu interviewen. Normalerweise hatte dies das Kamerateam alleine oder zusammen mit einem Produzenten erledigen konnen. Doch die Arbeit gab Partridge das Gefuhl, selbst an den Vorgangen beteiligt zu sein und zum ersten Mal direkte Tuchfuhlung mit der Story zu bekommen.

Diese Tuchfuhlung war psychologisch fur einen Korrespondenten sehr wichtig, wie gut er uber den Hintergrund der Story auch informiert sein mochte. Partridge arbeitete nun bereits mehr als zweiundvierzig Stunden an der Entfuhrungsgeschichte, hatte aber bis jetzt noch keinen direkten Kontakt mit den konkreten Einzelheiten dieses Falls gehabt. Manchmal war er sich wie eingesperrt vorgekommen, da ihn nur das Telefon und der Computer auf seinem Schreibtisch mit der Wirklichkeit drau?en verbanden. So war diese Fahrt nach White Plains, so tragisch die Umstande auch sein mochten, fur ihn absolut notwendig. Und er wu?te, da? dasselbe auch auf Rita zutraf.

Bei dem Gedanken an Rita fiel ihm etwas ein. Er machte sich auf die Suche nach ihr und fragte sie: »Hat schon jemand mit Crawf gesprochen?«

»Ich habe ihn eben zu Hause angerufen«, antwortete sie. »Er wollte schon herkommen, aber ich habe ihn gebeten, es nicht zu tun. Zum einen ware er sofort von Schaulustigen umringt, und zum anderen wurde es ihn schrecklich aufregen, wenn er sieht, wozu diese Kerle fahig sind.«

»Die Bilder wird er aber trotzdem sehen.«

»Das will er auch. Er wartet im Sender auf uns, Les ubrigens auch, und ich habe hier, was wir bereits im Kasten haben.« Rita hatte einige Videokassetten in der Hand. »Ich glaube, wir beide sollten losfahren«, fugte sie hinzu. »Iris und Minh konnen ja noch ein wenig blieben.«

Partridge nickte. »Nur noch einen Augenblick.«

Sie standen im dritten Stock des Parkhauses. Partridge lie? Rita stehen und ging zu einem leeren, noch intakten Winkel. Von dort aus hatte man eine gute Aussicht auf White Plains und die rege, alltagliche Geschaftigkeit der Stadt. In der Entfernung war der Highway nach New England und dahinter die grunen Hugel von Westchester zu sehen - alles Szenen der Normalitat in einem entsetzlichen Kontrast zu der Verwustung vor Ort.

Er hatte sich einen Augenblick von dem Chaos abwenden wollen, um in Ruhe nachdenken zu konnen und die

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