sprach. Der Sergeant horte zu, sah in ihre Richtung und nickte dann. Der junge Polizist kehrte zuruck.
»Ich furchte, wir sind alle ein bi?chen nervos, Sir«, sagte er zu Miguel. »Die Alkoholkontrolle ist nur ein Vorwand, in Wirklichkeit suchen wir nach diesen Entfuhrern. Sie wissen doch, was heute vormittag in White Plains passiert ist?«
»Ja«, erwiderte Miguel ernst. »Eine entsetzliche Sache.«
Das Auto vor ihnen war angefahren und hatte eine Lucke hinterlassen.
»Sie konnen mit beiden Fahrzeugen links vorbeifahren, Sir. Bitte folgen Sie mir bis zur Sperre, und von dort konnen sie ungehindert weiter. Und ich mochte mich noch einmal fur meine dumme Bemerkung entschuldigen.«
Der Beamte lie? den Leichenwagen und den Lastwagen aus der Schlange ausscheren und winkte dem nachfolgenden Auto, es solle aufschlie?en. Miguel sah sich um, konnte aber den Plymouth Reliant nirgends entdecken. Na, dachte er, Carlos wird schon alleine zurechtkommen.
Der Polizist ging ihnen bis zu dem Hauschen, das sie aus der Entfernung gesehen hatten, voran und winkte sie dann vorbei. Die Stra?e vor ihnen war frei.
Als der Leichenwagen an ihm vorbeifuhr, nahm Quiles Haltung an, legte die Hand an die Mutze und blieb so, bis beide Autos ihn passiert hatten.
Den ersten Test hatte ihre Tarngeschichte also bestanden, dachte Miguel. Die Frage war nur, ob sie sich auch bei der Kontrolle in Teterboro bewahren wurde.
Wahrend ihres Aufenthalts in Hackensack war Miguel zweimal nach Teterboro gefahren, um sich die Anlage des Flughafens einzupragen.
Es war ein belebter, nur von Privatflugzeugen benutzter Flughafen. Im Verlauf eines Tages starteten und landeten durchschnittlich vierhundert Maschinen, viele davon in der Nacht. Etwa hundert Maschinen, die am nordostlichen Rand abgestellt wurden, diente Teterboro als Standort. Am nordwestlichen Rand des Gelandes lagen die Gebaude von sechs Firmen, die sich um Service und Abfertigung der Flugzeuge kummerten. Jede dieser Firmen hatte einen separaten Zugang zum Flughafen und kummerte sich auch selbst um Sicherheitsund Kontrollma?nahmen.
Die gro?te dieser Firmen war Brunswick Aviation, und eben diese hatte Miguel fur die Abfertigung des Learjet 55LR aus Kolumbien ausgewahlt.
Bei einem seiner Besuche hatte Miguel sich als Besitzer einer Privatmaschine ausgegeben und mit den leitenden Herren von Brunswick und noch zwei anderen Firmen verhandelt. Aus diesen Gesprachen ging hervor, da? es zum Beladen einer Maschine gewisse Bereiche auf dem Flugplatz gab, die abgeschlossener und weniger einsehbar waren als andere. Der zentralste und beliebteste Lande- und Parkbereich trug den Namen »Der Tisch« und lag direkt neben dem Tower.
Der am wenigsten benutzte, weil als unpraktisch geltende Parkbereich befand sich am Sudende des Gelandes. Ein Platz war dort leicht zu bekommen, weil damit der »Tisch« entlastet wurde. In der Nahe gab es au?erdem ein verschlossenes Tor, zu dem alle sechs Firmen Zugang hatten.
Miguel hatte daraufhin uber seinen Kontaktmann im kolumbianischen Konsulat in New York nach Bogota Anweisung gegeben, der Learjet solle beim Anflug um einen Stellplatz am Sudende in der Nahe des Tores bitten. An diesem Vormittag, kurz bevor sie die Funktelefone vergruben, hatte er dann bei Brunswick Aviation angerufen und um Offnung des Tores zwischen 19 Uhr 45 und 20 Uhr 15 gebeten.
Aus den vorangegangenen Gesprachen wu?te Miguel, da? eine solche Bitte in Teterboro nichts Ungewohnliches war. Besitzer von Privatmaschinen tatigten haufig Geschafte, die sie lieber gehe imhielten, und das Flughafenpersonal stand im Ruf der Verschwiegenheit. Einer der Firmendirektoren hatte Miguel sogar von einem Vorfall mit einer hereinkommenden Marihuanalieferung erzahlt.
Eines Tages beobachtete dieser Direktor, wie verdachtige Ballen aus einem Flugzeug in einen Lastwagen umgeladen wurden. Er rief die Polizei an, die daraufhin die Drogenhandler verhaftete. Doch danach beklagte sich der Flugzeugbesitzer, der den Platz regelma?ig benutzte, uber die Verletzung seiner Privatsphare, zumal er Teterboro, wie er es formulierte, immer fur »einen diskreten und verla?lichen Flughafen« gehalten habe.
Als sich der Leichenwagen und der Laster nun Teterboro naherten, dirigierte Miguel Luis zu dem Tor am Sudende. Obwohl er nicht erwartete, samtlichen Kontrollen zu entgehen, hoffte er doch, da? sie hier etwas oberflachlicher sein wurden als am Haupteingang.
Seit dem Zwischenfall mit der Bundespolizei herrschte im Leichenwagen gespanntes Schweigen. Doch nun lie? die Spannung nach, und Socorro sagte zu Miguel: »Du warst
»Stimmt«, fugte Luis hinzu.
Miguel zuckte nur mit den Schultern. »Wie mussen auf der Hut bleiben. Vielleicht kommt noch mehr.«
Wahrend sie auf das Tor zufuhren, sah Miguel auf die Uhr: 20 Uhr 25. Eine halbe Stunde zu spat und zehn Minuten uber der vereinbarten Offnungszeit des Tors.
Das Licht ihrer Scheinwerfer fiel nun auf das Tor; es war verschlossen. Dahinter war alles dunkel und kein Mensch zu sehen. Frustriert schlug Miguel mit der Faust auf das Armaturenbrett und rief:
Luis stieg aus und sah sich das Schlo? an. Rafael verlie? den Lastwagen, ging ebenfalls zum Tor und kam dann zum Leichenwagen: »Ich konnte das Ding mit einer Kugel aufschie?en«, sagte er zu Miguel.
Miguel schuttelte den Kopf. Er fragte sich, warum keiner der Piloten des Learjet hier auf sie wartete. In der Dunkelheit konnte er hinter dem Zaun einige abgestellte Flugzeuge erkennen, jedoch nirgends Licht oder eine Aktivitat. Hatte der Flug vielleicht Verspatung? Doch wie die Antwort auch ausfiel, Miguel wu?te, da? sie nun den Haupteingang von Brunswick Aviation benutzen mu?ten.
»Steigt wieder ein«, befahl er Luis und Rafael.
Wahrend sie vom Sudtor wegfuhren, setzte sich der Plymouth Reliant wieder hinter sie. Carlos hatte die Stra?ensperre offenbar ungehindert passiert. Er hatte den Auftrag, ihnen bis zum Flughafeneingang zu folgen und dann drau?en zu warten, bis Leichenwagen und Laster zuruckkehrten.
Sie naherten sich dem hell erleuchteten Brunswick-Gebaude und mu?ten plotzlich erkennen, da? ihnen ein weiteres Tor den Weg versperrte. In der Tur des Wachhauschens stand ein uniformierter Posten und neben ihm ein gro?er Zivilist mit beginnender Glatze, der den Leichenwagen interessiert ansah. Ein Polizist? Miguel spurte, wie sich sein Magen zusammenzog.
Der zweite Mann trat vor. Er war schatzungsweise Anfang Funfzig und wirkte sehr bestimmt. Luis offnete das Fenster, und der Mann fragte: »Fuhren Sie ungewohnliches Frachtgut fur Senor Pizaro mit sich?«
Miguel lie? sich erleichtert in den Sitz zurucksinken. Es war die vorher vereinbarte codierte Frage. Er wu?te, wie er darauf zu antworten hatte. »Die Ladung ist bereit zum Transport, alle Papiere sind in Ordnung.«
Der Mann nickte. »Ich bin Ihr Pilot. Mein Name ist Underbill.« Er hatte einen amerikanischen Akzent. »Sie sind aber verdammt spat!«
»Wir hatten Probleme.«
»Die interessieren mich nicht. Ich habe bereits meinen Flugplan angemeldet. Wir mussen uns beeilen.« Wahrend er zur Beifahrerseite ging, winkte er dem Wachposten zu, und das Tor offnete sich.
Es gab also offensichtlich weder Sicherheitsuberprufungen noch Polizeikontrollen. Ihre so sorgfaltig ausgearbeitete Tarngeschichte erubrigte sich damit. Doch Miguel schien daruber nicht unglucklich.
Mit vier Leuten wurde es eng im Leichenwagen, und sie hatten Muhe, die Tur zu schlie?en. Der Pilot dirigierte Luis auf eine Rollbahn und zwischen blauen Lichterreihen hindurch zum Sudende des Flughafens. Der Laster folgte in kurzem Abstand.
Vor ihnen in der Dunkelheit standen mehrere Maschinen. Der Pilot deutete auf die gro?te, einen Learjet 55LR. Aus seinem Schatten tauchte ein Mann auf.
»Faulkner. Der Kopilot«, sagte Underhill knapp.
Die beiden Klappen der linken Seitentur des Learjets waren geoffnet, in der unteren war eine Treppe integriert, die vom Rumpf zum Boden fuhrte. Der Kopilot war hineingeklettert und hatte die Lichter eingeschaltet.
Luis fuhr mit dem Leichenwagen ruckwarts bis knapp vor die Tur. Der Laster blieb in geringer Entfernung stehen, Julio, Rafael und Baudelio sprangen heraus.
Als alle an der Tur der Maschine versammelt waren, fragte Underhill: »Wie viele lebende Passagiere haben wir?«
»Vier«, antwortete Miguel.
