»Ich brauche die Namen fur die Passagierliste«, sagte der Pilot, »und auch die Namen der Toten. Abgesehen davon, wollen ich und Faulkner uber Sie und Ihre Angelegenheiten nichts wissen. Wir liefern den vertraglich vereinbarten Charterflug. Und sonst nichts.«

Miguel nickte. Er zweifelte nicht daran, da? sich die beiden Piloten mit diesem Flug eine goldene Nase verdienten. In den Luftkorridoren zwischen den Vereinigten Staaten und Lateinamerika wimmelte es nur so von Flugzeugen, deren Besatzungen es mit dem Gesetz nicht so genau nahmen und fur viel Geld gro?e Risiken eingingen. Was diese beiden anging, war es Miguel gleichgultig, ob sie sich von der Sache selbst distanzieren wollten oder nicht. Wenn es wirkliche Probleme gab, machte das sowieso keinen Unterschied. Dann wurde man auch die Piloten zur Rechenschaft ziehen.

Unter der Aufsicht des Kopiloten hoben Rafael, Julio, Luis und Miguel den Sarg mit Jessica aus dem Leichenwagen in die Maschine. Es war Zentimeterarbeit, den Sarg durch die Ture und um die Ecke zu manovrieren. Die Sitze an der rechten Seite der Kabine waren ausgebaut. An den Fuhrungsleisten am Boden und den Verstrebungen an der Decke waren Gurte angebracht, mit der die Fracht, in diesem Fall die Sarge, befestigt werden konnte.

Wahrend der erste Sarg eingeladen wurde, fuhr der Leichenwagen weg, und der Laster kam mit der Ladeklappe bis an die Tur. Kurz darauf waren auch die beiden anderen Sarge in der Maschine, Miguel, Baudelio, Socorro und Rafael folgten, und die Tur wurde geschlossen. Man hatte sich gru?los getrennt. Als Miguel sich auf seinen Platz setzte und zum Fenster hinaussah, verschwanden die Lichter der beiden Fahrzeuge bereits in der Entfernung.

Wahrend der Kopilot die Gurte um die Sarge festzog, legte der Pilot im Cockpit einige Schalter um, und die Turbinen begannen zu drohnen. Dann ging der Kopilot nach vorn. Aus dem Funkgerat drang Rauschen, als er beim Tower um Starterlaubnis nachfragte und kurz danach die Freigabe kam.

Augenblicke spater rollten sie bereits.

Baudelio begann nun von seinem Sitz aus, seine externen Kontrollinstrumente an den Sargen zu befestigen. Er arbeitete weiter, wahrend der Learjet abhob, schnell an Hohe gewann und durch die Dunkelheit in Richtung Florida flog.

Am Boden gab es noch einiges zu erledigen.

Als der Leichenwagen und der Laster am Tor des Flughafens auftauchten, legte Carlos, der drau?en gewartet hatte, den Gang ein und folgte dem Leichenwagen nach Patterson, das etwa zehn Meilen westlich von Teterboro lag. Dort fuhr Luis den Leichenwagen zu einem bescheidenen Bestattungsinstitut, das sie zuvor willkurlich ausgesucht hatten, und stellte ihn auf dem Parkplatz ab. Er lie? die Schlussel stecken, lief zu dem Plymouth und fuhr mit Carlos davon.

Am nachsten Morgen wurde der Besitzer des Instituts wahrscheinlich mit seinem Gewissen ringen, ob er zur Polizei gehen oder besser abwarten solle, was mit diesem offensichtlich geschenkten, wertvollen Leichenwagen passierte. Wie er sich auch entschied, Carlos Luis und die anderen wurden zu diesem Zeitpunkt schon weit weg sein.

Von Patterson aus fuhren Carlos und Luis sechs Meilen in nordlicher Richtung nach Ridgewood, wohin Julio in der Zwischenzeit den Lastwagen gebracht hatte. Er hatte ihn vor dem Gelande eines Gebrauchtlastwagenhandlers abgestellt, der uber Nacht geschlossen hatte. Es war anzunehmen, da? ein fast neuer Lastwagen, den niemand mehr abholte, nach einer Weile von dem Geschaft absorbiert wurde und so die Polizei nie von seiner Existenz erfuhr.

Die beiden anderen holten Julio an einem vereinbarten Treffpunkt ganz in der Nahe ab, und das Trio fuhr ein letztes Mal zu ihrem Unterschlupf in Hackensack. Dort stieg Julio in den Chevrolet Celebrity und Luis in den Ford Tempo. Dann fuhren die drei in verschiedene Richtungen davon.

Sie wurden die Autos an drei weit voneinander entfernten Orten abstellen - mit unverschlossenen Turen und den Schlusseln im Zundschlo?, weil so die Moglichkeit bestand, da? die Autos gestohlen und damit alle Spuren, die auf eine Verbindung mit der Sloane-Entfuhrung hindeuten konnten, verwischt wurden.

14

Erst nach der Erstausgabe der National Evening News nahm die Sondereinheit ihre Konferenz, die am Vormittag von der Schreckensnachricht aus White Plains unterbrochen worden war, wieder auf. Es war inzwischen 19 Uhr 10, und die Mitglieder der Gruppe hatten sich bereits damit abgefunden, da? aus ihren privaten Wochenendplanen nichts wurde. Es wurde oft behauptet, da? die unregelma?ige Arbeitszeit, die langen Abwesenheiten von zu Hause und die Unmoglichkeit eines kalkulierbaren gesellschaftlichen Lebens schuld waren an der au?ergewohnlich hohen Scheidungsrate unter den Fernsehreportern.

Harry sa? nun wieder am Kopfende des Tisches und betrachtete seine Kollegen - Rita, Norman Jaeger, Iris Every, Karl Owens, Teddy Cooper. Die meisten sahen mude aus; Iris zum Beispiel war bei weitem nicht mehr makellos, ihre Frisur war aufgelost, auf der wei?en Bluse zeigten sich Tintenflecken. Jaeger lummelte sich in Hemdsarmeln auf seinem nach hinten gekippten Stuhl und hatte die Fu?e auf dem Tisch.

Im Konferenzraum selbst herrschte ein einziges Chaos, die Abfallkorbe und Aschenbecher quollen uber, schmutzige Kaffeetassen turmten sich auf dem Tisch, auf dem Boden lagen Zeitungen verstreut. Die sicher verschlossenen Buros hatten ihren Preis, denn so konnten auch die Putzfrauen nicht herein. Rita nahm sich vor, dafur zu sorgen, da? die Zimmer bis Montagmorgen aufgeraumt wurden.

Die beiden Wandtafeln »Ereignisablauf« und »Vermischtes« hatten betrachtlichen Zuflu? bekommen. Die letzte Erganzung war eine Zusammenfassung der Katastrophe in White Plains, die Partridge getippt hatte. Doch uber die Identitat der Entfuhrer und den Aufenthaltsort der Opfer gab es leider noch immer keine eindeutigen Informationen.

»Irgendwelche Neuigkeiten?« fragte Partridge.

Jaeger, der inzwischen die Fu?e vom Tisch genommen und den Stuhl herangezogen hatte, hob die Hand.

»Schie? los, Norm.«

Der altgediente Produzent hatte ein ruhige, gelehrte Art zu sprechen. »Ich habe fast den ganzen Tag in Europa und im Mittleren Osten herumtelefoniert und allen - unseren Redaktionsleitern, Korrespondenten und Informanten - die gleichen Fragen gestellt: Was wi?t ihr von neuen oder ungewohnlichen Entwicklungen in der Terroristenszene? Gibt es unter den Terroristen irgendwelche auffalligen Bewegungen? Sind in der letzten Zeit Terroristen, vor allem ganze Gruppen, von der Bildflache verschwunden? Wenn ja, konnte es moglich sein, da? sie sich in den Vereinigten Staaten aufhalten? Und so weiter.«

Jaeger unterbrach sich, blatterte in seinen Aufzeichnungen und fuhr dann fort: »Ich bekam einige halb positive Antworten. Eine Gruppe von Hisbollah-Leuten ist vor einem Monat aus Beirut verschwunden. Es gibt Geruchte, da? sie in der Turkei sind und dort einen neuen Uberfall auf Juden planen, und Ankara bestatigt, da? die turkische Polizei nach ihnen sucht. Aber Beweise gibt es keine. Die konnten uberall sein.

Die FARL - die Libanesische Bewaffnete Revolutionare Fraktion - hat angeblich Leute ausgeschickt, doch gibt es drei Berichte, einer davon aus Paris, wonach sie sich in Frankreich aufhalten sollen. Wieder keine Beweise. Abu Nidal ist aus Syrien verschwunden und angeblich in Italien, wo es Geruchte gibt, da? er, die Islamische Jihad und die Roten Brigaden irgend etwas planen.« Jaeger streckte die Hande in die Luft. »Diese Gangster sind schwer greifbare Schatten, aber die Kontakte, von denen ich diese Informationen habe, waren bisher alle sehr zuverlassig.«

Leslie Chippingham betrat den Konferenzraum, Crawford Sloane folgte ihm wenige Augenblicke spater. Sie setzten sich zu den anderen an den Tisch. Als Schweigen entstand, bat der Chef der Nachrichtenabteilung: »Macht doch bitte weiter.«

Wahrend Jaeger fortfuhr, warf Partridge einen Blick auf Sloane, und ihm fiel auf, da? der Moderator entsetzlich aussah, noch blasser und ausgezehrter als am Tag zuvor, was bei der immer starker werdenden Belastung auch kaum verwunderlich war.

Jaeger berichtete: »Meine Gewahrsmanner bei den Geheimdiensten berichten von einigen kleineren Terroristenbewegungen. Ich will euch nicht mit Einzelheiten langweilen; wichtig ist nur, da? sie offensichtlich auf Europa und den Mittleren Osten beschrankt sind. Die Leute, mit denen ich gesprochen habe, gehen davon aus, da? es keine Bewegungen in Richtung USA oder Kanada gegeben hat, weil sich das mit Sicherheit herumgesprochen hatte. Aber ich habe allen gesagt, da? sie Augen und Ohren aufsperren sollen.«

»Danke, Norm.« Partridge wandte sich an Carl Owens. »Ich wei?, da? du dich im Suden umgehort hast, Carl. Irgendwelche Ergebnisse?«

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