»Nichts Eindeutiges.« Der jungere Produzent brauchte nicht lange in seinen Aufzeichnungen zu wuhlen. Es war typisch fur seine prazise Arbeitsweise, da? er jeden Anruf mit sauberer Handschrift auf einer Karteikarte festhielt und die Karten sortierte.
»Ich habe mit der gleichen Art von Kontakten gesprochen wie Norm und ihnen ahnliche Fragen gestellt; meine Leute sitzen in Managua, San Salvador, Havanna, La Paz, Buenos Aires, Tegucigalpa, Lima, Santiago, Bogota, Brasilia und Mexico City. Wie immer gibt es dort fast uberall terroristische Aktivitaten, wobei manche Terroristen von einem Land ins andere wechseln, das hei?t sie uberschreiten die Grenzen wie Pendler, die einfach von einem Zug in den anderen steigen. Aber nichts davon entspricht der Art von Gruppenbewegung, nach der wir suchen. Ich bin nur uber eins gestolpert. Aber daran arbeite ich noch... «
»Erzahl«, sagte Partridge. »Wir sind auch mit der Rohfassung zufrieden.«
»Nun, es ist etwas aus Kolumbien. Uber einen Kerl namens Ulises Rodriguez.«
»Einer von der ganz ublen Sorte«, sagte Rita. »Man hat ihn schon als den Abu Nidal Lateinamerikas bezeichnet.«
»Was durchaus zutrifft«, bestatigte Owens, »und es gibt auch Geruchte, da? er an einigen Entfuhrungen in Kolumbien beteiligt war. Bei uns erfahrt man von denen nicht viel, obwohl sie da druben an der Tagesordnung sind. Also, vor drei Monaten ist Rodriguez angeblich in Bogota aufgetaucht, aber dann war er plotzlich verschwunden. Leute, die es wissen mussen, sind davon uberzeugt, da? er irgendwo aktiv ist. Es gab Geruchte, da? er sich in London aufhielt, aber wo immer er jetzt auch ist, seit Juni ist er erfolgreich untergetaucht.«
Owens hielt inne und warf einen Blick auf eine seiner Karten. »Da ist noch etwas: Rein auf Verdacht habe ich einen Kontaktmann bei der Einwanderungsbehorde in Washington angerufen und Rodriguez' Namen erwahnt. Mein Kontaktmann rief mich dann spater zuruck und erzahlte mir, da? die Einwanderungsbehorde vor drei Monaten, also zu der Zeit, als Rodriguez verschwand, von der CIA die Warnung erhalten habe, Rodriguez versuche uber Miami ins Land einzureisen. Es gibt einen Haftbefehl auf seinen Namen, und der Zoll und die Einwanderungsbehorde in Miami waren in hochster Alarmbereitschaft. Aber er ist nicht aufgetaucht.«
»Oder er hat es geschafft, unerkannt durchzukommen«, fugte Iris Everly hinzu.
»Das ist naturlich moglich. Oder er ist durch einen andere Tur hereingekommen - vielleicht uber London, wenn das Gerucht, das ich erwahnt habe, zutrifft. Rodriguez hat in Berkeley Englisch studiert und spricht ohne Akzent, oder genauer, mit einem amerikanischen Akzent. Ich will damit sagen, da? er als Auslander nicht auffallt.«
»Die Sache wird langsam interessant«, sagte Rita. »Gibt's noch mehr?«
Owens nickte. »Ein bi?chen.«
Wahrend die ganze Runde Owens aufmerksam zuhorte, dachte Partridge daruber nach, da? nur die Leute im Nachrichtengewerbe wirklich verstanden, wieviel Information man uber Kontaktleute und durch bestandiges Telefonieren sammeln konnte.
»Zu dem wenigen, was man uber Rodriguez wei?«, fuhr Owens fort, »gehort neben dem, was ich eben erzahlt habe, auch, da? er seinen Abschlu? in Berkeley im Jahr 1972 machte.«
»Gibt es Fotos von ihm?« fragte Partridge.
Owens schuttelte den Kopf. »Bei der Einwanderungsbehorde haben sie keins. Und dort sagen sie, da? auch sonst niemand eins hat, auch die CIA nicht. Rodriguez hat immer gut aufgepa?t. Aber in dieser Hinsicht haben wir vielleicht Gluck.«
»O Mann, Carl!« rief Rita. »Du sollst keinen Roman schreiben, sondern uns einfach erzahlen, was du wei?t!«
Owens lachelte. Es war seine Art, eine Geschichte langsam und geduldig aufzubauen. Nur so funktionierte es, und er hatte keine Lust, es wegen Rita Abrams oder sonst jemandem zu andern.
»Nachdem ich also das von Rodriguez wu?te, hab' ich in unserer Redaktion in San Francisco angerufen und sie gebeten, jemand nach Berkeley zu schicken.« Er warf Chippingham einen Blick zu. »Ich hab' deinen Namen erwahnt, Les, und gesagt, du hattest Topprioritat angeordnet.«
Chippingham nickte nur, und Owens fuhr fort.
»Die schickten Fiona Gowan, die auch in Berkeley studiert hat und sich dort gut auskennt. Fiona hatte Gluck - schlie?lich ist ja Samstag - und konnte wirklich, ob ihr mir's nun glaubt oder nicht, ein Mitglied des Fachbereichs Englisch ausfindig machen, das sich an einen Rodriguez aus der 72er Klasse erinnerte.«
Rita seufzte. »Wir glauben es dir.« Ihr Tonfall bedeutete:
»Rodriguez war offensichtlich ein Einzelganger, er hatte keine engen Freunde. Der Typ von der Uni erinnerte sich auch daran, da? Rodriguez sehr kamerascheu war, da? er sich nie fotografieren lie?. Die
»Und diese Kopien...«, begann Partridge.
»Dazu kommen wir gleich, Harry.« Owens lachelte, er lie? sich auch weiterhin nicht drangen. »Fiona ist inzwischen wieder in San Francisco, und sie hing den ganzen Nachmittag an der Strippe. Es war 'ne Wahnsinnsarbeit, weil der 72er EnglischJahrgang dreihundertachtundachtzig Studenten hatte. Aber sie schaffte es, ein paar Namen und Telefonnummern aufzutreiben, und da fuhrte eins zum anderen. Kurz vor unserem Treffen hat sie mich noch angerufen und mir gesagt, da? sie eine dieser Kopien aufgetrieben hat und da? sie die morgen bekommt. Sobald sie da ist, faxt die Redaktion sie uns 'ruber.«
Am Tisch entstand zustimmendes Gemurmel. »Gute Arbeit«, sagte Chippingham. »Richte Fiona meinen Dank aus.«
»Vielleicht sollte man das Ganze trotzdem nicht uberbewerten«, gab Owens zu bedenken. »Was wir im Augenblick haben, sind nur ein paar gluckliche Zufalle, und es ist ja auch nur eine Vermutung, da? Rodriguez an der Entfuhrung beteiligt war. Au?erdem ist diese Kohlezeichnung zwanzig Jahre alt.«
»So stark verandern sich die Leute auch in zwanzig Jahren nicht«, sagte Partridge. »Wir konnen das Bild ja in Larchmont herumzeigen und die Leute fragen, ob sie den schon einmal gesehen haben. Sonst noch etwas?«
»Die Washingtoner Redaktion hat sich gemeldet«, sagte Rita. »Soweit die wissen, hat das FBI noch nichts Neues. Ihre Spurensicherung arbeitet an dem, was von dem Nissan noch ubrig ist, aber gro?e Hoffnungen machen sie sich nicht. Wie schon Salerno in der Freitagssendung gesagt hat, bei Entfuhrungen ist das FBI darauf angewiesen, da? die Entfuhrer sich melden.«
Partridge sah Sloane am anderen Ende des Tisches an. »Tut mir leid, Crawf, aber das scheint alles zu sein, was wir haben.«
»Bis auf Teddys Vorschlag«, gab Rita zu bedenken.
»Welchen Vorschlag?« fragte Sloane scharf. »Davon wei? ich ja gar nichts.«
»Teddy wird's dir erklaren«, sagte Partridge. Er nickte dem jungen Englander zu, der ebenfalls am Tisch sa?, und Coopers Gesicht leuchtete auf, als sich alle Aufmerksamkeit auf ihn richtete.
»Es ist eine Moglichkeit, das Versteck der Entfuhrer ausfindig zu machen. Obwohl ich mir sicher bin, da? sie inzwischen verschwunden sind.«
»Wenn sie wirklich verschwunden sind, was bringt es uns dann noch?« fragte Chippingham.
Sloane winkte ungeduldig ab. »Das ist doch unwichtig. Ich will den Vorschlag horen.«
Trotz des Zwischenrufs antwortete Cooper zuerst auf Chippinghams Frage. »Spuren. Es besteht immer die Moglichkeit, da? die Leute Spuren hinterlassen, die uns zeigen, wer sie sind, woher sie kommen und vielleicht sogar, wohin sie verschwunden sind.«
Cooper wiederholte nun seinen Vorschlag, mit gro?em Personaleinsatz die Immobilienanzeigen der Zeitungen aus der Region um Larchmont zu durchforsten, um so dem Versteck der Entfuhrer auf die Spur zu kommen.
»Ich gebe zu, da? es eine sehr unsichere Sache ist«, sagte er schlie?lich.
»Und das ist noch gelinde ausgedruckt«, entgegnete Chippingham. Er hatte wahrend Coopers Erlauterung die Stirn in Falten gelegt, und diese Falten wurden bei dem Vorschlag, zusatzliches Personal einzustellen, noch tiefer. »Um wie viele Leute geht es?«
