zur Sprache. Er anderte lediglich seine Taktik, indem er Gemma zugestand, da? sie in der Tat eine gute Fahrerin sei, er dagegen krankhaft nervos. Mehr als ein bedingtes Versprechen konnte er ihr allerdings nicht abringen.

»Mio amore, sobald ich schwanger bin, hore ich auf zu fahren. Das schwore ich dir.«

Es war eine Erinnerung an ihren gemeinsamen Wunsch, Kinder zu haben. »Mindestens drei«, hatte Gemma kurz nach ihrer Heirat verkundet, und Harry hatte nichts dagegen.

In der Zwischenzeit machten seine Einsatze fur CBA gelegentliche Reisen notwendig, und Gemma arbeitete zunachst weiter als Stewardess. Sehr schnell jedoch merkten sie, da? sie sich auf diese Weise wenig sehen wurden, denn wenn Partridge von einer Reise zuruckkehrte, war Gemma haufig unterwegs, und ebenso oft war es umgekehrt. So war es Gemma, die sich entschlo?, mit der Fliegerei aufzuhoren, um ihr Leben mit dem Harrys in Einklang zu bringen.

Glucklicherweise bot man ihr, nachdem sie Alitalia ihren Entschlu? mitgeteilt hatte, eine Stelle beim Bodenpersonal mit Rom als festem Standort an. Gemma und Partridge waren froh daruber, denn von nun an wurden sie viel mehr Zeit fureinander haben.

Sie nutzten ihre freien Stunden, um Rom zu genie?en und in die Jahrtausende alte Geschichte der Stadt einzutauchen, wobei sich Gemmas Gedachtnis, wie Partridge feststellte, als wahre Schatzkammer entpuppte.

»Kaiser Augustus, Harry - er war Julius Casars Stiefsohn -, grundete eine Feuerwehr mit Sklaven als Feuerwehrmannern. Doch als sie bei einem gro?en Brand sich weigerten, das Feuer zu loschen, ersetzte er sie durch freie Burger, die vigiles, die effektiver waren. Denn freie Menschen wollen Feuer loschen.«

Partridge fragte skeptisch: »Ist diese Geschichte auch wahr?« Gemma lachelte nur, doch er erfuhr spater, da? sie recht hatte und da? der Wechsel von Sklaven zu freien Burgern im Jahr 6 n. Chr. stattgefunden hatte. Als er spater einmal uber ein Freiheitssymposium der Vereinten Nationen in Rom berichten mu?te, arbeitete er diese Geschichte geschickt in sein Manuskript fur CBA News ein.

Bei einer anderen Gelegenheit: »Die Sixtinische Kapelle, Harry, in der die neuen Papste gewahlt werden, ist benannt nach Papst Sixtus IV. Er legalisierte Bordelle in Rom und hatte Sohne, einen sogar von seiner eigenen Schwester. Drei von seinen Sohnen machte er zu Kardinalen.«

Oder: »Unsere beruhmte Scala di Spagna, die Spanische Treppe, tragt diesen Namen zu Unrecht. Eigentlich mu?te sie Scala di Francia hei?en. Die Franzosen gaben die Anregung fur den Bau der Treppe, und ein Franzose war es, der in seinem Testament das Geld dafur bereitstellte. Die Spanische Botschaft - pffl - war zufallig daneben. Spanien hat nichts, uberhaupt nichts, Harry, mit der Treppe zu tun.«

Wenn es ihre Arbeit und die Zeit erlaubten, reisten Partridge und Gemma auch nach Florenz, Venedig oder Pisa. Es war im Zug, auf der Ruckreise von Florenz, als Gemma, die die ganze Zeit sehr bleich gewirkt hatte, sich mehrmals entschuldigte, um zur Toilette zu gehen. Partridge machte sich Sorgen, aber sie winkte nur ab. »Wahrscheinlich habe ich mir den Magen verdorben. Geht schon vorbei.«

Zuruck in Rom, schien Gemma wieder vollig in Ordnung zu sein und am nachsten Tag ging Partridge wie gewohnt in die Redaktion. Doch als er am Abend nach Hause kam, fand er zu seiner Uberraschung an seinem Platz am E?tisch einen zusatzlichen, kleinen Teller und darauf die Schlussel von Gemmas Alfa Romeo. Als er sie danach fragte, antwortete Gemma mit einem schwachen Lacheln: »Ein Versprechen ist ein Versprechen.«

Einen Augenblick lang war er verwirrt, doch dann fiel ihm Gemmas »Sobald ich schwanger werde, hore ich auf zu fahren.« wieder ein, und mit einem Freudenschrei nahm er sie uberglucklich in die Arme.

Gemma hatte Tranen in den Augen, wahrend sie sich ku?ten und eng umschlungen hielten.

Eine Woche spater erfuhr Partridge von CBA News, da? er nicht langer Korrespondent in Rom sein wurde und da? auf ihn eine gro?ere Aufgabe wartete - als Chefkorrespondent in London.

Sofort dachte er an Gemma und fragte sich besorgt, wie sie darauf reagieren wurde. Doch seine Sorge war unbegrundet.

»Das ist eine wundervolle Nachricht, Harry caro«, sagte sie zu ihm. »Ich liebe London, mit Alitalia war ich oft dort. Wir werden ein schones Leben zusammen haben.«

»Wir sind da, Mr. Partridge.«

Partridge, der geglaubt hatte, nur wenige Augenblicke lang die Augen geschlossen zu haben, offnete sie nun wieder und mu?te feststellen, da? sie Manhattan bereits erreicht hatten und in der Forty-eighth Street vor dem Inter-Continental standen. Er dankte dem Fahrer, wunschte ihm eine gute Nacht und ging hinein.

Im Aufzug auf dem Weg zu seinem Zimmer wurde ihm klar, da? es inzwischen Montag geworden war - der Beginn einer, wie sich zeigen sollte, sehr wichtigen Woche.

4

Jessica versuchte verzweifelt, wach zu bleiben und ihren Verstand zum Arbeiten zu bringen, damit sie begriff, was um sie herum vor sich ging, aber meistens schaffte sie es nicht. Sie hatte Augenblicke der Klarheit, in denen sie andere Leute sah und ihren eigenen Korper spurte - die Unbequemlichkeit und den Schmerz, die Ubelkeit und den entsetzlichen Durst. Doch auch wahrend sie all dies spurte, konnte sie in panischer Angst nur einen Gedanken fassen: Nicky! Wo bist du? Was ist passiert? Dann verschwamm alles wieder, und sie versank in einem Nebel von Bildern, in dem ihr Verstand nichts begreifen konnte, nicht einmal, wer sie selber war. Wahrend dieser Ausfalle schien sie in einer klebrigen, milchigen Flussigkeit zu schwimmen.

Doch wahrend sie so am Rande des Bewu?tseins dahindammerte, gelang es ihr, die Erinnerung an das in den kurzen wachen Augenblicken Erlebte festzuhalten. Sie wu?te, da? etwas, das in ihrem Arm gesteckt hatte, nun entfernt war und ein pulsierender Schmerz an dessen Stelle getreten war. Sie war sich bewu?t, da? man ihr von irgendeinem Ruheplatz aufgeholfen und sie halb fuhrend, halb tragend dorthin gebracht hatte, wo sie jetzt sa?, ein Fleck, der - wiederum in den kurzen Augenblicken des Bewu?tseins - eine glatte, flache Oberflache zu haben schien. Im Rucken glaubte sie, ohne sich dessen sicher zu sein, etwas Festes zu spuren.

Wenn zwischen solchen Gedanken plotzlich Angst und Panik zuruckkehrten, versuchte sie sich das einzuimpfen, von dem sie wu?te, da? es wichtig war: Nicht die Nerven verlieren!

An etwas erinnerte sie sich ganz sicher, an einen Mann namlich, der plotzlich vor ihr aufgetaucht war. Sein Bild war klar und deutlich. Er wir gro?, mit sehr schutterem Haar und aufrechter Haltung, und er machte den Eindruck, als hatte er etwas zu sagen. Und ebendieser Eindruck veranla?te sie, ihn anzusprechen und um Hilfe zu bitten. Sie wu?te, da? ihre Stimme ihn erschreckt hatte; auch diese Reaktion hatte sich ihr deutlich eingepragt, wahrend ihr Bewu?tsein uber die wirkliche Anwesenheit des Mannes schon wieder verschwamm. Aber hatte er ihre Bitte auch verstanden? Wurde er Hilfe bringen?... O Gott, wer konnte das wissen?

Wieder flackerte ihr Bewu?tsein auf. Da war plotzlich ein anderer Mann, er beugte sich uber sie... Moment mal! Den hatte sie schon einmal gesehen, sie erkannte sein leichenblasses Gesicht... Ja. Erst vor wenigen Minuten hatte sie doch verzweifelt mit einem Messer oder etwas ahnlichem gekampft und ihm dabei das Gesicht zerschnitten. Sie hatte gesehen, wie das Blut herausspritzte... Aber warum blutete er jetzt nicht? Warum war sein Gesicht so plotzlich bandagiert?

In Jessicas Bewu?tsein existierte die lange Periode der Bewu?tlosigkeit nicht...

Dieser Mann ist ein Feind, sagte sie sich, und dann fiel es ihr plotzlich wieder ein: Er hat etwas mit Nicky angestellt. Ich konnte ihn umbringen, diesen Kerl!... Der Zorn brachte ihren Kreislauf in Schwung und neues Leben in ihre Glieder. Sie griff nach dem Pflaster auf diesem Gesicht und ri? es herunter. Und dann gruben sich ihre Nagel in Fleisch und Wundschorf.

Mit einem uberraschten Aufschrei sprang Baudelio zuruck. Er griff sich mit der Hand an die Wange, und als er sie ansah, war sie rot vor Blut... Diese gottverdammte Frau! Jetzt hatte sie ihm schon wieder das Gesicht zerschunden, ihm, der sich bislang, trotz allem, immer fur seine Patientin verantwortlich

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