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»Noch heute morgen«, sagte Teddy zu den aufmerksamen jungen Gesichtern, die vor ihm sa?en, »hatte ich vor, euch ein Marchen aufzutischen, warum ihr hier seid und was man von euch verlangt. Wie ein richtiger Klugschei?er hatte ich mir eine schone, uberzeugende Geschichte zurechtgelegt. Aber nachdem ich jetzt mit ein paar von euch gesprochen habe, wei? ich, da? ihr alle viel zu intelligent seid, um euch von irgendwelchem Gerede einwickeln zu lassen. Also keine Marchen. Ich glaube auch, da? ihr euch mit mehr Begeisterung in die Arbeit sturzt, wenn ihr wi?t, was wirklich Sache ist, und da? ich mich auf eure Verschwiegenheit verlassen kann. Also setzt euch aufrecht hin, Kinder. Man wird euch jetzt gleich die Wahrheit anvertrauen.«

Coopers Eroffnung wurde mit Lacheln und ungeteilter Aufmerksamkeit belohnt.

Es war Montag morgen, 9 Uhr 30. In der letzten halben Stunde hatten sich genau sechzig junge Manner und Frauen, wobei beide Geschlechter fast gleich stark vertreten waren, in der Zentrale von CBA News zur Arbeit gemeldet, denn Onkel Arthur hatte am Abend zuvor den Telefonhorer erst aus der Hand gelegt, als die Truppe wirklich komplett war. Nun sa?en alle in dem Nebengebaude, das am vergangenen Donnerstag fur Crawford Sloanes Pressekonferenz benutzt worden war. Auch diesmal hatte man wieder Stuhle und eine Rednertribune aufgestellt.

Die meisten der Freiwilligen waren etwa zweiundzwanzig Jahre alt und hatten vor kurzem die Universitat mit guten Zeugnissen verlassen. Und alle waren sie redegewandt, ehrgeizig und sehr begierig, endlich Fernsehluft zu schnuppern.

Etwa ein Drittel der Gruppe waren Schwarze, und auf einen von ihnen hatte Onkel Arthur Cooper besonders hingewiesen -Jonathan Mony. »Nimm dir Jonathan als Koordinator«, hatte ihm der alte Mann geraten. »Er hat ein Diplom von der Columbia School of Journalism, arbeitet aber zur Zeit als Kellner, weil er Geld braucht. Wenn du von ihm ebenso beeindruckt bist wie ich, konnen wir ihn nach dieser Sache vielleicht bei CBA unterbringen.«

Mony, der sich an diesem Morgen als erster gemeldet hatte, besa? die Statur und die Beweglichkeit eines professionellen Basketballspielers. Er hatte feingeschnittene Gesichtszuge und unwiderstehliche, selbstsicher blickende Augen. Seine Stimme war ein heller Bariton, und er sprach in knappen, prazisen Satzen ohne jeden Jargon. Gleich nachdem er sich Cooper vorgestellt hatte, fragte er: »Kann ich helfen?«

Cooper, der Mony vom ersten Augenblick an mochte, antwortete: »Klar doch«, und gab ihm einen Stapel Formulare, die alle, die sich gemeldet hatten, ausfullen mu?ten. Wenige Minuten spater fuhrte er bereits Neuankommlinge zu ihren Platzen und erklarte ihnen die Formulare, die er zuvor selbst nur uberflogen hatte.

Bald darauf bat Cooper Mony, er moge telefonisch zwei Anfragen durchgeben. Mony stellte keine Fragen, sondern nickte nur und verschwand. Einige Minuten spater kehrte er zuruck und meldete: »Alles in Ordnung, Mr. Cooper. Beide Antworten lauten ja.«

Das war vor zehn Minuten gewesen. Nun fuhr Teddy Cooper in seiner Einfuhrung fort, nachdem er nach seiner Ankundigung, er werde seinen Zuhorern »die Wahrheit anvertrauen«, der Wirkung halber eine Pause eingelegt hatte.

»Worum es hier eigentlich geht, ist die Entfuhrung von Mrs. Crawford Sloane, dem kleinen Nicholas Sloane und Mr. Angus Sloane - von der ihr naturlich alle schon gehort habt. Was ihr nun tun werdet, soll den Entfuhrungsopfern helfen und ist von allerhochster Wichtigkeit. Wir schicken euch in Lokalredaktionen und in Bibliotheken, wo ihr euch die Zeitungsausgaben der letzten drei Monate ansehen sollt. Aber das hei?t nicht nur lesen, sondern richtig Sherlock Holmes spielen und die Zeitungen nach Hinweisen durchforsten, uber die ich euch gleich noch Genaueres sagen werde und die uns vielleicht auf die Spur dieser Kidnapper bringen.«

Das Interesse auf den Gesichtern vor ihm war nun noch deutlicher sichtbar als zuvor, und das leise Summen der Gesprache verstummte auch sofort wieder, als Cooper fortfuhr: »Sobald ich mit meiner Geschichte hier oben durch bin, wird man euch in Gruppen aufteilen und euch erklaren, wohin ihr fahren mu?t und was ihr zu tun habt, wenn ihr dort seid. Einige der Redaktionen wurden von uns bereits informiert, sie sind zur Kooperation bereit und erwarten euch. Bei anderen mu?t ihr euch selber vorstellen. Sagt einfach, ihr kommt von CBA. Bevor ihr geht, bekommt jeder noch einen CBA-Presseausweis. Hebt ihn auf - als Andenken fur eure Enkel.

Noch was zu den Transportmoglichkeiten: Wir haben einige Autos, die ein paar der Gruppen jeden Tag zu ihren Einsatzorten bringen. Von dort mu?t ihr euch dann selbst durchschlagen. Schlie?lich habt ihr alle genug Eigeninitiative, und die konnt ihr hier mal richtig unter Beweis stellen. Einige werden mit dem Bus oder Zug fahren mussen. Die Reisespesen gehen naturlich in jedem Fall auf CBA.

Wenn ihr abends fertig seid, braucht ihr nicht hierher zuruckzukehren, aber ihr mu?t euch unbedingt telefonisch melden - die Nummer bekommt ihr noch -, und ihr mu?t auch sofort anrufen, wenn ihr etwas Wichtiges entdeckt.«

Die Punkte, die Teddy Cooper hier vortrug, hatte er wahrend des Sonntags und noch fruh an diesem Morgen mit seinen beiden Assistenten und einer von der Nachrichtenredaktion ausgeliehenen Sekretarin ausgearbeitet. Einige vorbereitende Arbeiten, Anrufe bei den Lokalzeitungen etwa, waren auch jetzt noch im Gange.

»Soweit die Vorspeise«, verkundete Cooper. »Und jetzt wollen wir uns mal dem Hauptgang zuwenden. Ihr werdet jetzt gleich einen ganzen Stapel Info-Material bekommen... Ach, da ist es ja schon.«

Der vor Eifer fast uberstromende Jonathan Mony hatte sich mit Coopers Assistenten unterhalten, die an einem Tisch am anderen Ende des Saales beschaftigt waren. Nun kehrte er mit einem Stapel Papier im Arm zuruck - Kopien des Arbeitsplans und der Richtlinien, die Cooper am Tag zuvor ausgearbeitet und uber Nacht ausgedruckt hatte. Mony verteilte die Kopien an seine neuen Kollegen.

»Wenn ihr in diese Lokalredaktionen kommt«, sagte Cooper, »la?t ihr euch zuerst die Ausgaben der letzten drei Monate geben, also ab dem 14. Juli. Bei jeder geht ihr dann die Immobilienanzeigen durch und sucht euch die heraus, in denen eine kleine Fabrik, ein Lagerhaus oder ein gro?es, altes Mietshaus angeboten werden - aber nicht jedes beliebige Objekt in dieser Richtung, sondern... die genauen Angaben stehen auf Seite eins der Unterlagen, die ihr gerade bekommen habt.«

Wahrend Teddy Cooper seine Uberlegungen und Plane erlauterte, war er froh, da? er sich entschlossen hatte, die Wahrheit zu sagen. Wie viel oder wie wenig er diesen Hilfskraften sagte, lag allein in seinem Ermessen, und da? er den Leuten kein Marchen aufgetischt hatte, machte alles viel einfacher. Naturlich war auch ein gewisses Risiko dabei. Zum einen bestand nun die Gefahr, da? ein Konkurrent, ein anderer Sender vielleicht, erfuhr, was CBA plante, und das dann entweder an die Offentlichkeit trug oder selbst ein ahnliches Projekt startete. Cooper wollte die jungen Leute davor warnen, Einzelheiten uber diese verdeckte CBA-Operation preiszugeben. Und wahrend er nun seine aufmerksamen, eifrig mitschreibenden Helfer betrachtete, kam er zu der Uberzeugung, da? sie sein Vertrauen nicht mi?brauchen wurden.

Zwischendurch sah Cooper immer wieder zur Tur. Die beiden Anrufe, um die er Jonathan Mony gebeten hatte, galten Harry Partridge und Crawford Sloane; er hatte sie fragen lassen, ob sie nicht kurz vorbeischauen konnten. Da? beide zugestimmt hatten, kam ihm sehr gelegen.

Sie trafen gemeinsam ein. Cooper unterbrach sich mitten im Satz und wies zur Tur. Alle drehten die Kopfe, und trotz der weltklugen Abgeklartheit der jungen Leute ging ein unuberhorbares Raunen durch die Gruppe, als Sloane und Partridge den Saal betraten.

Cooper verlie? ehrerbietig die Rednertribune. Den Chefsprecher der National Evening News vorstellen zu wollen, ware eine Anma?ung gewesen; er machte ihm einfach Platz.

»Hallo, Teddy«, sagte Sloane. »Was willst du denn von mir?«

»Vor allem, Sir, glaube ich, da? jeder hier Sie gern personlich kennenlernen mochte.«

Sloane flusterte mit Cooper. »Sag mal, wieviel hast du den Leuten denn schon erzahlt?«

Partridge stand neben den beiden an der Tribune und horte zu.

»So ziemlich alles. Ich dachte mir, da? sie so mehr Begeisterung zeigen und da? wir ihnen trauen sollten.«

»Ganz meine Meinung«, sagte Partridge.

Sloane nickte. »Ist mir auch recht.« Er beachtete die Rednertribune gar nicht, sondern ging auf die erste Stuhlreihe zu. Sein Gesicht war ernst; es erwartete auch niemand, da? er an einem Tag wie diesem froh und glucklich war, und als er sprach, pa?te seine Stimme zu seiner ernsten Miene.

»Meine Damen und Herren, was Sie oder einige von Ihnen in den nachsten Tagen tun werden, kann unter Umstanden direkt dazu beitragen, da? meine Frau, mein Sohn und mein Vater unversehrt zuruckkehren. Falls wir wirklich dieses gro?e Gluck haben sollten, konnen Sie sicher sein, da? ich mich personlich bei Ihnen bedanken werde. In der Zwischenzeit mochte ich Ihnen nur sagen, wie froh ich bin, da? Sie hier sind, und Ihnen alle Gute wunschen. Viel Gluck fur uns alle.«

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