»Da ist noch etwas anderes«, bemerkte Owens, »und zwar das FBI. Wenn wir denen diese Information vorenthalten, kriegen wir Schwierigkeiten.«

»Daran habe ich auch schon gedacht«, gab Partridge zu. »Aber ich habe beschlossen, es zu riskieren. Falls sich deswegen jemand Kopfzerbrechen macht, mochte ich daran erinnern, da? ich hier die Verantwortung trage. Die Sache ist doch die: Wenn wir es dem FBI erzahlen, dann konnen wir mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, da? die auch mit anderen Journalisten daruber reden, und dann ist unsere Exklusiv-Story auch zum Teufel.«

»Um zum Wesentlichen zuruckzukommen«, sagte Rita, »es gibt einen Prazedenzfall fur dieses Problem. Ich erinnere mich da an eine Sache bei ABC.«

»Erzahl«, forderte Iris sie auf.

»Ihr erinnert euch doch noch an die Entfuhrung dieser TWA-Maschine - Beirut, 1985?«

Die anderen nickten. Sie wu?ten, da? Rita Mitte der achtziger Jahre fur ABC News gearbeitet hatte und da? diese Entfuhrung ebenfalls auf das Konto von Terroristen ging, die damit die Welt zwei Wochen lang in Atem gehalten hatten. Einer der Passagiere dieses TWA-Fluges 847, ein Taucher der US Navy, war damals brutal ermordet worden.

»Wir bei ABC«, erzahlte nun Rita, »wu?ten fast von Anfang an, da? drei amerikanische Soldaten in Zivil an Bord der Maschine waren, und wir glaubten, diese Information exklusiv zu besitzen. Auch wir stellten uns damals die Frage, ob wir damit auf Sendung gehen sollten. Wir taten es nicht, weil wir dachten, da? es auch die Entfuhrer erfahren wurden, und das ware das Ende fur die drei Soldaten gewesen. Die Entfuhrer fanden es schlie?lich selbst heraus, aber indem wir unsere Interessen zuruckstellten, hatten wir moglicherweise zwei der drei Soldaten das Leben gerettet.«

»Okay«, erwiderte Iris. »Ich glaube, das kann man akzeptieren. Aber wenn bis morgen abend kein anderer die Story gebracht hat, wurde ich vorschlagen, da? wir noch mal druber reden.«

»Einverstanden«, sagte Owens, und damit war die Diskussion beendet.

Aber wegen der Bedeutung der Information beschlo? Partridge, seine Entscheidung auch Les Chippingham und Chuck Insen mitzuteilen.

Der Prasident von CBA News, der Partridge in seinem holzgetafelten Buro empfing, nickte nur, als er es erfuhr. »Du bist derjenige, der in der Spezialeinheit die Entscheidungen trifft, Harry. Wenn wir deinem Urteil nicht trauen wurden, hatten wir dir diese Aufgabe ja nicht ubertragen. Aber trotzdem danke, da? du es mir gesagt hast.«

Der Studioleiter der National Evening News sa? in seinen Chefsessel am Hufeisen. Beim Zuhoren leuchteten Insens Augen auf. Am Ende nickte er. »Sehr interessant, Harry. Ausgezeichnete Arbeit. Sobald du es uns gibst, bringen wir es als Aufmacher. Auf keinen Fall vorher.«

Partridge hatte nun wieder Zeit, seine Telefonaktion fortzusetzen, und er ging dazu in sein provisorisches Buro.

Wieder nahm er sich das blaue Buch mit den Namen und Telefonnummern vor, aber im Gegensatz zur Woche zuvor, als er vorwiegend innerhalb der Vereinigten Staaten herumtelefonierte, versuchte er nun, seine Kontakte in Kolumbien und den Nachbarstaaten - Venezuela, Brasilien, Ecuador, Panama und Peru - sowie in Nicaragua zu erreichen. In all diesen Landern, aus denen er schon haufig fur CBA News berichtet hatte, kannte er Leute, die ihm weiterhelfen konnten.

Im Gegensatz zur Vorwoche hatte er nun auch eine konkrete Spur, und aus der ergab sich eine zweiteilige Frage: Kennen Sie einen Terroristen namens Ulises Rodriguez, und wenn ja, wissen Sie, wo er sich aufhalt oder was er tut?

Obwohl am Freitag bereits Owen mit Partnern in Lateinamerika telefoniert hatte, gab es, soweit Partridge wu?te, keine Uberschneidungen - was auch gar nicht uberraschend war, da Produzenten und Korrespondenten jeweils ihre eigenen Kontakte pflegten und sie fur sich behielten.

Die Antworten, die Partridge auf seine Fragen erhielt, lauteten bei der ersten fast durchgehend »Ja«, und bei der zweiten »Nein«. Wie auch Owen schon berichtet hatte, war Rodriguez offensichtlich vor drei Monaten verschwunden, und seitdem fehlte von ihm jede Spur. Ein interessanter Aspekt ergab sich jedoch aus Partridges Unterhaltung mit einem alten Freund in Kolumbien, einem Radioreporter aus Bogota.

»Wo er auch ist«, sagte der Reporter, »ich wurde meine Hand dafur ins Feuer legen, da? er sich nicht in Kolumbien aufhalt. Immerhin ist er Kolumbianer, und obwohl die Behorden ihn nicht zu fassen kriegen, ist er zu gut bekannt, um sich langer hier aufhalten zu konnen, ohne bemerkt zu werden. Ich mochte wetten, da? er nicht hier ist.« Die Schlu?folgerung klang durchaus sinnvoll.

Ein Land, das Partridge politisch suspekt war, war Nicaragua, dessen Sandinistenregime beruchtigt war fur seine Verschlagenheit und sein tyrannisches Gebahren, und das au?erdem den Vereinigen Staaten feindlich gegenuberstand. Konnte das Regime in irgendeiner Form mit dieser Entfuhrung zu tun haben, weil es hoffte, damit Vorteile zu gewinnen? Die Frage ergab keinen rechten Sinn, wie so vieles bei dieser Geschichte. Doch nach einem halben Dutzend Anrufen nach Managua, der Hauptstadt des Landes, hatte Partridge Gewi?heit: Seine Kontakte bestatigten ubereinstimmend, da? Ulises Rodriguez sich nicht in Nicaragua aufhielt und auch in der Vergangenheit nicht dort gewesen war.

Als nachstes kam Peru an die Reihe. Partridge fuhrte verschiedene Gesprache, von denen ihn eins besonders beschaftigte.

Er hatte mit seinem alten Bekannten Manuel Leon Seminario gesprochen, dem Besitzer und Herausgeber des in Lima erscheinenden Wochenmagazins Escena.

Nachdem Partridge seinen Namen genannt hatte, kam Seminario sofort ans Telefon. Er begru?te ihn in perfektem Englisch, und Partridge sah seinen Gesprachspartner im Geiste vor sich: schlank und elegant, in einem modischen, makellosen Anzug. »Aber mein lieber Harry! Wie schon, von dir zu horen. Wo bist du denn? Ich hoffe doch, in Lima.«

Als Seminario erfuhr, da? der Anruf aus New York kam, klang er enttauscht. »Einen Augenblick lang habe ich gehofft, wir beide konnten uns morgen im La Pizzeria zum Mittagessen treffen. Ich versichere dir, das Essen dort ist so gut wie eh und je. Warum setzt du dich nicht einfach in ein Flugzeug und kommst ruber?«

»Ich wurde ja gern, Manuel. Aber leider stecke ich bis zu den Ohren in einer sehr wichtigen Arbeit.« Partridge erzahlte ihm von der Spezialeinheit, die sich mit der Sloane-Entfuhrung beschaftigte.

»Mein Gott! Ich hatte wissen mussen, da? du damit zu tun hast. Eine entsetzliche Sache. Wir haben die Geschichte sehr genau verfolgt und bringen nachste Woche eine ganze Seite daruber. Gibt es etwas Neues, das wir noch hinzufugen sollten?«

»Es gibt wirklich etwas Neues«, antwortete Partridge, »und das ist der Grund meines Anrufs. Aber wir halten es im Augenblick noch geheim, und ich ware dir dankbar, wenn du unser Gesprach vertraulich behandelst.«

»Nun gut...«, die Antwort war vorsichtig formuliert, »solange es keine Information ist, die wir schon besitzen.«

»Wenn es das nicht ist, Manuel, kann ich mich dann auf dich verlassen?«

»Ja.«

»Wir haben Grund zu der Annahme, da? Ulises Rodriguez in die Sache verwickelt ist.«

Es entstand ein kurzes Schweigen, bevor Seminario antwortete. »Du sprichst von sehr schlechter Gesellschaft. Dieser Mann ist bei uns absolut gefurchtet.«

»Warum gefurchtet?«

»Er steht im Verdacht, der Drahtzieher hinter all den Entfuhrungen zu sein, die es bei uns gegeben hat. Angeblich pendelt er fur seine verschiedenen Auftraggeber hier bei uns zwischen Peru und Kolumbien hin und her. Unsere kriminellrevolutionaren Elemente bedienen sich haufig solcher Mittel. Du wei?t sicher, da? Entfuhrungen in Peru an der Tagesordnung sind. Wohlhabende Geschaftsleute und ihre Familien sind bevorzugte Ziele. Viele von ihnen beschaftigen Leibwachter und fahren gepanzerte Autos, weil sie hoffen, sich auf diese Weise schutzen zu konnen.«

»Ich habe schon davon gehort«, erwiderte Partridge, »aber ich hatte es, ehrlich gesagt, vergessen.«

Seminario seufzte horbar. »Da bist du nicht alleine, mein Freund. Die westliche Presse beschaftigt sich, hoflich ausgedruckt, nur sehr sporadisch mit Peru. Und was deine Fernsehnachrichten betrifft, fur die existieren wir praktisch gar nicht.«

Partridge mu?te ihm recht geben. Er wu?te nicht, warum, aber die Amerikaner schienen an Peru weniger

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