Viele der jungen Leute standen nun auf und kamen vor, um Sloane die Hand zu schutteln und ihm ihr aufrichtiges Mitgefuhl auszudrucken; und Teddy Cooper entdeckte unter ihnen einige mit tranenfeuchten Augen. Nach einer Weile verabschiedete sich Sloane und ging so unauffallig, wie er gekommen war. Partridge, der ebenfalls Hande geschuttelt und mit einigen Hilfskraften gesprochen hatte, begleitete ihn.
Danach nahm Cooper seine Einfuhrung wieder auf. Als er die Gruppe zu Fragen ermunterte, schnellten sofort einige Hande hoch. Ein junger Mann in einem Sweatshirt der New York University war der erste. »Angenommen, einer von uns findet eine Anzeige, die diesen Kriterien entspricht, und es ist vielleicht das Objekt, das wir suchen. Was passiert dann?«
»Zuerst«, antwortete Cooper, »finden wir heraus, wer die Anzeige aufgegeben hat. Normalerweise steht ein Name bei der Anzeige, den gebt ihr uns dann einfach durch. Wenn kein Name angegeben ist, sondern nur eine Chiffrenummer, mu?t ihr versuchen, in der Redaktion Naheres zu erfahren. Falls die nicht mit dem Namen herausrucken wollen, werden wir uns darum kummern.«
»Und danach?«
»Wenn es moglich ist, rufen wir den Auftraggeber an und stellen ihm einige Fragen. Wenn nicht, besuchen wir ihn. Und wenn dann die Spur immer noch hei? ist, sehen wir uns das Objekt an - naturlich mit der gebotenen Vorsicht.«
»Sie reden immer von >wir<.« Eine attraktive junge Frau in einem modischen beigen Kostum war nun an der Reihe. »Hei?t das Sie und die anderen hohen Tiere, oder sind ein paar von uns auch mit dabei, wenn die Sache wirklich interessant wird?«
In das entstehende Gelachter stimmte Teddy Cooper mit ein.
»Zunachst einmal«, erwiderte er, »bin ich nur ein kleines Tier, schreibt euch das mal hinter die Ohren.« (Noch mehr Lachen.) »Aber eins kann ich euch versprechen: Soweit wir das konnen, beziehen wir euch in alle neuen Entwicklungen mit ein, vor allem diejenigen, die mit ihrer Entdeckung dazu beigetragen haben. Nicht zuletzt deshalb, weil wir euch brauchen. Wir sind etwas knapp an Leuten, und wenn wir wirklich eine Spur haben, ist es durchaus wahrscheinlich, da? auch einige von euch darauf angesetzt werden.«
»Und wenn's soweit ist«, wollte eine hubsche Rothaarige wissen, »sind dann auch Kamerateams mit dabei?«
»Sie meinen, ob Sie dann auch vor der Kamera stehen durfen?«
Sie lachelte. »So was in der Richtung.«
»Das ist nicht meine Entscheidung, aber ich wurde sagen, es ist durchaus moglich.«
Als keine Fragen mehr kamen, schlo? Cooper noch einige Uberlegungen an, die ihn in der vergangenen Nacht beschaftigt hatten, uber die er aber noch mit niemandem gesprochen hatte.
»Neben dieser Suche nach der Anzeige mochte ich noch etwas anderes von euch: Wenn ihr schon die Ausgaben der letzten drei Monate vor euch liegen habt, konnt ihr sie auch gleich ganz durchblattern und auf alles Ungewohnliche achten.
Fragt mich nicht, was das sein konnte, denn ich habe selber keine Ahnung. Aber verge?t eins nicht: Diese Entfuhrer, die wir suchen, waren mindestens einen, vielleicht sogar zwei Monate in dieser Gegend. In dieser Zeit haben sie trotz au?erster Vorsicht bestimmt irgendwelche Spuren hinterlassen. Und vielleicht ist eine solche Kleinigkeit irgendwie an die Presse gelangt.«
»Klingt aber ziemlich unwahrscheinlich«, meinte jemand.
Teddy Cooper nickte zustimmend. »Ich wurde sagen, die Chancen stehen eins zu zehntausend, da? irgendwas in die Zeitung gekommen ist, und da? einer von euch die Information dann auch wirklich findet, ist ahnlich unwahrscheinlich. Es stimmt schon, eine gro?e Chance haben wir nicht. Aber verge?t nicht, da? es beim Lotto auch immer einen Gewinner gibt, und da stehen die Chancen eins zu ein paar Millionen.
Ich kann euch nur eins sagen:
Cooper war nicht wenig uberrascht, als die jungen Leute nach seiner Ansprache aufstanden und klatschten.
Schon fruher an diesem Morgen, gleich mit Beginn der Geschaftszeit, hatte Harry Partridge einen seiner Kontaktmanner, namlich den Anwalt angerufen. Die Reaktion des Mannes war nicht eben herzlich. »Ach, Sie sind es. Ich habe Ihnen doch am Freitag gesagt, da? ich mich diskret umhoren werde. Das habe ich auch bereits zweimal getan, aber ohne jedes Ergebnis. Ich kann es ganz und gar nicht gebrauchen, da? Sie mir dauernd im Nacken sitzen.«
»Es tut mir leid, wenn ich...«, begann Partridge, doch der andere horte nicht zu.
»Ist euch Journalistenschnufflern eigentlich nie bewu?t, da? ich bei so einer Sache Kopf und Kragen riskiere? Die Leute, mit denen ich es zu tun habe, meine Klienten, vertrauen mir, und ich will, da? das auch so bleibt. Und ich wei? auch, da? diese Leute sich einen Dreck um die Probleme anderer kummern, und dazu gehort auch Ihres und Crawford Sloanes, egal fur wie schlimm Sie es halten.«
»Das verstehe ich ja«, entgegnete Partridge. »Aber hier geht es um eine Entfuhrung, und... «
»Schweigen Sie und horen Sie zu. Wie ich Ihnen schon gesagt habe, bin ich sicher, da? keiner der Leute, die ich vertrete, in irgendeiner Form in die Entfuhrung verwickelt ist. Ich habe zugegeben, da? ich Ihnen etwas schuldig bin, und versprochen, mein moglichstes zu tun, um etwas herauszufinden. Aber erstens laufe ich bei dieser Sache uber ein Minenfeld und zweitens mu? ich die Leute davon uberzeugen, da? es fur sie von Vorteil ist, wenn sie mir erzahlen, was sie wissen oder gehort haben.«
»Horen Sie, ich sagte doch, da? es mir leid tut, wenn...«
Doch der Anwalt lie? sich nicht unterbrechen. »So was kann man nicht ubers Knie brechen. Verstanden?«
Partridge seufzte innerlich und sagte: »Verstanden.«
Der Anwalt ma?igte seinen Ton ein wenig. »Geben Sie mir noch ein paar Tage. Aber rufen Sie mich nicht an, ich rufe Sie an.«
Beim Auflegen dachte Partridge, da? man Kontaktleute, auch wenn sie einem nutzlich sein konnten, nicht unbedingt mogen mu?te.
Vor seiner Ankunft in der Zentrale von CBA News an diesem Morgen hatte Partridge in der Frage, ob er die Beteiligung des kolumbianischen Terroristen an der Sloane-Entfuhrung in den Abendnachrichten bringen sollte oder nicht, eine Entscheidung getroffen.
Er hatte beschlossen, die Information fur den Augenblick noch zuruckzuhalten.
Nach seinem Besuch bei Coopers Truppe machte er sich auf die Suche nach seinen Kollegen von der Spezialeinheit, um sie zu informieren. Im Konferenzraum fand er Owens und Iris Everly und erlauterte ihnen seine Entscheidung.
»Seht mal, im Augenblick ist Rodriguez die einzige Spur, die wir haben, und er wei? nicht, da? wir sie haben. Wenn wir damit auf Sendung gehen, besteht die Gefahr, da? auch Rodriguez davon erfahrt, und dann haben wir einen Trumpf aus der Hand gegeben.«
»Ist das wirklich so wichtig?« fragte Owens zweifelnd.
»Ich glaube schon. Alles deutet darauf hin, da? Rodriguez verdeckt agiert, und wir wurden ihn mit einer Veroffentlichung nur noch weiter in die Deckung treiben. Ich brauch' euch wohl nicht zu sagen, was das fur unsere Chancen, ihn und damit die Sloanes zu finden, bedeuten wurde.«
»Das sehe ich ja alles ein«, gab Iris zu. »Aber glaubst du wirklich, Harry, da? eine brandhei?e Nachricht wie diese, die schon mindestens ein Dutzend Leute kennen, so lange geheim bleibt, wie es uns pa?t? Vergi? nicht, da? jeder Sender, jede Zeitung und jede Presseagentur ihre besten Leute auf diese Geschichte angesetzt hat. Ich geb' dir hochstens vierundzwanzig Stunden, und dann wei? es die ganze Welt.«
Rita Abrams und Norman Jaeger waren nun ebenfalls dazugekommen und horten zu.
»Vielleicht behaltst du recht«, sagte Partridge zu Iris, »aber ich glaube, wir sollten dieses Risiko eingehen.« Dann fugte er hinzu: »Ich will ja nicht sentimental werden, aber ich glaube, wir sollten ab und zu daran denken, da? die Nachrichten, die wir produzieren, nicht das Ein und Alles sind. Wenn Berichterstattung Leben und Freiheit von Menschen gefahrdet, dann mussen die Nachrichten zuruckstehen.«
»Auch ich spiel' nicht gern den Moralapostel«, warf Jaeger ein. »Aber in dem Punkt stimme ich mit Harry uberein.«
