Hauksberg gehorchte, die Hande gegen den Magen gepre?t. „Sie sind verruckt“, keuchte er. „Glauben Sie wirklich, Sie konnten entkommen?“
„Ich werde es versuchen. Sie gehen mit. Wenn es Arger gibt, schie?e ich mir den Weg frei, und Sie werden als erster dran glauben mussen. Ist das klar?“
Hauksberg sah ihn kopfschuttelnd an. Dann kam Persis in einem feuerroten Kleid herein und nickte ihm zu. „Gehen wir“, sagte er. „Sie zuerst, Graf. Ich einen Schritt hinter Ihnen, wie es sich gehort. Persis, du gehst neben ihm. Beobachte sein Gesicht. Vielleicht versucht er Zeichen zu geben. Wenn er verdachtige Grimassen schneidet, sag es mir, und ich tote ihn.“
„Nein. Nein, das kannst du nicht tun!“ Ihre Lippen zitterten.
„Er hatte mich auch getotet. Wir mussen hier 'raus, und was wir treiben, ist kein Gesellschaftsspiel. Wenn er sich ruhig verhalt, wird er vielleicht am Leben bleiben. Marsch.“
Flandry hatte Gluck. Nur in der Eingangshalle standen ein paar Botschaftsangestellte und gru?ten Hauksberg, ohne sich weiter um sie zu kummern. Der Park empfing sie mit kuhler Nachtluft. Flandry ware am liebsten gerannt. Auf dem Landeplatz wartete Abrams' Maschine. Flandry ging hinter Persis und Hauksberg an Bord, verriegelte die Tur und schaltete Licht ein. „Persis, bring ein Handtuch. Graf Hauksberg, wenn wir angerufen werden, sagen Sie, da? wir zu unserem Schiff unterwegs seien, um Material zu holen, das wir Brechdan im Zusammenhang mit diesem Spionagefall vorlegen wollen.“
„Und Sie glauben, die Merseier werden das schlucken?“
„Warum nicht? Fur ihre Begriffe ist es selbstverstandlich, da? ein Mann von Rang und Adel selbstandig handelt, ohne sich zuvor von zehn verschiedenen Stellen Erlaubnis dazu geben zu lassen. Und wenn sie uns nicht glauben, werde ich den Autopiloten lahmlegen und einen von ihren Patrouillenfliegern rammen. Tun Sie also, was ich Ihnen sage.“ Persis reichte ihm das Handtuch. „Ich werde Ihnen die Hande binden. Wenn Sie nicht auf mein Spiel eingehen, sind Sie ein toter Mann.“
Seine Augen blitzten; jetzt wu?te er, was Macht war und wie ihr Mechanismus funktionierte. Man mu?te die Initiative behalten, durfte den Druck nicht fur eine Sekunde lockern. Hauksberg setzte sich und schwieg.
„Du wirst ihm nichts tun, Nicky?“ bettelte Persis.
„Nicht, wenn ich es vermeiden kann“, murmelte Flandry. „Wir haben schon so Arger genug.“ Er lie? die Maschine starten.
Eine Minute spater summte es im Empfanger, und aus dem Bildschirm blickte ein uniformierter Merseier. „Halt!“ sagte er. „Sicherheitsdienst. Ihr Start ist nicht genehmigt.“
Flandry stie? Hauksberg an. Der Graf sagte: „Ah… wir mussen zu meinem Schiff…“ Kein Mensch hatte eine so lahme Erklarung angenommen. Auch ein mit den Feinheiten menschlichen Verhaltens vertrauter Merseier hatte es nicht getan. Aber dies war nur ein Offizier der Sicherheitsbehorde, der gerade Nachtdienst hatte.
„Ich werde mich erkundigen“, sagte das grune Gesicht.
„Verstehen Sie nicht?“ sagte Hauksberg. „Ich bin Diplomat. Lassen Sie uns eskortieren, wenn Sie wollen, aber Sie haben nicht das Recht, uns zuruckzuhalten. Machen Sie weiter, Pilot.“
Die Maschine stieg. Ardaig blieb unter ihnen zuruck, ein glitzerndes Spinnennetz zuerst, dann nur noch ein Lichtpunkt. Flandry schaltete die Radaranlage ein und bemerkte zwei Flugobjekte, die sich aus verschiedenen Richtungen von achtern naherten. Es waren kleinere Maschinen, aber er wu?te, da? sie bewaffnet waren.
Ardaig kam au?er Sicht. Berge und Hochebenen schimmerten im Mondlicht, Wolkenfelder schoben sich vom Ozean heran. Das Pfeifen der Luft an Tragflachen und Rumpf wurde dunner und horte auf.
Wieder summte es im Empfanger. „Sie konnen fur eine begrenzte Zeit an Bord Ihres Schiffes gehen“, sagte der Merseier, „vorausgesetzt, unsere Sicherheitsbeamten begleiten Sie.“
„Tut mir leid“, antwortete Hauksberg, „aber das ist unmoglich. Ich hole Material, das nur fur Premierminister Brechdans Augen bestimmt ist. Ihre Leute sind mir willkommen, sobald ich mich auf den Ruckweg mache. Sie konnen mich dann direkt zum Schlo? Afon begleiten.“
„Ich werde meine Vorgesetzten unterrichten und Sie von ihrer Entscheidung benachrichtigen.“ Das Gerat wurde dunkel. Hauksberg lachte kurz und humorlos. „Ich vermute, Sie wollen mit einem der Beiboote fluchten“, sagte er. „Sie werden nicht weit kommen, dann wird man Sie einholen.“
„Nicht, wenn ich sofort auf Hochstgeschwindigkeit gehe.“
„Das konnen Sie nicht machen. Sie wissen selbst, wie hoch die Konzentration von Materie so nahe bei einer Sonne ist. Ein daumengro?er Meteorit, und Ihre Reise ist zu Ende.“
„Das Risiko nehme ich auf mich.“
„Erst nach einem Lichtjahr kommen Sie aus dem Wahrnehmungsbereich heraus. Ein schnelleres Schiff wird Sie einholen und zur Strecke bringen.“
„Sie werden nicht dabei sein, und um mich brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.“
Die Minuten vergingen. Flandry merkte es kaum, als der Anruf kam, da? Hauksberg und seine Begleiter allein an Bord des Schiffes gehen durften. Die Erlaubnis war fur die Merseier risikolos. Die ›Dronning Margrete‹ war unbewaffnet und leer. Zwei oder drei Manner konnten sie erst in stundenlanger Arbeit startklar machen, und so erschien ein Fluchtversuch unwahrscheinlich. Hauksberg mu?te es ehrlich meinen.
Der riesige Zylinder schwamm in Sicht. Flandry gab Signale an die Bordanlagen. Ein Schleusentor offnete sich weit. Die Instrumente ubernahmen selbsttatig den Rest des Rendezvousmanovers; die Maschine glitt durch die Offnung, das Schleusentor schlo? sich und Luft stromte zischend ein. Flandry stellte die Triebwerke ab und stand auf. „Ich werde Sie fesseln mussen“, erklarte er. „Man wird Sie finden.“
„Ich warne Sie. Sie werden ein Geachteter sein und uberall im Imperium verfolgt werden. Ich habe nicht die Absicht, meine Hande in den Scho? zu legen und abzuwarten, bis Sie Ihre wahnwitzigen Vorhaben ausgefuhrt haben. Nach allem, was geschehen ist, kann ich Ihren und Abrams hochverraterischen Umtrieben nur durch uneingeschrankte Zusammenarbeit mit den Merseiern einen Riegel vorschieben.“
Flandry tastete nach der Strahlpistole, und Hauksberg nickte. „Wenn Sie mich toten, konnen Sie die Sache ein wenig verschieben.“
Flandry starrte ihn einen Moment duster und unschlussig an, dann schuttelte er den Kopf und machte sich daran, Hauksberg zu fesseln.
Ein paar Minuten spater verlie? er mit Persis die Maschine. Im Laufschritt eilten sie durch menschenleere, hallende Korridore. Nur die Notbeleuchtungen waren eingeschaltet. Bald hatten sie eine andere Schleusenkammer erreicht. Vor ihnen erhob sich der mattschimmernde schlanke Rumpf eines gro?en Beibootes, uber sechs Meter hoch und fast funfundzwanzig Meter lang. Flandry kannte das Modell; es war ein schnelles und vielseitiges Schiff, mit Treibstoff und Vorraten fur eine Reise von mehreren hundert Parsek versorgt. Zwar konnte es mit einem Kriegsschiff nicht Schritt halten, aber eine Jagd im Weltraum ist eine lange Jagd, und Flandry hatte bereits einige abenteuerliche Uberlegungen fur den Fall angestellt, da? sie von einem feindlichen Kriegsschiff verfolgt wurden.
Er begann eine hastige Uberprufung der Bordanlagen. In der Kommandozentrale achtern fand er Persis, die im Sitz des Kopiloten Platz genommen hatte. „Store ich dich?“ fragte sie schuchtern.
„Im Gegenteil“, sagte er. „Aber sei still, bis wir die Hochstgeschwindigkeit erreicht haben.“
Sie nickte. „Ich bin keine vollige Null, Nicky, wenn du mich auch fur eine Luxuspuppe haltst. Man lernt sich durchzuschlagen, wenn man lange Jahre als schlechtbezahlte Tanzerin gearbeitet hat. Aber dies ist das erste Mal, da? ich etwas nicht fur mich selbst tue. Und das ist ein gutes Gefuhl.“
Er strich ihr ubers dunkle Haar und uber die glatte Wange, bis seine Finger unter ihr Kinn kamen. „Ich danke dir“, murmelte er und ku?te sie. „Mehr als ich sagen kann. Ich habe dies hauptsachlich fur Max Abrams getan. Es ware kalt und traurig gewesen, hatte ich diesen Flug allein machen mussen. Nun kann ich fur dich leben.“
Er setzte sich. Auf seinen Knopfdruck erwachte die Maschine.
13
Saxo strahlte wei? und hell, aber sie war noch immer so fern, da? sie von anderen Sonnen uberstrahlt wurde. Am hellsten stand Beteigeuze am Himmel, der Riesenstern. Flandrys Blick blieb an ihm hangen. So sa? er minutenlang, das Kinn in die Hand gestutzt und grubelnd, und nur das Summen der Maschinen und Ventilatoren war horbar.