Dragoika gab der Frau am Steuerruder einen Befehl, und die „Archer“ drehte sich schwerfallig. Segel klatschten gegen die Masten, dann hatte die Mannschaft die Schoten festgelegt, und der Wind blahte wieder die gelbe Leinwand. Flandry bemuhte sich, das Manover zu kompensieren. Das feindliche Gescho? verfehlte die Deckaufbauten, aber es traf mittschiffs die Bordwand und hullte die Steuerbordseite in Flammen und Rauch. Flandry zog die Rei?leine, und sein Geschutz brullte auf. Doch der Seegang machte genaues Zielen unmoglich, und eine Wasserfontane markierte den Einschlag funfzig Meter hinter dem Ziel. Er lud nach und feuerte noch einmal. Diesmal traf die Granate einen der Zugfische; das machtige Tier sprang aus dem Wasser und fiel aufklatschend zuruck. Die drei anderen drehten ihre hellen Bauche nach oben und begannen zu treiben.

Der gro?te Teil der Mannschaft hatte die Waffen weggelegt und bekampfte das Feuer. Es war nur eine Handpumpe an Bord, und so befestigte man in fliegender Hast Seile an den verfugbaren Eimern und warf sie uber die Reling, um Wasser heraufzuholen.

Eine Stimme brullte durch den Larm aus Geschrei, Feuergeprassel, Wellenschlag und Wind. Der Feind kam uber die Backbordreling.

Die Meeresbewohner mu?ten an den Netzen heraufgeklettert sein. Sie trugen Ausrustungen der Merseier, die sie in die Lage versetzten, an Land zu gehen. Wassergefullte Helme verbargen die stumpfen Kopfe, schwarze anliegende Anzuge bedeckten ihre walzenformigen Korper. Auf den Rucken trugen sie Gestelle mit Sauerstoffflaschen, Batterien und Umwalzpumpen. In die Anzuge schienen Stutzvorrichtungen eingebaut zu sein, denn sie konnten auf ihren zu Schwanzflossen entwickelten Beinen stehen und gehen. Sie watschelten wie betrunkene Riesen uber das Deck, mit Speeren und Axten und ein paar wasserdichten Maschinenpistolen bewaffnet. Zehn von ihnen hatten die Reling bereits uberklettert.

Eine Gewehrkugel sang durch die Luft. Eine Maschinenpistole eroffnete ratternd das Feuer. Mehrere Getigerte brachen zusammen. Flandry sah, da? ihr Blut rot war. Dragoika schleuderte ihren Vierzack vom Achterdeck, und einer der Schutzen fiel, die Waffe in der Brust. Er versuchte den Schaft zu fassen und sich den Speer aus dem Fleisch zu ziehen. Gewehre krachten, Maschinenpistolen ratterten ihre Feuersto?e, dann kam es zum Nahkampf, Schwert gegen Axt, Pike gegen Spie?, ein einziges Scharren, Grunzen, Schreien. Die Feuerloscher rannten zu ihren Waffen. Dragoika trommelte sie zuruck. Flandry stand hilflos bei seiner Kanone; er war unbewaffnet, konnte nichts tun. Aber er sah, da? hinter dem scheinbar chaotischen Getummel ein Plan war. Die Meeresbewohner versuchten an den Feuerloschtrupp heranzukommen und ihn niederzumachen, damit das Schiff brennen konnte. Die bewaffneten Verteidiger suchten sie daran zu hindern.

Die verirrte Kugel eines im Achteraufbau versteckten Gewehrschutzen fuhr unmittelbar vor Flandry splitternd in die Decksplanken. Mit einem erschrockenen Satz brachte er sich hinter das Geschutz in Sicherheit. Was sollte er tun? Er wollte, durfte nicht sterben. Er war Dominic Flandry, der noch ein Leben vor sich hatte. Zwar waren die Eindringlinge in der Minderzahl, aber wenn sie so weitermachten, geriet das Feuer au?er Kontrolle, und dann ware es um ihn geschehen.

Er sprang los und rannte uber das Deck zum Achterschiff. Ein axtbewehrter Seetroll schlug nach ihm, aber er konnte ausweichen und lief weiter.

Die Tur zur Kapitanskajute unter dem Achteraufbau stand offen, und er sturzte hinein. Sonnenlicht fiel schrag durch die ovalen Bullaugen und wanderte mit dem Rollen und Stampfen des Schiffes uber die barbarische Inneneinrichtung. Flandry sah gewebte Tapeten, einen primitiven Sextanten, auf Pergament gezeichnete Seekarten und Navigationstabellen, bevor sein Blick auf Dragoikas Schwert fiel, das sie in der Eile zuruckgelassen hatte. Er raffte es an sich, ri? die Klinge aus der Scheide und sturzte sich auf den erstbesten Schutzen. Der Seetroll lag mit seiner Maschinenpistole hinter einer Taurolle; er horte Flandrys Schritte und drehte unbeholfen den Kopf. Flandry schlug zu. Die Klinge glitt vom Helm ab, doch sie traf die Maschinenpistole und schlug sie dem Wesen aus der Hand. Er rannte weiter und hieb einem anderen Eindringling das Schwert in den dicken Nacken. Seine Kampfgefahrten, durch den unerwarteten Angriff in ihrem Rucken verwirrt, gerieten in Panik. Drei oder vier sprangen uber Bord, die anderen wurden uberwaltigt. Der Kampf war vorbei, und nach einer weiteren Viertelstunde harter Arbeit hatten sie auch das Feuer geloscht.

4

Das Hauptquartier war das gro?te Gebaude in Highport, weil es eine Anzahl Gastezimmer und einen Kinosaal im zweiten Obergescho? hatte. Die Wache am Eingang hielt den gegen das Schneetreiben bis zur Nase vermummten Flandry auf, lie? ihn aber sofort passieren. Die Eingangshalle war geheizt! Eine Menge bewaffneter Soldaten stand herum. Flandry fragte sich, warum man ihn gerufen hatte. Unbehaglich stieg er die Treppe hinauf, gab seinen Mantel ab und betrat nach einem letzten prufenden Blick in den Spiegel die Offiziersmesse, einen gro?en Raum mit behaglichen Sesseln. Hinter einem langen Tisch, auf dem ein kaltes Bufett angerichtet war, standen zwei Diener. Drei weitere zirkulierten mit Tabletts, Flaschen und Glasern. Zehn oder zwolf Manner standen in Gruppen beisammen, die Offiziere des Stutzpunkts in Ausgehuniformen, Hauksberg und sein Stab in elegantem Zivil. Nur ein Madchen war zu sehen, doch Flandrys Nervositat war so gro?, da? er keine Enttauschung fuhlte. Zu seiner Erleichterung machte er Abrams' massige Gestalt aus und steuerte auf ihn zu.

„Ah, unser tapferer Fahnrich!“ Ein blonder Mann stellte sein Glas weg und betrachtete ihn interessiert. „Willkommen. Mein Name ist Hauksberg.“

Flandry salutierte stramm. „Nichts da, lassen Sie das.“ Hauksberg machte eine nachlassige Geste. „Heute abend wollen wir Rang und Zeremoniell vergessen. Ich hasse diese Formlichkeit.“

Flandrys Vorgesetzte gru?ten ihn mit mehr Interesse als bisher, wie sie sahen, da? Graf Hauksberg ihn am Ellbogen gefa?t hatte und sich personlich der Muhe unterzog, ihn seinem Gefolge vorzustellen.

„… und hier Persis d'Io, meine Konkubine.“

„Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Fahnrich“, sagte sie, als sei es ihr Ernst. Flandry errotete. Die Natur hatte dieses Madchen fast so uppig ausgestattet wie Dragoika, und ihr metallisch schimmerndes, anliegendes Kleid betonte ihre Formen. Unter ihrer Kehle funkelte ein platingefa?ter Rubin. Das aufgesteckte schwarze Haar schmuckte ein Perlendiadem. Ihre ungewohnlich lebhaften Zuge mit den gro?en grungrauen Augen, dem vollen Mund und der feinen Nase faszinierten den Fahnrich. „Bitte nehmen Sie sich ein Glas“, sagte sie. „Rauchen Sie? Sie werden uns viel erzahlen mussen.“

„Ah… hum…“ Flandry bohrte verlegen seine Stiefelspitze in den Teppich. Die Hand, mit der er das angebotene Weinglas annahm, war feucht. „Da gibt es nicht viel zu erzahlen, gnadiges Fraulein. Viele Manner haben aufregendere Dinge erlebt.“

„Aber wohl kaum so romantische“, sagte Hauksberg. „Eine Segelfahrt mit einem Piratenschiff et cetera.“

„Das sind keine Piraten“, platzte Flandry heraus. „Kaufleute… Entschuldigen Sie.“

Hauksberg musterte ihn. „Sie schatzen diese Einheimischen, wie?“

„Jawohl. Sehr.“ Er richtete seine Augen auf Hauksberg, was ihn bemerkenswerte Uberwindung kostete. „Bevor ich diese Leute besser kennenlernte, betrachtete ich meinen Aufenthalt hier als Pflicht. Nun mochte ich ihnen helfen.“

„Lobenswert. Doch auch die Meeresbewohner sind Einheimische. Und auch sie sind denkende, empfindende Wesen, genauso die Merseier. Ein Jammer, da? alle sich in den Haaren liegen.“

Flandrys Ohren brannten. Abrams sprach aus, was er sich nicht zu sagen traute: „Diese Wesen haben ihr moglichstes getan, um unseren Fahnrich zu toten, Exzellenz.“

„Und nachdem er zuruckgekehrt war und Meldung gemacht hatte, wurde ein Vergeltungsangriff unternommen“, erwiderte Hauksberg scharf. „Drei Merseier wurden dabei getotet, dazu einer der Unsrigen. Zur gleichen Zeit wurde ich von Kommandant Runei zu einem Gesprach empfangen. Sehr schlechte Koordination, das. Au?erst peinlich.“

„Ich zweifle nicht daran, da? Runei den Vertreter des Herrschers auch danach mit Zuvorkommenheit behandelt hat“, sagte Abrams. Eine leichte Rote war ihm ins Gesicht gestiegen. „Er ist ein charmanter Halunke, wenn er will. Aber unsere mehrfach offentlich verkundete Politik ist, jeden Angriff auf unsere Mission und ihre Angehorigen mit einem Vergeltungsschlag zu beantworten. Offiziell handelt es sich um eine friedliche Mission. Wir sind als Ratgeber in einem Territorium, das von keiner der beiden Machte beansprucht wird. Ubergriffe gegen unser Personal konnen darum nicht ungeahndet bleiben.“

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