Schwachen? Langweilig! Genauso gut konnte man sagen, das Leben sei langweilig.«) Als das larmende Hufgeklapper verstummte, ging ich in den Hof, und der Reiter ubergab mir einen Brief, der das Siegel von Pompeius Magnus trug. Cicero offnete das Schreiben und stie? einen uberraschten Schrei aus. »Rom ist angegriffen worden!«, rief er laut, was sogar Pomponia dazu brachte, sich von ihrem Sofa zu erheben. Er las hastig weiter. Man habe die Kriegsflotte der Konsuln in ihrem Winterhafen in Ostia in Brand gesteckt. Zwei Pratoren, Sextilius und Bellinus, seien zusammen mit ihren Liktoren und ihrem Gefolge entfuhrt worden. Die Tater seien Seerauber, die nichts anderes im Sinn hatten, als Angst und Schrecken zu verbreiten. In Rom herrsche Panik, das Volk rufe nach Gegenma?nahmen. »Pompeius will, dass ich sofort zu ihm komme«, sagte Cicero. »Er hat fur ubermorgen auf seinem Landsitz einen Kriegsrat

KAPITEL XI

Wir lie?en die anderen in Arpinum zuruck und fuhren in einer zweiradrigen Kutsche (Cicero setzte sich nur dann auf ein Pferd, wenn es sich nicht vermeiden lie?), so schnell wir konnten, zuruck nach Tusculum und erreichten Ciceros Villa bei Sonnenuntergang des nachsten Tages. Pompeius' Anwesen lag nur funf Meilen entfernt in sudlicher Richtung auf der anderen Seite der Albaner Berge. Die faulen Haussklaven, die von der fruhen Ruckkehr ihres Herrn offensichtlich uberrascht worden waren, stoben auseinander, um das Haus in Ordnung zu bringen. Cicero nahm ein Bad und ging sofort zu Bett. Allerdings glaube ich nicht, dass er besonders gut schlief, denn mitten in der Nacht bildete ich mir ein, Gerausche aus der Bibliothek zu horen, und tatsachlich fand ich am nachsten Morgen Aristoteles' Nikomachische Ethik halb entrollt auf seinem Schreibpult. Aber Politiker sind unverwustlich. Als ich sein Zimmer betrat, war er schon angezogen, und es trieb ihn einzig die Frage um, was Pompeius vorhatte. Als es hell wurde, machten wir uns auf den Weg. Wir folgten der Stra?e, die um den Albaner See herumfuhrte, und als die ersten violetten Sonnenstrahlen uber die schneebedeckten Gipfel lugten, konnten wir die Silhouetten der Fischer sehen, die auf dem glitzernden See ihre Netze einholten. »Gibt es etwas Schoneres auf der Welt als Italien?«, murmelte Cicero und atmete tief ein. Er brauchte gar nicht auszusprechen, was er dachte, weil mir das Gleiche durch den Kopf ging: dass es eine Erleichterung war, der erdruckenden Schwermut Arpinunis entkommen zu sein und dass nichts die Lust am Leben so steigerte wie der Tod.

Wir bogen schlie?lich von der Stra?e ab und gelangten durch ein imposantes Tor auf eine lange, von Zypressen gesaumte Auffahrt aus wei?em Kiesel. In den architektonischen Garten zu beiden Seiten standen zahlreiche Marmorstatuen, die zweifellos Beutestucke des Generals aus seinen diversen Feldzugen waren. Gartner rechten das Winterlaub auf und beschnitten die Buchsbaumhecken. Das Anwesen verstromte eine Atmosphare unermesslichen, friedlichen und selbstbewussten Reichtums. Als Cicero mit festem Schritt das Haus betrat, flusterte er mir zu, dass ich immer dicht bei ihm bleiben solle, und so schlupfte ich, die Aktenmappe unter den Arm geklemmt, in seinem Schlepptau unauffallig mit ins Haus (nebenbei bemerkt, kann ich nur jedem raten, der nicht auffallen will, immer Schriftstucke mit sich zu fuhren: Sie machen den, der sie tragt, praktisch unsichtbar. Die Methode kann mit allem, was man aus der griechischen Mythologie kennt, locker mithalten.) Bei der Begru?ung seiner Gaste im Atrium gab Pompeius den vornehmen Landedelmann. Er war in Begleitung seiner dritten Frau Mucia, seines Sohnes Gnaeus, der damals etwa elf Jahre alt gewesen sein muss, und seiner Tochter Pompeia, die eben erst laufen gelernt hatte. Mucia war attraktiv, eine Frau wie eine Statue. Sie stammte aus dem Geschlecht der Metelli, war Ende zwanzig und augenscheinlich erneut schwanger. Wie ich spater herausfand, war eine von Pompeius' Eigenheiten, dass er seine Frauen - mit welcher auch immer er gerade verheiratet war - wirklich zu lieben schien. Mucia lachte bei unserem Eintreten uber irgendetwas, und als der Urheber der witzigen Bemerkung sich umdrehte, war es zu meiner Uberraschung Caesar. Ziemlich sicher war auch Cicero sehr uberrascht, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir nur das vertraute Trio aus Picenum zu Gesicht bekommen: Palicanus, Afranius und Gabinius. Au?erdem war Caesar seit uber einem Jahr Quastor in Spanien. Aber da stand er, geschmeidig und gut gebaut, die amusierten braunen Augen blickten aus seinem hageren, intelligenten Gesicht, und die dunnen dunklen Haarstrahnen waren mit au?erster Sorgfalt quer uber den sonnenverbrannten Schadel gekammt. (Aber was mache ich mir die Muhe, ihn zu beschreiben? Alle Welt wei?, wie er aussah.)

Insgesamt acht Senatoren waren an diesem Morgen anwesend: Pompeius, Cicero und Caesar; das schon erwahnte Trio aus Picenum; Pompeius' Hausintellektueller Varro, der damals etwa funfzig Jahre alt war; und Gaius Cornelius, der unter Pompeius als Quastor in Spanien gedient hatte und inzwischen wie Gabinius designierter Volkstribun war. Ich fiel nicht so auf, wie ich befurchtet hatte, denn viele der Hauptdarsteller hatten ebenfalls ihre Sekretare oder Aktentrager mitgebracht; wir standen alle ehrerbietig in einer Ecke zusammen. Nachdem man Erfrischungen aufgetragen hatte, die Kindermadchen ihre Schutzlinge abgeholt hatten und auch Mucia sich taktvoll von allen Gasten ihres Mannes - besonders ausgiebig von Caesar, wie mir auffiel - verabschiedet hatte, brachten die Haussklaven Stuhle fur die Senatoren herein. Ich wollte mich gerade mit den anderen Sekretaren zuruckziehen, als Cicero Pompeius vorschlug, ob ich als in Rom allseits bekannter Erfinder der neuen hervorragenden Kurzschriftmethode - exakt das waren seine Worte - nicht bleiben und Protokoll fuhren solle. Ich errotete, so verlegen war ich. Pompeius warf mir einen argwohnischen Blick zu, und ich war darauf gefasst, dass er ablehnen wurde, doch er zuckte nur mit den Achseln und sagte: »Na gut, das konnte ganz nutzlich sein. Aber er soll nur eine einzige Abschrift machen, und die verbleibt in meinen Handen. Sind damit alle einverstanden?« Alle murmelten ihre Zustimmung, worauf ein Hocker geholt wurde und ich mich mit aufgeklapptem Notizbuch und gezucktem Griffel in der schwei?nassen Hand in eine Ecke setzte.

Als alle auf den im Halbkreis aufgestellten Stuhlen Platz genommen hatten, erhob sich Pompeius. Wie schon erwahnt, war Pompeius vor gro?em Publikum kein guter Redner. Doch in vertrauter Umgebung, vor Menschen, die er als seine Leutnants betrachtete, strahlte er Kraft und Autoritat aus. Obwohl ich das wortgetreue Protokoll abgeben musste, kann ich mich an das meiste noch gut erinnern, da ich ja meine Kurzschriftnotizen immer in eine Endfassung zu ubertragen hatte, wobei mir gro?e Teile des Gesagten im Gedachtnis haften blieben. Pompeius begann seine Rede mit den neuesten Einzelheiten uber den Uberfall der Seerauber auf Ostia: Neunzehn Triremen aus der Kriegsflotte der Konsuln waren zerstort, ein paar hundert Mann getotet, die Getreidelager abgefackelt, zwei Pratoren in ihren Amtsroben -einer hatte die Kornspeicher, der andere die Flotte inspiziert - samt Liktoren und deren symbolischen Rutenbundeln und Beilen verschleppt. Die Losegeldforderung war gestern in Rom eingetroffen. »Ich fur meinen Teil«, sagte Pompeius, »glaube nicht, dass wir mit solchen Leuten verhandeln sollten, das ermuntert sie nur in ihrem kriminellen Tun.« (Alle nickten zustimmend.) Der Uberfall auf Ostia, fuhr er fort, sei ein Wendepunkt in Roms Geschichte. Man habe es hier nicht mit einem Einzelfall zu tun, sondern nur mit einer besonders dreisten Aktion in einer langen Reihe ahnlich emporender Vorfalle, wie zum Beispiel der Entfuhrung der erlauchten Antonia aus ihrer Villa in Misenum (deren eigener Vater eine Strafexpedition gegen die Seerauber angefuhrt habe!), der Plunderung der Tempelschatze von Croton und den Uberraschungsangriffen auf Brundisium und Caieta. Wo wurden sie das nachste Mal zuschlagen? Rom sehe sich einer Bedrohung gegenuber, die sich von der durch einen konventionellen Gegner deutlich unterscheide. Diese Seerauber verkorperten einen neuen Typus von skrupellosem Feind, hinter dem keine Regierung stunde, dessen man mit keinem Vertrag Herr werden konne, dessen Stutzpunkte sich nicht nur in einem einzigen Staat befanden. Sie hatten keinen zentralen Kommandostand. Sie seien eine weltumspannende Pest, eine parasitare Plage, die ausgemerzt werden musse, sonst konne Rom -trotz seiner uberwaltigenden militarischen Uberlegenheit - nie wieder in Sicherheit und Frieden leben. Das bestehende nationale Sicherheitssystem, das Mannern im Konsulrang fur begrenzte Zeit nur ein Kommando fur einen Kriegsschauplatz zuweise, sei der Herausforderung nicht mehr angemessen.

»Schon lange vor Ostia habe ich mich ausfuhrlich mit diesem Problem befasst«, erklarte Pompeius. »Ich bin der festen Uberzeugung, dass dieser einzigartige Feind nach einzigartigen Ma?nahmen verlangt. Jetzt ist unsere Zeit gekommen.« Er klatschte in die Hande, und zwei Sklaven trugen ein Gestell mit einer gro?en Landkarte des Mittelmeerraumes herein, das sie neben Pompeius aufstellten. Seine Zuhorer beugten sich vor, um die geheimnisvollen senkrechten Linien, die uber Land wie See verliefen, besser erkennen zu konnen. »Die Grundlage unserer Strategie muss lauten: Verknupfung der militarischen und politischen Interessenspharen. Wir attackieren sie mit allem, was wir haben.« Er nahm einen Zeigestock und klopfte damit auf die farbige Karte. »Ich schlage vor, den gesamten Mittelmeerraum in funfzehn Zonen aufzuteilen, von den Saulen des Herkules im Westen, hier, bis zu den Gewassern Agyptens und Syriens im Osten, hier. In jede Zone schicken wir einen Legaten, dessen Aufgabe es sein wird, sein Gebiet von Seeraubern zu saubern und dann mit den regionalen Herrschern Vertrage abzuschlie?en, die sicherstellen sollen, dass nie wieder ein Seerauberschiff in diese Gewasser eindringen kann. Jeder gefangene

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