Oberkommando. Ich spreche hier, das sollte ich vielleicht erklaren, von der alten Rostra der Republik, die sich sehr von dem erbarmlichen verzierten Fu?schemel unterschied, der heute in Gebrauch ist. Diese uralte, inzwischen zerstorte Plattform war das Herz der romischen Demokratie: eine lange, geschwungene Rednerbuhne, etwa zwolf Fu? hoch, voller Statuen von Helden aus dem Altertum. Von dieser Rostra sprachen die Volkstribunen und Konsuln zum Volk. Die Ruckseite war dem Senatsgebaude zugewandt, die Vorderseite blickte kuhn uber die gro?te freie Flache des Forums hinweg. Aus dem wuchtigen Mauerwerk ragten die Rammsporne oder »Schnabel« von sechs Schiffen - jene
Trotz seiner Zweifel hatte Cicero mithilfe von Quintus sein Moglichstes getan, um fur Gabinius eine stattliche Menschenmenge auf die Beine zu bringen. Auf Pompeius' Anhanger aus Picenum konnte man sich ebenfalls immer verlassen, wenn es galt, ein paar Hundert Veteranen zusammenzutrommeln. Wenn ich jetzt noch die ubliche Anzahl Menschen hinzuzahle, die immer im Dunstkreis der Basilica Porcia zu finden sind, und die Burger, die ihren normalen Geschaften in der Stadt nachgingen, dann konnte man sagen, dass fast tausend Menschen anwesend waren, die sich anhorten, was nach Gabinius' Auffassung notig sei, um der Seerauber Herr zu werden - namlich ein Oberbefehlshaber im Konsulrang mit einem auf drei Jahre festgesetzten
Die Reaktion der Aristokraten sollte sich als noch heftiger herausstellen, als Cicero prophezeit hatte. Nach der ersten Verlesung eines Gesetzesantrags mussten drei der einmal wochendich stattfindenden Markttage vergehen, bevor das Volk uber ihn abstimmen konnte (die Frist sollte Landbewohnern die Zeit geben, in die Stadt zu kommen und sich uber die Vorlage zu informieren). Die Aristokraten hatten also fur die Organisation ihres Widerstands bis Anfang Februar Zeit, und sie verloren keine Sekunde. Schon zwei Tage spater wurde der Senat einberufen, um uber die
Der Marsch den Esquilin hinunter zum Forum verlief nach Wunsch. Die Vorsteher der Stadtteile hatten ganze Arbeit geleistet und auf den Stra?en fur jede Menge Begeisterung gesorgt. Die Menschen forderten Pompeius lautstark auf, ihnen die Bedrohung durch die Seerauber vom Hals zu schaffen. Er winkte ihnen zu wie ein Hausbesitzer seinen Mietern. Doch in dem Augenblick, als wir den Senat betraten, hagelte es von allen Seiten Hohn und Spott. Quer durch den Saal flog sogar eine faule Frucht, die auf Pompeius' Schulter zerplatzte und einen leuchtend braunen Fleck hinterlie?. So etwas war dem gro?en General noch nie widerfahren. Er blieb abrupt stehen und schaute sich verblufft und besturzt um. Sofort schlossen Afranius, Palicanus und Gabinius die Reihen und stellten sich, so als seien sie wieder auf dem Schlachtfeld, schutzend vor ihn. Ich sah, wie Cicero mit den Armen wedelte und alle vier zu ihren Platzen scheuchte. Sicher dachte er, je schneller sie alle auf ihren Platzen sa?en, desto schneller ware die Demonstration vorbei. Ich stand zusammen mit den anderen Schaulustigen hinter dem vertrauten Absperrseil, das am Saaleingang zwischen den beiden Turpfosten gespannt war. Naturlich waren wir alle Anhanger von Pompeius, und je mehr die Senatoren ihn verhohnten, desto lauter bejubelten wir ihn. Es dauerte eine Zeit lang, bis der prasidierende Konsul fur Ruhe gesorgt hatte.
Die neuen Konsuln in jenem Jahr waren Pompeius' alter Freund Glabrio und der Aristokrat Calpurnius Piso (nicht zu verwechseln mit dem anderen Senator gleichen Namens, der erst spater eine tragende Rolle in unserer Geschichte spielen wird -falls mir die Gotter die Kraft schenken, sie zu vollenden). Wie verzweifelt Pompeius' Lage war, konnte man daran erkennen, dass Glabrio es vorgezogen hatte, der Sitzung fernzubleiben, als sich in offenen Widerspruch zu dem Mann zu begeben, von dem er seinen Sohn zuruckerhalten hatte. Also fuhrte Piso den Vorsitz. Ich sah ihren Gesichtern an, dass Hortensius, Catulus, Isauricus, Marcus Lucullus - der Bruder des Befehlshabers uber die Legionen im Osten - und alle anderen Mitglieder der patrizischen Fraktion angriffsbereit waren. Die Einzigen, die keinen Widerstand mehr leisten konnten, waren die drei Metellus-Bruder: Quintus diente als Statthalter auf Kreta, und seine beiden jungeren Bruder waren - als wollte das Schicksal seine Gleichgultigkeit gegenuber dem kleinlichen Ehrgeiz des Menschen demonstrieren -kurz nach dem Verres-Prozess am Fieber gestorben.
Am beunruhigendsten war jedoch, dass sogar die
Piso nahm sein Privileg, als Erster reden zu durfen, in Anspruch. »Als Redner der behabige, gelassene Typ«, wie ihn Cicero viele Jahre spater gonnerhaft beschrieb. An jenem Tag klang er allerdings weder behabig noch gelassen. »Wir wissen genau, was du im Schilde fuhrst!«, sagte er gegen Ende seiner flammenden Rede mit donnernder Stimme zu Pompeius. »Du setzt dich uber deine Kollegen im Senat hinweg und inthronisierst dich als eine Art zweiter Romulus - du totest den Bruder, um allein herrschen zu konnen. Aber du tatest gut daran, dich an Romulus' Schicksal zu erinnern, der seinerseits von seinen eigenen Senatoren ermordet wurde, die seinen Korper zerstuckelten und die Leichenteile mit sich nach Hause trugen.« Die Aristokraten sprangen begeistert auf, und ich erwischte gerade noch einen Blick auf Pompeius' massiges Profil. Stocksteif schaute er geradeaus, offenbar unfahig zu begreifen, was da vor sich ging.
Als Nachster sprach Catulus, dann Isauricus. Der Ubelste war allerdings Hortensius. Nach dem Ende seiner Amtszeit als Konsul vor knapp einem Jahr hatte er sich kaum noch auf dem Forum blicken lassen. Sein innig geliebter Schwiegersohn Caepio, Catos alterer Bruder, war vor kurzem im Militardienst in Kleinasien verstorben und hatte Hortensius' Tochter als Witwe zuruckgelassen. Es hie?, dass den »Tanzmeister« und seine Beine allmahlich die Krafte verlie?en. Jetzt erweckte er allerdings den Eindruck, als ob ihn Pompeius' ubers Ziel hinausschie?ender Ehrgeiz wiederbelebt und in die Arena zuruckgetrieben habe. Seine Rede erinnerte mich daran, wie grandios er bei einem sorgfaltig geplanten Anlass wie diesem auftrumpfen konnte. Er drosch keine Phrasen und lie? sich auch nicht zu Pobeleien hinrei?en, sondern formulierte in wohlgesetzten Worten die alten Grundsatze der Republik: dass die Macht immer geteilt werden musse, dass ihr Grenzen zu setzen seien und dass sie jahrlich von Neuem durch Wahlen bestatigt werden musse. Und obwohl er personlich nichts gegen Pompeius habe, ihn im Gegenteil fur das Amt eines Oberbefehlshabers befahigt erachte wie keinen anderen Mann im Staat, so werde durch die