sagen.«

»Nein, nein«, widersprach Cicero. »Du wirst entschieden ablehnen. Du wirst sagen, dass du schon genug getan hast fur Rom, dass du keinerlei Ambitionen mehr auf ein Offentliches Amt hast und dass du dich auf deinen Landsitz zuruckziehst.« Pompeius schaute ihn mit offenem Mund an. »Ich werde fur dich die Rede ausarbeiten. Du wirst noch morgen Nachmittag die Stadt verlassen und nicht mehr zuruckkommen. Je zogerlicher du erscheinst, desto verzweifelter werden die Leute nach deiner Ruckkehr schreien. Du wirst unser Cincinnatus sein, den man von seinem Pflug losrei?t, um das Land vor der Katastrophe zu bewahren. Das ist einer der wirksamsten Mythen in der Politik uberhaupt, glaube mir.«

Einige der Anwesenden waren gegen eine derart theatralische Taktik, sie erschien ihnen zu riskant. Aber die Vorstellung vom bescheidenen Bauern schmeichelte Pompeius' Eitelkeit. Ist das nicht der Traum eines jeden stolzen und ehrgeizigen Mannes? Anstatt sich in den Schmutz werfen und um die Macht kampfen zu mussen, wurde das Volk angekrochen kommen und darum betteln, den Oberbefehl als Geschenk zu akzeptieren. Je mehr Pompeius daruber nachdachte, desto besser gefiel ihm der Plan. Seine Wurde und Autoritat bliebe unbefleckt, er hatte obendrein ein paar angenehme Wochen, und falls doch etwas schiefging, konnte man ihm nicht die Schuld geben.

»Hort sich ziemlich klug an«, sagte Gabinius und tupfte sich mit dem Finger auf die geplatzte Lippe.

»Aber du scheinst zu vergessen, Cicero, dass nicht das Volk das Problem ist, sondern der Senat.«

»Wenn der Senat erst mal begreift, welche Auswirkungen Pompeius' Ruckzug hat, wird er sich schon wieder beruhigen. Die Senatoren werden sich vor die Wahl gestellt sehen, entweder gar nichts gegen die Seerauber zu unternehmen oder das Oberkommando Crassus zu ubertragen. Beides ware fur die gro?e Mehrheit nicht akzeptabel. Wenn man sie ein bisschen schmiert, werden sie schon geschmeidig werden.«

»Schlau, sehr schlau«, sagte Pompeius bewundernd. »Ist er nicht klug, meine Freunde? Hab ich's nicht immer gesagt?«

»Ein Wort zu den funfzehn Legaten«, sagte Cicero. »Ich schlage vor, wenigstens die Halfte der Posten fur die Mehrheitsbeschaffung im Senat abzuzweigen.« Palicanus und Afranius, die ihre lukrativen Amter bedroht sahen, protestierten lautstark, wurden aber von Pompeius mit einer einzigen Handbewegung zum Schweigen gebracht. »Du bist ein Nationalheld«, fuhr Cicero fort. »Ein Patriot, der uber dem kleinlichen politischen Gezank und Intrigenspiel steht. Das Recht auf Amterbesetzung solltest du nicht zur Versorgung von Freunden nutzen, sondern um die Gegnerschaft zu spalten. Nichts wird einen verheerenderen Keil in die aristokratische Fraktion treiben, als wenn man einige Patrizier dazu uberreden konnte, unter dir zu dienen. Sie werden sich gegenseitig die Augen auskratzen.«

»Ganz meine Meinung«, sagte Caesar und nickte energisch. »Ciceros Plan ist besser als meiner. Hab Geduld, Afranius. Das ist ja nur der erste Schritt. Wir kassieren unseren Lohn spater.«

»Au?erdem sollte uns allen die Niederlage der Feinde Roms Lohn genug sein«, erklarte Pompeius scheinheilig. Ich sah ihm an, dass er sich im Geiste schon am Pflug bei der Feldarbeit sah.

Hinterher auf dem Nachhauseweg sagte Quintus: »Ich hoffe, du wei?t, was du tust.«

»Das hoffe ich auch«, sagte Cicero.

»Das Kernproblem ist Crassus mit seinen beiden Volkstribunen«, sagte Quintus. »Mit denen kann er das Gesetz kippen. Was willst du dagegen machen?«

»Keine Ahnung. Wir konnen nur hoffen, dass von irgendwoher eine Losung auftaucht. Meistens ergibt sich ja was.«

Da wurde mir klar, wie sehr er sich einfach nur auf sein altes Diktum verlie?, dass man manchmal eben einen Kampf anzetteln muss, um wahrenddessen herauszufinden, wie man ihn gewinnen kann. Er verabschiedete sich von Quintus und ging allein weiter, den Kopf gesenkt, in Gedanken vertieft. Hatte er sich anfangs nur zogernd auf Pompeius' hochfliegende Plane eingelassen, so war er nun zu seinem Cheforganisator aufgestiegen, und er wusste, dass ihn das in eine schwierige Lage brachte, nicht zuletzt bei seiner eigenen Frau. Nach meiner Erfahrung sind Frauen weit weniger bereit als Manner, Krankungen aus der Vergangenheit zu vergessen. Fur Terentia war es unbegreiflich, dass ihr Mann immer noch um den »Prinzen von Picenum«, wie sie Pompeius hohnisch nannte, herumscharwenzelte, vor allem nach jenen Vorfallen im Senat, die inzwischen Stadtgesprach waren. Als wir nach Hause kamen, wartete sie schon im Tablinum und ging sofort zum Angriff uber. »Ich kann einfach nicht glauben, wie sich das alles derart zuspitzen konnte. Da ist der Senat auf der einen Seite und der Pobel auf der anderen -und auf welche Seite schlagt sich mein Herr Gatte? Naturlich wie gehabt auf die des Pobels! Ich hoffe doch wohl, dass du jetzt endlich die Verbindung zu diesem Menschen abbrichst?«

»Er wird morgen seinen Ruckzug ins Privatleben bekannt geben«, sagte Cicero besanftigend.

»Was?«

»Du hast richtig gehort. Ich selbst werde noch heute Abend die Erklarung fur ihn aufsetzen. Was bedeutet, dass ich wohl im Arbeitszimmer zu Abend essen werde. Wenn du mich jetzt entschuldigen wurdest.« Er druckte sich an ihr vorbei und ging ins Arbeitszimmer. Als er die Tur hinter uns geschlossen hatte, fragte er mich: »Meinst du, sie glaubt mir?«

»Nein«, sagte ich.

»Ich auch nicht«, sagte er kichernd. »Dafur sind wir schon zu lange verheiratet.«

Wenn er gewollt hatte, reich genug war er inzwischen, hatte er sich von ihr scheiden lassen konnen. Er hatte eine bessere Partie machen konnen, ganz sicher eine wesentlich schonere. Er war enttauscht, dass Terentia ihm keinen Sohn geboren hatte. Doch trotz ihrer ewigen Streitereien blieb er bei ihr. Liebe ist nicht das passende Wort, das seine Beziehung zu ihr beschreibt - jedenfalls nicht in dem Sinn, in dem die Dichter es benutzen. Etwas Ungewohnlicheres, Starkeres hielt sie zusammen. Dazu gehorte, dass sie sein Zuchtmeister war: Sie war die Peitsche, die ihn auf Trab hielt. Jedenfalls storte Terentia uns den ganzen Abend nicht mehr, und Cicero diktierte mir Pompeius' Erklarung. Er hatte noch nie eine Rede fur jemand anderen geschrieben, was eine eigenartige Erfahrung war. Heutzutage beschaftigen die meisten Senatoren ein oder zwei Sklaven, die ihnen ihre Reden ausarbeiten. Ich habe sogar von einigen Senatoren gehort, die uberhaupt keine Ahnung haben, was sie sagen werden, bis man ihnen den Text hinlegt: Wie sich diese Burschen Staatsmanner nennen konnen, ubersteigt meine Vorstellungskraft. Aber Cicero sagte, dass es ihm Spa? machte, fur jemand anderen zu schreiben. Er fand den Gedanken amusant, dass gro?e Manner, solange sie nur etwas Hirn besa?en, das vortragen wurden, was er sich ausgedacht hatte. In spateren Zeiten setzte er die Technik, Leuten seine Worte in den Mund zu legen, mit gro?em Erfolg in seinen Buchern ein. Er dachte sich sogar eine Wendung fur Gabinius aus, die spater ziemlich beruhmt werden sollte: »Pompeius Magnus wurde nicht um seiner selbst willen geboren, sondern um Rom zu dienen.«

Wir hatten die Arbeit an der Erklarung, die mit Absicht kurz gehalten war, schon weit vor Mitternacht beendet und verlie?en fruh am nachsten Morgen, nachdem Cicero seine Ubungen gemacht und nur die wichtigsten Besucher empfangen hatte, das Haus und gingen zu Pompeius, um die Rede abzuliefern. Pompeius hatte sich uber Nacht eine uble Erkaltung eingefangen und machte jetzt seiner Sorge daruber Luft, ob das mit dem Ruckzug aufs Land eine so gute Idee gewesen sei. Aber Cicero erkannte sofort, dass er einfach nervos war vor seinem Gang auf die Rostra, und als Pompeius den Redetext in Handen hielt, beruhigte er sich schnell wieder. Cicero gab auch Gabinius, der ebenfalls schon eingetroffen war, einige Zeilen, doch der Volkstribun argerte sich daruber, wie ein Schauspieler einen fremden Text aufsagen zu sollen, und fragte, ob er wirklich sagen solle, dass Pompeius geboren sei, um Rom zu dienen. »Warum nicht?«, stichelte Cicero. »Bist du etwa anderer Meinung?« Worauf Pompeius Gabinius anfuhr, er solle endlich mit dem Gejammer aufhoren und den Text genau so vortragen, wie er da stehe. Gabinius entgegnete nichts mehr, bedachte aber Cicero mit einem wenig freundlichen Blick und war seit jener Zeit, so zumindest meine Vermutung, insgeheim Ciceros Feind - ein perfektes Beispiel dafur, wie der Senator mit seiner sorglosen Schlagfertigkeit jemanden vor den Kopf sto?en konnte.

Auf dem Forum hatte sich schon eine gro?e Zuschauermenge eingefunden, die gespannt auf die Fortsetzung der gestrigen Vorstellung wartete. Wir horten den Larm, als wir von Pompeius' Haus kommend den Hugel hinuntergingen - dieses eigentumliche, furchteinflo?end anschwellende Gerausch einer erregten Menschenmenge, das mich immer an eine riesige Welle erinnert, die gegen eine weit entfernte Kuste brandet. Die Spannung lie? mein Herz hoher schlagen. Fast der gesamte Senat war versammelt. Die Aristokraten hatte mehrere Hundert ihrer Anhanger mobilisiert, einerseits zu ihrem eigenen Schutz, andererseits um Pompeius niederzubrullen, sobald er, wie sie erwarteten, seine Absicht erklarte, den Oberbefehl zu ubernehmen. Wie gestern wurde der General von Cicero und den mit ihm verbundeten Senatoren begleitet. Er hielt sich am Rand des Forums und ging dann gleich zur Ruckseite der Rostra. Dort marschierte er auf und ab, gahnte, blies auf seine kalten Finger und zeigte auch sonst alle Anzeichen von Nervositat, wahrend der Larm der Menge immer lauter wurde. Cicero wunschte ihm Gluck, begab

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