hatte schon fruh entschieden, sich so lange zuruckzuhalten, bis er den passenden Augenblick in seiner Karriere fur gekommen sah, um die gro?tmogliche Wirkung zu erzielen. Er war naturlich versucht, bei diesem Thema sein Schweigen zu brechen, denn er hatte einiges dazu zu sagen und es wurde einen idealen pompistischen Knuppel abgeben, um damit auf die Aristokraten einzudreschen. Schlie?lich jedoch entschied er sich dagegen mit dem Argument, dass die Gesetzesvorlage in den Stra?en ohnehin schon uberwaltigenden Zuspruch fande und dass seine Dienste hinter den Kulissen - strategische Aufgaben und Beeinflussung der noch schwankenden Senatoren - wertvoller seien. So spielte er zur Abwechslung mal den Moderaten, Pausenlos streifte er auf seine altbekannte Art durchs Senaculum, horte sich die Klagen der pedarii an, versprach, Bekundungen des Bedauerns und Bittgesuche an Pompeius weiterzuleiten, und machte Mannern von Einfluss - allerdings nur gelegentlich - vage Hoffnung auf hohere Amter. Jeden Tag traf ein Bote von Pompeius' Landsitz in den Albaner Bergen ein und uberbrachte die neuesten Beschwerden, Nachfragen oder Anweisungen des Generals (»Die Feldarbeit scheint unseren neuen Cincinnatus ja nicht gerade auszulasten«, bemerkte Cicero mit gequaltem Lacheln), und jeden Tag diktierte mir der Senator ein besanftigendes Antwortschreiben, worin er Pompeius haufig Namen von Mannern nannte, die zu einem Gesprach einzuladen vielleicht ganz nutzlich ware. Das war eine heikle Angelegenheit, denn es musste unbedingt der Schein gewahrt werden, dass sich Pompeius nicht mehr in der Politik betatigte. Trotzdem trieb eine Mischung aus Gier, Anbiederung, Ehrgeiz, die Erkenntnis, dass man um die Schaffung eines wie auch immer gearteten Sonderkommandos nicht herumkomme, sowie die Angst, dass dieses dann Crassus zufallen konne, etwa ein halbes Dutzend Senatoren in Schlusselstellungen in Pompeius' Lager. Der wichtigste war Lucius Manlius Torquatus, der gerade seine Amtszeit als Prator beendet hatte und im nachsten Jahr mit Sicherheit fur das Konsulat kandidieren wurde.

Wie immer stellte Crassus die gro?te Gefahr fur Ciceros Plane dar, und naturlich war er nicht untatig. Auch Crassus war unterwegs, machte Versprechungen fur lukrative Posten und versuchte Anhanger zu gewinnen. Fur den Liebhaber des politischen Geschafts war es faszinierend, das Kopf-an Kopf-Rennen der Dauerrivalen Crassus und Pompeius zu beobachten. Beide hatten zwei Volkstribunen auf ihrer Seite, die jeweils mit ihrer Stimme das Gesetz zu Fall bringen konnten und die jeweils uber eine Reihe geheimer Parteiganger im Senat verfugten. Crassus hatte gegenuber Pompeius den Vorteil, dass ihn die meisten Aristokraten unterstutzten, weil sie Pompeius mehr furchteten als jeden anderen in der Republik; Pompeius' Vorteil gegenuber Crassus war seine Popularitat beim Mann auf der Stra?e. »Die beiden sind wie zwei Skorpione, die sich gegenseitig belauern«, sagte Cicero eines Morgens, als er sich auf dem Stuhl vor seinem Schreibpult zurucklehnte, nachdem er mir eine Botschaft an Pompeius diktiert hatte. »Keiner kann den anderen ganz ausschalten, und doch kann jeder den anderen toten.«

»Wie soll dann einer von beiden gewinnen?«

Er schaute mich an, schoss dann so plotzlich mit dem Oberkorper nach vorn und schlug mit der flachen Hand auf die Pultplatte, dass ich vor Schreck zusammenzuckte. »Nur durch einen Uberraschungsangriff.«

Ab jenem Morgen blieben noch vier Tage, bis das Volk uber die lex Gabinia abstimmte. Und bisher war Cicero nichts eingefallen, wie er Crassus' Veto umgehen konnte. Er war mude und mutlos und sinnierte wieder einmal daruber nach, ob wir uns nicht nach Athen zuruckziehen und Philosophie studieren sollten. Der Tag verging, ebenso der nachste und ubernachste, und noch immer war keine Losung aufgetaucht. Am letzten Tag vor der Abstimmung stand ich wie ublich bei Morgengrauen auf und lie? Ciceros Klienten ein. Da allgemein bekannt war, wie nahe er Pompeius stand, hatte sich die Zahl der Besucher im Gegensatz zu fruher verdoppelt. Sehr zu Terentias Arger wimmelte es im Haus jetzt den ganzen Tag uber von Bittstellern und Sympathisanten. Darunter waren durchaus bekannte Manner, wie zum Beispiel an jenem Morgen Antonius Hybrida. Er war der zweite Sohn des gro?en Redners und Konsuls Marcus Antonius Orator und hatte gerade eine Amtszeit als Volkstribun hinter sich: Er war ein Schwachkopf und Saufer, musste aber als Erster vorgelassen werden. Der Himmel war grau, und es regnete, sodass die Besucher den moderigen Geruch von klammen, muffigen Kleidern und feuchtem Haar mit ins Haus geschleppt hatten. Der schwarz-wei?e Mosaikboden war dreckverschmiert, und ich uberlegte gerade, ob ich einen der Haussklaven zum Aufwischen rufen sollte, als die Tur noch einmal aufging und Marcus Licinius Crassus hochstpersonlich vor mir stand. Ich war so verblufft, dass mich sein Anblick nicht im Geringsten beunruhigte und ich ihn so selbstverstandlich begru?te wie jeden x-beliebigen Klienten, der wegen eines Empfehlungsschreibens vorsprach.

»Einen wunderschonen guten Morgen, Tiro«, sagte er. Er erinnerte sich an meinen Namen, obwohl er mich nur einmal gesehen hatte, was mir jetzt doch gehorige Angst einjagte. »Ware es moglich, dass ich kurz mit deinem Herrn spreche?« Crassus war in Begleitung des Senators Quintus Arrius, der ihm wie ein Schatten uberallhin folgte und dessen lachhaft blasierte Ausdrucksweise vom grausamsten aller Dichter, Catull, aufs Unvergesslichste parodiert werden sollte - Arrius fugte jedem Vokal am Wortanfang eine Aspirata hinzu, seinen eigenen Namen sprach er »Harrius« aus. Ich lief ins Arbeitszimmer, wo Cicero gerade seine beiden Schreiber auf die ubliche Weise auf Trab hielt: Wahrend er dem einen, Sositheus, einen Brief diktierte, zeichnete er gleichzeitig dem anderen, Laurea, Schriftstucke so schnell ab, wie der sie ihm vorlegen konnte.

»Ihr erratet nie, wer da ist!«, rief ich aufgeregt.

»Crassus«, sagte er, ohne auch nur den Kopf zu heben.

Ich war schlagartig ernuchtert. »Ihr seid nicht uberrascht?«

»Nein«, sagte Cicero und unterzeichnete den nachsten Brief. »Er wird uns gleich ein gro?mutiges Angebot unterbreiten, das naturlich ganz und gar nicht gro?mutig ist, sondern nur dem Zweck dient, ihn in dem Augenblick in besserem Licht dastehen zu lassen, wenn bekannt wird, dass wir abgelehnt haben. Er hat allen Grund, Entgegenkommen zu zeigen, wir haben keinen einzigen. Egal, fuhr ihn am besten gleich rein, sonst besticht er mir noch alle meinen Klienten aus dem Haus. Und bleib dann im Zimmer und mach dir Notizen, nicht dass er mir das Wort im Mund umdreht.«

Ich ging, um Crassus zu holen. Und tatsachlich: Er arbeitete sich schon uberschwanglich Hande schuttelnd durchs Tablinum, sehr zur Verwunderung der eingeschuchterten Betroffenen. Ich geleitete ihn ins Arbeitszimmer. Die beiden Schreiber verlie?en den Raum, sodass wir zu viert waren: Crassus, Arrius und Cicero sa?en, ich stand zum Mitschreiben in einer Ecke.

»Du hast ein sehr schones Haus«, sagte Crassus freundlich wie immer. »Klein, aber reizend. Wenn du mal ans Verkaufen denken solltest, gib mir Bescheid.«

»Falls es jemals in Flammen aufgehen sollte«, erwiderte Cicero, »bist du der Erste, der es erfahrt.«

»Kostlich«, sagte Crassus, klatschte in die Hande und brach in launiges Gelachter aus. »Nein, im Ernst. Ein bedeutender Mann wie du sollte sich ein gro?eres Haus zulegen, in einer besseren Gegend.

Auf dem Palatin. Ich konnte das arrangieren. Nein, warte«, fugte er schnell hinzu, als Cicero mit dem Kopf schuttelte. »Lehn mein Angebot nicht gleich ab. Sicher, wir hatten unsere Differenzen, gerade deshalb liegt mir ja an einer Geste der Versohnung.«

»Das ist wirklich sehr nobel von dir«, sagte Cicero. »Aber ich furchte, die Interessen eines gewissen Herrn stehen zwischen uns.«

»Nicht unbedingt. Ich verfolge mit Bewunderung deine Karriere, Cicero. Du verdienst den Platz, den du dir in Rom erarbeitet hast. Meines Erachtens solltest du im Sommer zum Prator und in zwei Jahren zum Konsul gewahlt werden. Tja, jetzt ist es raus. Moglicherweise konntest du auf meine Unterstutzung zahlen. Nun, was sagst du dazu?«

Das war wirklich ein fantastisches Angebot, und in jenem Augenblick lernte ich eine wichtige Lektion uber kluge Geschaftsleute - dass nicht konsequente Hinterhaltigkeit sie so erfolgreich macht (wie viele ganz selbstverstandlich annehmen), sondern eher die Fahigkeit, wenn notig eine uberraschende ja verschwenderische Gro?zugigkeit an den Tag zu legen. Cicero geriet vollig aus dem Gleichgewicht. Man bot ihm praktisch auf dem Silbertablett das Konsulat an, seinen Lebenstraum, den offen auszusprechen er nicht mal Pompeius gegenuber gewagt hatte aus Angst, er konnte das Misstrauen des gro?en Mannes erregen.

»Du uberwaltigst mich, Crassus«, sagte er. Seine Gefuhle hatten ihn so ubermannt, dass er sich erst mal rauspern musste, bevor er weitersprechen konnte. »Aber das Schicksal hat uns einmal mehr Platze in verschiedenen Lagern zugewiesen.«

»Nicht unbedingt«, wiederholte Crassus. »Der Tag vor der Abstimmung ist doch sicher der geeignete Zeitpunkt fur einen Kompromiss, meinst du nicht auch? Ich erkenne an, dass das Oberkommando Pompeius' Idee ist. Aber warum sollten wir das Amt nicht aufteilen?«

»Ein aufgeteiltes Oberkommando ist ein Widerspruch in sich.«

»Pompeius und ich haben uns auch schon das Konsulat geteilt.«

»Sicher, aber das Konsulat ist ein gemeinsames Amt, das auf dem Prinzip der Teilung der Macht basiert.

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