Einen Krieg zu fuhren, wie du selbst viel besser wei?t als ich, ist etwas vollkommen anderes. Im Krieg ist schon die kleinste Uneinigkeit an der Spitze todlich.«

»Das Kommando ist so riesig, da ist doch leicht Platz fur zwei«, sagte Crassus aufgeraumt. »Pompeius bekommt den Osten, ich den Westen. Oder Pompeius das Meer und ich das Land. Oder umgekehrt, mir vollig egal. Der Punkt ist, dass wir zusammen die Welt beherrschen konnen, wenn wir dich, Cicero, als Verbindungsglied haben.«

Ich bin mir sicher, dass Cicero mit einem drohenden, aggressiven Crassus gerechnet hatte, also einer Taktik, mit der umzugehen er in seiner langen Tatigkeit in den Gerichtshofen gelernt hatte. Die unerwartete Gro?zugigkeit dagegen brachte ihn vollig durcheinander, nicht zuletzt deshalb, weil Crassus' Vorschlag sowohl vernunftig wie auch patriotisch war. Zudem ware er auch fur Cicero die ideale Losung, weil er sich so die Freundschaft aller Lager sichern konnte. »Ich werde ihm dein Angebot auf jeden Fall unterbreiten«, versprach Cicero. »Noch vor Einbruch der Dunkelheit wird er es in Handen halten.«

»Das bringt mir uberhaupt nichts«, sagte Crassus gereizt. »Wenn ich nur einen Boten brauchte, dann hatte ich auch Arrius in die Albaner Berge schicken konnen. Hab ich recht, Arrius?«

»Habsolut.«

»Nein, Cicero, du musst es ihm personlich beibringen.« Er beugte sich vor und leckte sich mit der Zunge uber die Lippen; wenn Crassus uber Macht sprach, klang er immer irgendwie lustern. »Ich bin ganz offen zu dir. Mein ganzes Herz hangt an einer militarischen Karriere. Ich habe alles Geld, das ein Mann sich nur wunschen kann, aber das kann immer nur Mittel sein, nie Zweck. Welche Nation hat einem Mann eine Statue errichtet, nur weil er reich war? Welches der zahllosen Volker auf dieser Erde hat jemals in seine Gebete den Namen eines schon lange toten Millionars mit eingeschlossen, nur weil er irgendwann mal viele Hauser besessen hat? Den einzig dauerhaften Ruhm gibt es nur auf Papyrus oder auf dem Schlachtfeld - und ein Dichter bin ich ganz sicher nicht. Du siehst also, wenn aus unserem Geschaft etwas werden soll, dann musst du personlich Pompeius' Einverstandnis einholen.«

»Pompeius ist kein Maultier, das man so einfach zum Markt treibt«, wandte Cicero ein, dem ich ansah, dass ihn die grobe Plumpheit seines alten Feindes schon wieder abstie?. »Du kennst ihn doch.«

»Allerdings, nur zu gut. Aber du bist ein Uberredungskunstler wie kein Zweiter. Du hast ihn dazu gebracht, Rom zu verlassen - versuch erst gar nicht, es abzustreiten. Und du kannst ihn auch dazu uberreden, wieder zuruckzukommen.«

»Er kommt als alleiniger Oberbefehlshaber zuruck, oder er kommt gar nicht zuruck. Das ist sein Standpunkt.«

»Dann wird Rom ihn nie wiedersehen«, blaffte Crassus, von dem die freundliche Schale abblatterte wie die billige Farbe von einem seiner feuchten Mietshauser. »Du wei?t ganz genau, was morgen passieren wird. Das ist so vorhersehbar wie ein Possenspiel im Theater. Gabinius wird euer Gesetz einbringen, und Trebellius wird in meinem Auftrag sein Veto einlegen. Dann wird Roscius, ebenfalls auf meine Anweisung, eine Erganzung zu der Vorlage einbringen, die ein gemeinsames Kommando fordert, und nicht ein Volkstribun wird es wagen, dagegen sein Veto einzulegen. Sollte Pompeius sich dagegen sperren, dann wird er dastehen wie ein trotziges, gefra?iges Kind, das lieber den ganzen Kuchen zermatscht, als auch nur ein Stuck abzugeben.«

»Da bin ich anderer Meinung. Das Volk liebt ihn.«

»Das Volk hat auch Tiberius Gracchus geliebt, und genutzt hat es ihm am Ende gar nichts. Das war ein schreckliches Schicksal fur einen patriotischen Romer, du tatest gut daran, dies nicht zu vergessen.« Crassus stand auf. »Behalte deine eigenen Interessen im Auge, Cicero. Begreifst du denn nicht, dass du mit Pompeius im politischen Abseits landest? Noch nie hat es ein Mann gegen den geballten Widerstand der Aristokraten zum Konsul gebracht.« Cicero stand ebenfalls auf und nahm vorsichtig die Hand, die Crassus ihm hinhielt. Der Altere packte kraftig zu und zog Cicero nah zu sich heran. »Zwei Mal, Marcus Tullius Cicero, habe ich dir in Freundschaft die Hand gereicht«, sagte er sehr leise. »Ein drittes Mal wird es nicht geben.«

Und damit marschierte er aus dem Haus - und zwar in einem Tempo, dass ich es nicht mehr schaffte, ihn zur Haustur zu geleiten, geschweige sie ihm zu offnen. Ich ging wieder ins Arbeitszimmer, wo Cicero genau an der Stelle stand, an der ich ihn zuruckgelassen hatte. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er seine Hand. »Fuhlt sich an, als ob man Schlangenhaut anfasst«, sagte er. »Noch mal, Tiro, hab ich ihn richtig verstanden, hat er wirklich angedeutet, dass Pompeius und ich das gleiche Schicksal wie Tiberius Gracchus erleiden konnten?«

»Ja: >ein schreckliches Schicksal fur einen patriotischen Romer<«, las ich ihm aus meinen Notizen vor. »Was war das Schicksal von Tiberius Gracchus?«

»Die Aristokraten haben ihn in die Enge getrieben wie eine Tempelratte und dann ermordet - und das, wahrend er ein vermeintlich unantastbarer Volkstribun war. Das ist mindestens sechzig Jahre her. Tiberius Gracchus!« Er ballte eine Hand zur Faust. »Einen Augenblick lang, Tiro, hatte er mich fast so weit, dass ich ihm geglaubt hatte. Aber ich schwore dir, eher werde ich niemals Konsul, als dass ich es mit Crassus' Hilfe werde.«

»Ich glaube dir, Senator, Pompeius ist zehnmal so viel wert wie er.«

»Eher hundertmal - egal, wie viel Unsinn er redet.«

Ich raumte das Schreibpult auf und ging dann ins Tablinum, um die Besucherliste fur heute Morgen zu holen. Als ich zuruckkam, stand Cicero immer noch am selben Fleck, allerdings lag jetzt ein merkwurdiger Ausdruck auf seinem Gesicht. Ich gab ihm die Liste und erinnerte ihn daran, dass das ganze Haus voller Klienten sei, die er empfangen musse, darunter auch ein Senator. Geistesabwesend suchte er ein paar Namen aus, zu denen auch Hybrida gehorte, aber dann sagte er plotzlich: »Hol Sositheus, er soll hier weitermachen. Fur dich habe ich eine andere Aufgabe. Geh ins Staatsarchiv, und schau dir die Annalen fur das Konsulatsjahr von Mucius Scaevola und Calpurnius Piso Frugi an. Schreib alles auf, was mit Tiberius Gracchus' Volkstribunat und seinem Ackergesetz in Zusammenhang steht. Sag keinem ein Wort. Wenn dich jemand fragt, erzahl ihm irgendwas. Alles klar?« Zum ersten Mal seit einer Woche lachelte er, dann fuchtelte er mit den Handen herum, dass ich endlich verschwinden solle. »Komm schon, setz dich in Bewegung!«

Nach so vielen Jahren in seinen Diensten hatte ich mich an diese Art verwirrender und herrischer Befehle gewohnt. Ich vermummte mich gegen die Kalte und Nasse und lief den Hugel hinunter. Noch nie hatte ich die Stadt in einer derart schweren Krise erlebt - unter dunklen Wolken herrschte ein eiskalter Winter, Lebensmittel waren knapp, an jeder Ecke lief man Bettlern uber den Weg, manchmal stolperte man sogar uber die Leiche eines armes Teufels, der in der Nacht zuvor gestorben war. Ich hastete durch die trubseligen Stra?en, dann uber das Forum und schlie?lich die Stufen zum Staatsarchiv hinauf, in dem ich schon die sparlichen offiziellen Unterlagen uber Gaius Verres aufgestobert hatte. Seitdem hatten mich -vor allem wahrend Ciceros Amtszeit als Adil - viele Botengange hierher gefuhrt, sodass mein Gesicht den Angestellten dort vertraut war. Anstandslos brachten sie mir die Papyrusrolle, die ich haben wollte. Ich trug sie zu einem Lesetisch am Fenster und entrollte sie. Das Morgenlicht war trube, und es zog so stark, dass ich meine Handschuhe anbehielt. Ich hatte keine Ahnung, wonach ich uberhaupt suchte. Die Annalen lieferten - zumindest in den Zeiten, bevor Caesar sie in die Finger bekam -einen zuverlassigen und vollstandigen Bericht uber jedes Jahr. Sie verzeichneten die Namen der Magistrate, die neuen Gesetze, die Kriege und Hungersnote, die Sonnen- und Mondfinsternisse sowie alle anderen Naturereignisse. Die Angaben folgten dem offiziellen Register, das der Pontifex maximus jedes Jahr erstellte und an eine wei?e Tafel am Amtssitz des Priesterkollegiums anschlagen lie?.

Geschichte hat mich schon immer fasziniert. Cicero schrieb einmal: »Wer nicht wei?, was vor seiner Geburt geschehen ist, wird auf immer ein Kind bleiben. Was ist das menschliche Leben wert, wenn es nicht durch die Zeugnisse der Geschichte mit dem unserer Ahnen verwoben wird?« Ich spurte plotzlich die Kalte nicht mehr und hatte mich glucklich den ganzen Tag in die Ereignisse vertiefen konnen, die sich vor mehr als sechzig Jahren zugetragen hatten. Ich fand heraus, dass in jenem Jahr, dem sechshunderteinundzwanzigsten seit der Grundung Roms, Konig Attalos III. von Pergamon gestorben war und sein Reich den Romern vermacht hatte, dass Scipio Africanus der Jungere die spanische Stadt Numantia zerstort und bis auf funfzig, die in Ketten gelegt an seinem Triumph in Rom teilnehmen mussten, alle funftausend Einwohner getotet hatte und dass Tiberius Gracchus, der beruhmte reformerische Volkstribun, ein Gesetz eingebracht hatte, das die Verteilung von offentlichem Land an gewohnliche Burger vorsah, die damals - wie immer - gro?e Not gelitten hatten. Es andert sich nie etwas, dachte ich. Gracchus' Gesetz versetzte die um ihre Besitzungen furchtenden Aristokraten im Senat so in Wut, dass diese einen Volkstribun namens Marcus Octavius dazu uberredeten oder mittels Bestechung dazu brachten, sein Veto gegen das Gesetz einzulegen. Da das Volk das Gesetz jedoch einmutig befurwortete, argumentierte Gracchus auf der Rostra, verletze Octavius seine heilige Pflicht, die Interessen des Volkes zu vertreten. Er forderte das Volk auf, Octavius abzuwahlen - was das Volk sofort in die Tat umsetzte, Wahlbezirk fur

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