sich dann zur Vorderseite der Rostra und gesellte sich zu den anderen Mitgliedern des Senats, weil er deren Reaktion beobachten wollte. Die zehn Volkstribunen betraten nacheinander das Podium und setzten sich auf ihre Bank. Dann trat Gabinius vor und rief theatralisch: »Ich rufe vor das Volk ... Pompeius Magnus.«

Wie wichtig doch das Auftreten in der Politik ist und wie vorzuglich doch Pompeius von der Natur ausgestattet worden war, um den Anschein von Gro?e zu vermitteln. Als die breite und vertraute Gestalt mit schwerfalligen Schritten die Stufen emporstieg und ins Blickfeld der Menge trat, brachen Pompeius' Anhanger in frenetischen Jubel aus. Unerschutterlich wie ein Bulle, den wuchtigen Kopf auf den muskulosen Schultern leicht nach hinten geneigt, stand er da und schaute auf die ihm zugewandten Gesichter hinunter. Als atmete er den Applaus tief in die Lunge ein, hoben und senkten sich die Nasenflugel. Normalerweise nahmen es die Menschen ubel, wenn ein Redner vom Blatt ablas, anstatt scheinbar aus dem Stegreif zu sprechen, doch bei diesem Anlass verstarkte die Art, wie Pompeius seinen kurzen Text entrollte und in die Hohe hielt, die gespannte Erwartung, dass das Gewicht der Worte dem des Mannes ebenburtig sei -eines Mannes, der uber den aalglatten rhetorischen Tricks von Justiz und Politik stand.

»Burger Roms«, drohnte es in die Stille. »Im Alter von siebzehn Jahren habe ich in der Armee meines Vaters Gnaeus Pompeius Strabo fur die Einheit unseres Staates gekampft. Mit dreiundzwanzig Jahren habe ich eine Truppe von funfzehntausend Soldaten aufgestellt, habe die vereinigten Rebellenarmeen des Brutus, Caelius und Carrinas geschlagen und wurde auf dem Schlachtfeld als Imperator ausgerufen. Mit vierundzwanzig Jahren habe ich Sizilien erobert, mit funfundzwanzig Afrika, und an meinem sechsundzwanzigsten Geburtstag wurde mir ein Triumph gewahrt. Als ich drei?ig und noch nicht einmal Senator war, ubernahm ich, ausgestattet mit der Amtsgewalt eines Prokonsuls, das Kommando uber unsere Streitkrafte in Spanien, bekampfte sechs Jahre lang die Rebellen und besiegte sie. Mit sechsunddrei?ig kehrte ich nach Italien zuruck, jagte die letzten Uberreste von Spartacus' Sklavenarmee und siegte. Mit siebenunddrei?ig wurde ich zum Konsul gewahlt, und mir wurde ein zweiter Triumph gewahrt. Als Konsul setzte ich eure Volkstribunen wieder in ihre alten Rechte ein und lie? fur euch Spiele durchfuhren. Wann immer dem Staat Gefahr drohte, habe ich ihm gedient. Mein ganzes Leben ist nichts anderes gewesen als ein einziges langes Sonderkommando. Und nun droht unserem Staat eine neue, nie da gewesene Gefahr. Um dieser Bedrohung begegnen zu konnen, wird zu Recht der Vorschlag unterbreitet, ein Amt mit neuen, nie da gewesenen Befugnissen zu schaffen. Wen immer ihr auswahlt, diese Burde zu schultern, er muss sich der Unterstutzung aller Stande und aller Klassen sicher sein, denn es erfordert nahezu grenzenloses Vertrauen, einen einzigen Mann mit so gro?en Machtbefugnissen auszustatten. Seit der gestrigen Sitzung des Senats ist mir klar, dass ich dieses Vertrauen nicht besitze. Deshalb mochte ich euch sagen, dass ich, sosehr man mich auch bitten mag, einer Nominierung fur dieses Amt nicht zustimmen und dieses, sollte ich dennoch nominiert werden, nicht annehmen werde. Ich habe in meinem Leben genug Sonderkommandos innegehabt. Ich gebe hiermit bekannt, dass ich auf jedes weitere offentliche Amt verzichte und der Stadt den Rucken kehre, um wie meine Vorvater den heimatlichen Boden zu bestellen.«

Ein furchtbares Stohnen der Enttauschung ging durch die Menge, und sofort eilte Gabinius nach vorn zum unbewegt am Rand der Rednertribune stehenden Pompeius.

»Das konnen wir nicht zulassen!«, rief Gabinius. »Pompeius Magnus wurde nicht um seiner selbst willen geboren, sondern um Rom zu dienen.«

Naturlich brach nach diesem Satz ein Jubelsturm ohnegleichen los, und die Sprechchore, die unaufhorlich »Pompeius! Pompeius! Pompeius!« skandierten, hallten von den Mauern der Basiliken und Tempel wider, bis einem die Ohren schmerzten. Es dauerte eine Zeit lang, bis Pompeius sich wieder Gehor verschaffen konnte.

»Eure Freundlichkeit, meine Mitburger, ruhrt mich zutiefst, doch mein weiterer Aufenthalt in der Stadt ist euren Beratungen nur hinderlich. Trefft eine kluge Wahl, ihr Burger Roms, im Senat sitzen viele fahige Manner, die euch als Konsuln gedient haben. Und auch wenn ich Rom jetzt fur immer verlasse, vergesst nie, dass mein Herz eure Hauser und Tempel nie verlassen wird. Lebt wohl!«

Wie einen Marschallsstab hob er die Papyrusrolle in die Hohe, salutierte vor der traurig johlenden Menge, drehte sich um und stapfte zur Ruckseite der Plattform, wobei er unnachgiebig alles Bitten, noch zu bleiben, ignorierte. Den Volkstribunen stand die Verbluffung ins Gesicht geschrieben, als Pompeius die Stufen hinabstieg, wobei erst die Beine, dann der Oberkorper und schlie?lich der stattliche Kopf mit der Haartolle aus dem Blickfeld verschwanden. Einige Menschen, die in meiner Nahe standen, fingen an zu weinen und rissen an ihren Haaren und Kleidern. Und obwohl ich wusste, dass die ganze Vorstellung ein Tauschungsmanover gewesen war, hatte nicht viel gefehlt, und ich ware selbst in Tranen ausgebrochen. Die versammelten Senatoren sahen aus, als hatte in ihrer Mitte ein Wurfgeschoss eingeschlagen - in den Gesichtern einiger weniger spiegelte sich Verachtung, viele waren erschuttert, die meisten aber einfach nur sprachlos. In der Erinnerung aller war Pompeius immer der herausragende Mann im Staat gewesen. Und jetzt verlie? er einfach so die Stadt. Besonders Crassus' Gesicht bot ein Schauspiel widerstreitender Gemutsbewegungen, das kein Kunstler jemals hatte einfangen konnen. Einerseits wusste er, dass jetzt er die besten Aussichten auf das Sonderkommando hatte; andererseits aber war er so klug zu erkennen, dass das Ganze nur eine Finte sein konnte und seiner Position irgendeine noch nicht absehbare Gefahr drohte.

Cicero blieb gerade so lange, um die Reaktion auf sein Werk abschatzen zu konnen, und eilte dann davon, um Bericht zu erstatten. Hinter der Rostra trieben sich Pompeius' Leute aus Picenum und die ublichen Klienten herum. Eine geschlossene Sanfte aus blauem und goldenem Brokat stand bereit, um den General, der gerade einsteigen wollte, zur Porta Capena zu bringen. Er war nicht anders als viele andere Manner, die ich erlebt habe, nachdem sie gerade eine gro?e Rede gehalten hatten: arrogant in ihrer Hochstimmung und gleichzeitig gierig nach Bestatigung. »Das ist ja ganz hervorragend gelaufen«, sagte er. »Was meinst du?«

»Superb«, antwortete Cicero. »Crassus' Gesichtsausdruck ist nicht von dieser Welt.«

»Wie hat dir das am Ende gefallen ... >dass mein Herz eure Hauser und Tempel nie verlassen wird<?«

»Das war das Sahnehaubchen.«

Pompeius grunzte hochst befriedigt und sank in die Kissen der Sanfte. Er lie? den Vorhang herunter, schob ihn jedoch gleich wieder zur Seite. »Und du bist sicher, dass das klappen wird?«

»Unsere Widersacher hat es jedenfalls ziemlich aufgeschreckt. Das ist ein Anfang.«

Der Vorhang fiel, ging aber sofort wieder auf.

»Wann wird uber das Gesetz abgestimmt?«

»In funfzehn Tagen.«

»Halte mich auf dem Laufenden. Wenigstens einmal taglich.«

Cicero trat zur Seite, als die Sanfte auf die Schultern seiner Trager gewuchtet wurde. Kraftige Burschen, die trotz Pompeius' Gewicht im Eilschritt am Senatsgebaude vorbeiliefen und kurz darauf das Forum verlassen hatten - im Schlepptau des Himmlischen der Kometenschweif seiner Klienten und Bewunderer. »>Wie hat dir das am Ende gefallen .. .?<«, affte Cicero ihn nach und schuttelte den Kopf. »Klar, hat's mir gefallen, du Trampeltier, ich hab's ja geschrieben.« Ich schatze, dass es ziemlich schwer fur ihn gewesen sein muss, so viel Energie an einen Gebieter zu verschwenden, den er nicht bewunderte, und an eine Sache, die er fur hochst fragwurdig hielt. Die Reise in die Spitzenpositionen der Politik sperrt einen Mann oft mit widerwartigen Mitreisenden zusammen und fuhrt ihn durch seltsame Landschaften. Aber Cicero wusste auch, dass es jetzt kein Zuruck mehr gab.

KAPITEL XII

In den nachsten zwei Wochen gab es nur ein Thema in Rom - die Seerauber. Gabinius und Cornelius »lebten auf der Rostra«, wie das zu jener Zeit genannt wurde - was hei?t: Taglich bombardierten sie das Volk mit neuen Erklarungen und neuen Augenzeugen zum Thema Seeraubergefahr. Ihre Spezialitat waren Horrorgeschichten. Zum Beispiel berichteten sie, dass die Piraten ihre Gefangenen verhohnten, falls diese erklarten, sie seien Burger Roms: Die Seerauber gaben sich zu Tode erschrocken und bettelten um Vergebung, zogen ihren Gefangenen sogar eine Toga und Schuhe an und verbeugten sich jedes Mal, wenn sie an ihnen vorbeigingen. Dieses Spiel spielten sie, bis sie schlie?lich auf offener See seien, eine Leiter am Schiffsrumpf herunterlie?en und ihnen sagten, sie seien nun frei und konnten gehen, wohin sie wollten. Wenn ein Opfer sich weigerte, die Leiter hinunterzusteigen, warfen sie es einfach uber Bord. Derartige Geschichten versetzten die Zuschauer auf dem Forum in Rage; sie waren daran gewohnt, dass die magische Formel »Ich bin ein Burger Roms« uberall auf der Welt Ehrerbietung garantierte.

Cicero selbst sprach nicht auf der Rostra. Seltsamerweise hatte er dort noch nie eine Rede gehalten. Er

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