Element war. Er schmeichelte, floss uber vor Liebenswurdigkeit, platzierte das eine oder andere mitfuhlende Wort und gelegentlich wohl auch eine Drohung -entsprechend seiner Philosophie, dass es nichts gab, was man mit Worten nicht aus der Welt schaffen oder wieder ins Lot bringen konnte.

*

Und so wurde mit der von allen Wahlbezirken einstimmig beschlossenen lex Gabinia ein Gesetz verabschiedet, das gewaltige Auswirkungen haben sollte - fur alle personlich Betroffenen, fur Rom, fur die Welt.

Mit Einbruch der Dunkelheit leerte sich das Forum, und die Kampfer zogen sich in ihre jeweiligen Hauptquartiere zuruck - der harte Kern der Aristokraten in Catulus' Haus auf der Kuppe des Palatin, die Anhanger von Crassus in dessen bescheidenere Behausung ein Stuck weiter unten am selben Hugel, und die siegreichen Pompeianer in die Villa ihres Anfuhrers auf dem Esquilin. Wie ublich hatte der Erfolg seine fruchtbare Zauberkraft entfaltet, und so drangelten sich nach meiner Schatzung mindestens zwanzig Senatoren in Pompeius' Tablinum, tranken seinen Wein und erwarteten seine siegreiche Ruckkehr. Kandelaber tauchten den Raum in helles Licht. Alkohol, Schwei?, laute Mannergesprache - es herrschte eine Atmosphare wie so oft, wenn sich gro?e Spannungen losen. Caesar, Afranius, Palicanus, Varro, Gabinius und Cornelius hatten sich eingefunden, waren aber in der Minderzahl gegenuber den neuen Gesichtern. Ich kann mich nicht mehr an alle Namen erinnern. Lucius Torquatus und sein Vetter Aulus waren bestimmt anwesend, ebenso Metellus Nepos und Lentulus Marcellinus, zwei weitere angesehene junge Aristokraten. Cornelius Sisenna (der einer der leidenschaftlichsten Anhanger von Verres gewesen war), die Exkonsuln Lentulus Clodianus und Gellius Publicola (jener Gellius, der immer noch unter Ciceros Witz uber die Athener Philosophenkonferenz litt) hatten die Fu?e hochgelegt und fuhlten sich schon ganz wie zu Hause. Cicero selbst sa? in einem angrenzenden Zimmer uber der Dankesrede, die Pompeius morgen halten wurde. Damals wunderte ich mich daruber, dass er so still war, aber im Nachhinein glaube ich, dass er vielleicht intuitiv spurte, dass sich ein Riss im Gefuge des Staates aufgetan hatte, den selbst er mit seinen Worten nur schwer wurde kitten konnen. Alle paar Minuten schickte er mich in den Flur, um nachzusehen, ob Pompeius schon eingetroffen war.

Kurz vor Mitternacht erschien ein Bote mit der Nachricht, dass Pompeius auf der Via Latina Richtung Rom unterwegs sei. Fur den Fall, dass seine Feinde eine letzte verzweifelte Aktion planten, standen etwa zwanzig von Pompeius' Veteranen an der Porta Capena bereit, um ihn mit Fackeln nach Hause zu geleiten. Eine uberflussige Vorsichtsma?nahme, denn Quintus, der mit den Vorstehern der Stadtteile fast die ganze Nacht auf den Beinen gewesen war, berichtete seinem Bruder, dass es auf den Stra?en ruhig sei. Schlie?lich kundigten Bravorufe seine Ankunft an, und im nachsten Augenblick stand Pompeius mitten unter uns - gro?er denn je, grinsend, Hande schuttelnd, Schultern klopfend; sogar ich bekam einen freundlichen Klaps ab. Die Senatoren forderten lautstark eine Ansprache, worauf Cicero eine Spur zu laut anmerkte: »Er kann noch nicht sprechen, ich habe die Rede noch nicht fertig.« Einen Augenblick lang verdunkelte sich Pompeius' Gesicht, aber wieder war es Caesar, der Cicero zu Hilfe eilte, indem er in brullendes Gelachter ausbrach. Pompeius fing an zu grinsen und drohte Cicero gespielt vorwurfsvoll mit dem Finger, worauf sich die Atmosphare augenblicklich entspannte und in die spottelnde Stimmung einer Offiziersmesse verwandelte, wo der triumphierende Kommandeur gar nichts anderes erwartet, als auf den Arm genommen zu werden.

Bei dem Wort Imperium muss ich immer an Pompeius denken - an den Pompeius, der sich in jener Nacht uber eine Karte des Mittelmeerraumes beugte und Herrschaftsbefugnisse uber Land- wie Seegebiete so beilaufig verteilte, wie er seinen Wein ausschenkte (»Marcellinus, du kannst das Libysche Meer haben, und du, Torquatus, nimmst dann Ostspanien ...«); und an den Pompeius, der am nachsten Morgen zum Forum ging, um seine Beute einzufordern. Die Chronisten schatzten spater, dass etwa zwanzigtausend Menschen ins Zentrum Roms gestromt waren, um seine Weihe zum Oberbefehlshaber der Welt mitzuerleben. Angesichts der riesigen Menge wagten nicht einmal Catulus und Hortensius eine letzte Aktion des Widerstands, obwohl sie, da bin ich mir sicher, gern noch einen weiteren Versuch unternommen hatten. Stattdessen waren sie und die anderen Senatoren genotigt, gute Miene zum bosen Spiel zu machen. Bezeichnenderweise war Crassus nicht einmal dazu in der Lage, er kam erst gar nicht. Pompeius sagte nicht viel, er begnugte sich mit einigen von Cicero formulierten Beteuerungen demutiger Dankbarkeit und einem Appell, die Einheit der Nation zu bewahren. Allerdings waren viele Worte auch nicht notig: Allein seine Anwesenheit und das in ihn gesetzte Vertrauen hatten dafur gesorgt, dass der Getreidepreis auf den Markten um die Halfte gefallen war. Er beschloss seine Rede mit einigen herrlich theatralischen Satzen, die nur Ciceros Geist entsprungen sein konnten: »Ich werde nun wieder jene Rustung anlegen, die mir einst so teuer und vertraut gewesen ist, und den geweihten roten Umhang des romischen Befehlshabers im Felde. Und ich werde ihn erst wieder ablegen, wenn Rom siegreich aus diesem Krieg hervorgegangen ist -oder ich werde diesen Kampf nicht uberleben!« Er hob seine Hand zum Gru? und verlie? das Podium -wurde auf einer Woge sturmischen Beifalls vom Podium getragen, das trifft es wohl besser. Der Applaus war noch nicht verklungen, da tauchte seine Gestalt hinter der Rostra plotzlich wieder auf: Mit festen Schritten stieg er die Stufen zum Kapitol hinauf. Er trug das paludamentum, den leuchtend scharlachroten Umhang, der das Kennzeichen jedes romischen Prokonsuls im aktiven Dienst ist. Wahrend die Menschen vor Begeisterung au?er Rand und Band gerieten, schaute ich zu der Stelle, wo Cicero und Caesar standen. Cicero schien gleichzeitig belustigt wie angewidert zu sein, Caesar hingegen sah dem Treiben vollig verzuckt zu, als tate er einen Blick in seine eigene Zukunft. Pompeius verschwand im Tempel der Kapitolinischen Trias, wo er Jupiter einen Bullen opferte, um danach sofort, ohne sich von Cicero oder sonst jemandem zu verabschieden, die Stadt zu verlassen. Es sollte sechs Jahre dauern, bis er nach Rom zuruckkehrte.

KAPITEL XIII

Bei den jahrlichen Wahlen fur die Pratur in jenem Sommer hatte Cicero am besten abgeschnitten. Als Folge des Gezerres um die lex Gabinia war das Vertrauen der politischen Parteien untereinander vollig zerstort, sodass der Wahlkampf hasslich und rupelhaft gewesen war. Ich habe Ciceros Brief an Atticus vor mir liegen, in dem er seinen Ekel uber alle Aspekte des offentlichen Lebens zum Ausdruck brachte: »Du wurdest es nicht glauben, wie schnell und wie verwahrlost sie alle seit deiner Abreise geworden sind.« Zweimal hatten die Wahlen abgebrochen werden mussen, weil es auf dem Marsfeld zu wusten Schlagereien gekommen war. Cicero hatte Crassus im Verdacht, Unruhestifter angeheuert zu haben, um die Wahlen zu sabotieren, konnte aber nichts beweisen. Was auch immer dahintersteckte, es dauerte jedenfalls bis September, bevor die acht gewahlten Pratoren im Senat zusammenkamen, damit festgelegt werden konnte, wer im kommenden Jahr fur welchen Gerichtshof den Vorsitz ubernehmen wurde. Die Entscheidung wurde wie ublich durch das Los getroffen.

Das begehrteste Amt war das des Stadtprators, der in jenen Tagen die gesamte Gerichtsbarkeit unter sich hatte, hinter den beiden Konsuln der dritte Mann im Staat und au?erdem fur die Ausrichtung der Spiele des Apollo verantwortlich war. War das der Haupttreffer unter den zu verteilenden Posten, so war der Gerichtshof fur Veruntreuungen der, den man unter allen Umstanden vermeiden wollte: Er war geradezu niederschmetternd langweilig. »Naturlich ware mir die Stadtpratur am liebsten«, vertraute mir Cicero auf dem Weg zum Senat an. »Ganz ehrlich, wenn ich bei >Veruntreuungen< ein Jahr lang Akten walzen muss, dann hange ich mich auf. Mit allem anderen kann ich leben.« Er war aufgeraumter Stimmung an jenem Morgen. Die Wahlen waren endlich vorbei, und er hatte die meisten Stimmen bekommen. Pompeius hatte nicht nur Rom, sondern inzwischen auch Italien verlassen, sodass Cicero von keinem machtigen Mann mehr uberragt wurde. Er war dem Konsulat jetzt sehr nah - so nah, dass er es fast beruhren konnte.

Wenn Amterverlosungen anstanden, sich also die hohe Politik mit dem Glucksspiel verband, war der Senat immer bis auf den letzten Platz besetzt. Als wir eintrafen, befand sich die Mehrheit der Senatoren schon im Saal. Cicero wurde ein lautstarker Empfang bereitet: Seine alten Anhanger unter den pedarii bejubelten ihn, die Aristokraten wurden ausfallend. Crassus, der wie ublich mit ausgestreckten Beinen auf der Konsulnbank in der ersten Reihe sa?, beobachtete seinen Einzug mit halb geschlossenen Augen - wie eine gro?e Katze, die sich schlafend stellt, wahrend ein kleiner Vogel vorbeitrippelt. Die Wahl war im Gro?en und Ganzen so ausgegangen, wie Cicero erwartet hatte. Wenn ich nun die Namen der gewahlten Pratoren nenne, so glaube ich, dass man dadurch einen guten Eindruck bekommt, wie es zu jener Zeit um die Politik bestellt war.

Neben Cicero gab es nur noch zwei Manner mit unbestrittenen Fahigkeiten, die gelassen daraufwarteten, ihr Los zu ziehen. Der bei weitem fahigste war Aquilius Gallus, der schon ein angesehener Richter war und den so mancher fur einen noch besseren Rechtsanwalt als Cicero hielt. Tatsachlich war er eine Art Vorbild fur Cicero -

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