Terentia zugutehielt. Seitdem legte er deutlich mehr Wert auf ihren Rat.

Ciceros Wahlkampfstrategie sah vor, dass er Rom nun fur vier Monate den Rucken kehrte und im Norden, bis hinauf zur Grenze Italiens mit Gallia Cisalpina, auf Stimmenfang ging. Soweit mir bekannt, hatte das noch kein Kandidat vor ihm getan, und obwohl Cicero die Stadt nur au?erst ungern fur so lange Zeit verlie?, war er davon uberzeugt, dass es die Muhe wert war. Bei seiner Kandidatur fur das Adilat hatte es etwa vierhunderttausend registrierte Wahler gegeben. Inzwischen jedoch waren die Listen von den Zensoren aktualisiert und die Gebiete mit Wahlrecht bis zum Po ausgedehnt worden, sodass es nun fast eine Million Stimmberechtigte gab. Nur sehr wenige von diesen Burgern wurden jemals die weite Reise in Erwagung ziehen, um in Rom personlich ihre Stimme ab zu geben. Wenn er es aber schaffte, so Ciceros Kalkulation, nur einen von zehn, mit denen er auf seiner Wahlkampfreise sprach, zu der Muhe uberreden zu konnen, dann konnte ihm das auf dem Marsfeld den entscheidenden Vorteil bringen.

Er setzte die Abreise auf den Tag nach den Romischen Spielen fest, die in jenem Jahr wie ublich am funften September begannen. Und da traf Cicero der zweite . nun ja, ich wurde es nicht gerade Schock nennen, aber es war doch entschieden beunruhigender als eine simple Uberraschung. Die Romischen Spiele wurden wie immer von den kurulischen Adilen veranstaltet, von denen einer Caesar war. Wie bei Antonius Hybrida setzte man auch in ihn keinerlei Erwartungen, weil jeder wusste, dass er sich immer in finanziellen Engpassen befand. Aber Caesar riss das Spektakel gleich ganz an sich und verkundete auf seine arrogante Art, dass diese Spiele nicht nur zu Ehren Jupiters, sondern auch zu Ehren seines toten Vaters stattfanden. Schon Tage vorher errichteten seine Arbeiter auf dem Forum Kolonnaden, wo die Menschen flanieren und staunen konnten, welche wilden Tiere er importiert und welche Gladiatoren er eingekauft hatte - nicht weniger als dreihundertzwanzig Kampfpaare in Silberrustungen: so viele wie nie zuvor bei offentlichen Spielen. Er veranstaltete Bankette, hielt Umzuge ab, fuhrte Theaterstucke auf, und am Morgen der eigentlichen Spiele erwachten die Burger Roms und stellten fest, dass er auf dem Gelande des Kapitols uber Nacht eine Statue von Marius, dem Helden der Popularen, hatte aufstellen lassen - der gro?en Hassfigur der Aristokraten.

Catulus lie? daraufhin umgehend den Senat einberufen und stellte den Antrag auf sofortige Entfernung der Statue. Caesar war jedoch derma?en popular in Rom, dass es der Senat nach seiner atzenden Gegenrede nicht wagte, die Angelegenheit weiter zu verfolgen. Jedem war klar, dass es nur einen Mann gab, der Caesar das Geld fur eine derartig verschwenderische Inszenierung hatte leihen konnen: Crassus. Ich wei? noch, dass Cicero nach den Romischen Spielen in genauso niedergeschlagener Stimmung nach Hause kam wie nach Hybridas Spielen des Apollo. Das lag nicht an Caesar, denn es war unwahrscheinlich, dass der sechs Jahre Jungere jemals in einer Wahl gegen ihn antreten wurde, sondern daran, dass Crassus eindeutig etwas im Schilde fuhrte und Cicero keine Ahnung hatte, was das war. In jener Nacht schilderte mir Cicero eine Nummer des Unterhaltungsprogramms. »Ein bedauernswerter Bursche, irgendein Krimineller, wurde nackt in die Mitte der Arena gefuhrt. Seine einzige Waffe war ein Holzschwert. Dann haben sie einen Panther und einen Lowen auf ihn losgelassen, die sicher seit Wochen kein Stuck Fleisch mehr gesehen hatten. Der Bursche hat den Leuten wirklich eine anstandige Vorstellung geboten. Er hat sich den einzigen Vorteil zunutze gemacht, den er hatte -seinen Verstand. Er ist hierhin gesaust, dahin gesaust, und eine Zeit lang hat es ganz so ausgesehen, als konnte er es schaffen, dass die beiden Raubtiere nicht ihm, sondern sich gegenseitig an die Gurgel gingen. Die Menge hat ihn angefeuert. Aber dann ist er ein einziges Mal gestolpert, und die beiden Bestien haben ihn in Stucke gerissen. Ich habe nach links geschaut, zu Hortensius und den anderen Aristokraten, alle haben gelacht und applaudiert, und dann nach rechts, wo nebeneinander Crassus und Caesar gesessen haben. Und ich habe mir gedacht: Tja, Cicero, der Mann da unten, das bist du.«

Seine personlichen Beziehungen zu Caesar waren immer freundlich, nicht zuletzt deshalb, weil Caesar seine Witze mochte. Aber er hatte ihm nie vertraut, und jetzt, da er ihn verdachtigte, mit Crassus zu paktieren, begann er etwas mehr Abstand zu halten. Es gibt noch eine Geschichte uber Caesar, die ich erwahnen sollte. Etwa um die gleiche Zeit wurde Palicanus bei Cicero mit dem Anliegen vorstellig, ihn bei seiner eigenen Bewerbung fur das Konsulat zu unterstutzen. Ach ja, der arme Palicanus! Er war ein warnendes Beispiel dafur, wie einem die Politik mitspielen kann, wenn man zu sehr von der Gunst eines bedeutenden Mannes abhangt. Er war erst Pompeius' treuer Volkstribun und dann sein treuer Prator gewesen, hatte aber -nachdem Pompeius das Sonderkommando erhalten hatte - nie seinen Anteil an der Beute bekommen. Aus einem einfachen Grund: Es gab nichts mehr, was Palicanus dafur noch hatte anbieten konnen; er war einfach leer, ausgepresst. Ich stelle mir vor, dass er Tag fur Tag in seinem Haus sa? und seine monstrose Pompeius-Buste anschaute oder allein vor seinem Wandgemalde von Pompeius als Jupiter zu Abend a? - im Ernst, seine Chancen auf das Konsulat waren ungefahr so gro? wie meine. Aber Cicero wollte ihm die Abfuhr so freundlich wie moglich beibringen. Er sagte, er konne kein Wahlbundnis mit ihm eingehen, aber er wurde versuchen, ihm in der Zukunft anderweitig behilflich zu sein (was er naturlich nie tat). Am Ende des Gesprachs, Palicanus hatte sich bereits erhoben, wollte Cicero noch eine freundliche Bemerkung machen und bat ihn, doch seine Tochter (die schlampige Lollia, die Frau von Gabinius) von ihm zu gru?en.

»Lass mich blo? mit dieser Hure in Ruhe!«, sagte er. »Du musst doch davon gehort haben? Die ganze Stadt redet schon daruber. Sie lasst sich jeden Tag von Caesar vogeln.«

Cicero versicherte ihm, dass er das nicht gewusst habe.

»Caesar«, sagte Palicanus bitter. »Dieser falsche Bastard. Ich bitte dich, genau dann mit der Frau eines Kameraden ins Bett zu gehen, wenn der tausend Meilen weit weg fur sein Vaterland kampft.«

»Eine Schande«, pflichtete Cicero ihm bei. »Nicht dass ich in solchen Dingen Experte ware«, sagte er zu mir, nachdem Palicanus gegangen war. »Aber wenn man schon so was macht, dann ist das doch genau der richtige Zeitpunkt.« Er schuttelte den Kopf. »Allerdings ... da kommt man schon auf Gedanken. Wenn dir ein Mann deine Frau ausspannt, was wurde er dir noch alles abknopfen?«

Wieder einmal hatte ich ihm fast erzahlt, was ich in Pompeius' Haus gesehen hatte. Und wieder besann ich mich eines vermeintlich Besseren.

An einem klaren Herbstmorgen verabschiedete sich Cicero unter Tranen von Terentia, Tullia und dem kleinen Marcus, und wir verlie?en die Stadt, um auf gro?e Wahlkampfreise in den Norden zu gehen. Wie ublich blieb Quintus zuruck und nahm sich der politischen Interessen seines Bruders an, wahrend Frugi mit dem juristischen Tagesgeschaft betraut wurde. Der junge Caelius Rufus nahm die Abreise zum Anlass, Cicero endlich zu verlassen, um seine Ausbildung im Haushalt von Crassus zu vervollstandigen.

Wir reisten in einer Kolonne aus drei vierradrigen Kutschen, die von jeweils zwei Maultieren gezogen wurden - in einer schlief Cicero, eine andere war zum Arbeitszimmer umgebaut worden, und die dritte war bis unters Dach vollgestopft mit Gepack und Unterlagen. Danach kamen kleinere Wagen, in denen das Gefolge des Senators untergebracht war: Sekretare, Diener, Maultiertreiber, Koche und Wer-wei?-ich-noch-alles, darunter mehrere stammige Manner, die als Leibwachen dienten. Niemand wunschte uns Lebewohl, als wir durch die Porta Fontinalis aus der Stadt hinausfuhren. In jenen Tagen waren die Hugel nordlich von Rom noch ganz mit Pinien bedeckt - abgesehen von dem einen, auf dem Lucullus gerade seinen beruchtigten Palast vollendete. Der patrizische General war inzwischen aus dem Osten zuruckgekehrt, konnte die Stadt aber nicht betreten, ohne sein militarisches Imperium und damit auch sein Recht auf einen Triumph zu verwirken. Also wartete er hier drau?en inmitten all seiner Kriegsbeute darauf, dass seine aristokratischen Kumpane eine Mehrheit im Senat zustande brachten, die dafur stimmte, dass er als Triumphator in Rom einziehen konnte -was aber Pompeius' Anhanger, darunter auch Cicero, nach wie vor verhinderten. Allerdings schaute Cicero kurz von seinen Briefen auf, um im Vorbeifahren einen Blick auf den gewaltigen Palast zu werfen, dessen Dach zwischen den Baumwipfeln hervorlugte. Insgeheim hoffte ich, dass wir vielleicht den gro?en Mann selbst zu Gesicht bekamen, aber naturlich war das nicht der Fall. (Nebenbei bemerkt: Auch der gerade aus Kreta zuruckgekehrte Quintus Metellus, der einzige noch lebende der drei Metellus-Bruder, sa? vor den Toren Roms fest und wartete auf die Bewilligung seines Triumphes, den ihm der ewig eifersuchtige Pompeius aber ebenso verweigerte. Lucullus' und Metellus' missliche Lage war fur Cicero Quell standigen Vergnugens: »Generale im Verkehrsstau«, nannte er sie. »Beide wollen unbedingt durch den Triumphbogen nach Rom ziehen.«) An der Milvischen Brucke hielten wir an, und Cicero setzte schnell noch einen letzten Abschiedsgru? an Terentia auf. Dann uberquerten wir den angeschwollenen Tiber und fuhren auf der Via Flaminia Richtung Norden.

An jenem ersten Tag kamen wir sehr gut voran und erreichten kurz vor Einbruch der Dunkelheit das etwa drei?ig Meilen nordlich von Rom gelegene Ocriculum. Wir wurden von einem prominenten Burger, der Cicero seine Gastfreundschaft angeboten hatte, empfangen, und am nachsten Morgen auf dem Forum eroffnete der Senator seinen Wahlfeldzug. Das Geheimnis eines effizienten Wahlkampfs liegt in der Qualitat der Arbeit, die der Mitarbeiterstab des Kandidaten schon im Voraus geleistet hat. Cicero hatte das gro?e Gluck, zwei Konner auf

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