das Gesetz gegen den einen vorgeht, dann mussen die Strafen fur den anderen verscharft werden. Mit deiner Erlaubnis, Figulus, mochte ich deshalb eine Erganzung zu deinem Gesetz vorschlagen: Jede Person, die einem Burger gegen Geld dessen Wahlerstimme abkauft, abzukaufen versucht oder deren Kauf veranlasst, soll mit zehn Jahren Exil bestraft werden.« Ein aufgeregtes und lang gezogenes »Oooh« schwappte durch die gesamte Kammer.

Von meinem Standpunkt aus konnte ich Crassus nicht sehen, aber Cicero versicherte mir hinterher entzuckt, dass sein Gesicht knallrot angelaufen sei, denn die Wendung oder deren Kauf veranlasst war direkt auf ihn gemunzt, und jeder wusste das. Seelenruhig akzeptierte der Konsul den Zusatz und fragte, ob ein Mitglied des Hauses Einwande habe. Die Mehrheit der Senatsmitglieder war zu uberrascht, um uberhaupt reagieren zu konnen, und diejenigen, die am meisten zu verlieren hatten, wie Crassus, wagten es nicht, sich in aller Offentlichkeit zu entlarven, indem sie dagegen Stellung bezogen. Folglich wurde der Zusatz ohne Gegenrede zugelassen, und als das Haus uber das Gesetz abstimmte, wurde es mit gro?er Mehrheit angenommen. Angefuhrt von seinen Liktoren, verlie? Figulus die Kammer. Die Senatoren marschierten hinter ihm hinaus auf das sonnenbeschienene Forum, wo Figulus die Stufen zur Rostra hinaufstieg und das Gesetz zur sofortigen ersten Lesung dem Herold uberreichte. Ich sah, dass Hybrida sich Crassus zuwenden wollte, aber von Catilina am Arm festgehalten wurde. Crassus verlie? ubersturzt das Forum, um nicht zusammen mit seinen Kandidaten gesehen zu werden. Jetzt mussten wie ublich die drei einmal wochentlich stattfindenden Markttage verstreichen, bevor uber das Gesetz abgestimmt werden konnte, was bedeutete, dass das Volk unmittelbar vor den Konsulatswahlen sein Urteil fallte.

Cicero war hochzufrieden mit seinem Tagewerk. Sollte namlich die lex Figula angenommen werden und er die Wahl wegen der Bestechungen verlieren, dann eroffnete ich ihm die Moglichkeit, Klage anzustrengen - und zwar nicht nur gegen Catilina und Hybrida, sondern auch noch gegen seinen Erzfeind Crassus hochstpersonlich. Immerhin war es erst zwei Jahre her, dass zwei designierte Konsuln wegen illegaler Wahlkampfpraktiken ihrer Amter enthoben worden waren. Fur eine solche Klage brauchte Cicero allerlings Beweise, und der Druck, diese aufzutreiben, wurde immer gro?er. Von morgens bis abends war er auf Stimmenfang, wobei er zwar immer mit einer gro?en Anhangerschar unterwegs war, aber nie mit einem nomendator, der ihm die Wahlernamen einflustern musste: Anders als seine Gegner war Cicero sehr stolz auf seine Fahigkeit, Tausende von Namen zu wissen. Und falls er, was selten genug vorkam, einmal einen Namen nicht parat hatte, schaffte er es immer, sich durch das Gesprach hindurchzumogeln.

Zu jener Zeit war meine Bewunderung fur ihn riesengro?. Er hat sicher gewusst, dass die Aussichten ziemlich schlecht fur ihn standen und er wahrscheinlich verlieren wurde. Pisos Vorhersage bezuglich Pompeius hatte sich vollauf bestatigt. Der hohe Herr hatte keinen Finger geruhrt, um Ciceros Wahlkampf zu unterstutzen. Er hatte sich am Ostufer des Schwarzen Meeres eingerichtet, in Amisus - dem am weitesten von Rom entfernten Ort im ganzen Imperium -, und lie? sich dort wie ein orientalischer Potentat von nicht weniger als zwolf regionalen Konigen huldigen. Syrien war dem Romischen Reich einverleibt worden, und Mithridates war Hals uber Kopf geflohen. Pompeius' Haus auf dem Esquilin war mit den erbeuteten Rammspornen von funfzig Piratentriremen dekoriert worden und wird heute domus rostra genannt - ein Schrein fur seine Bewunderer aus ganz Italien. Was kummerten Pompeius lacherliche Zivilistenscharmutzel? Ciceros Briefe blieben unbeantwortet. Wahrend Quintus sich uber Pompeius' Undankbarkeit ereiferte, nahm Cicero es fatalistisch: »Wenn du Dankbarkeit willst, dann kauf dir einen Hund.«

*

Drei Tage vor den Konsulatswahlen, am Vorabend der Abstimmung uber das Bestechungsgesetz, gab es endlich einen Durchbruch. Ranunculus sturzte mit der Nachricht in Ciceros Arbeitszimmer, dass er einen Stimmenkaufer namens Gaius Sarinator gefunden habe, der behaupte, er habe noch dreihundert Stimmen fur einhundertzwanzig Sesterzen das Stuck anzubieten. Er sei der Besitzer einer Weinschenke namens Bacchante in Subura und er, Ranunculus, habe fur heute Abend ein Treffen vereinbart, um ihm den Namen des Kandidaten zu nennen, fur den die bestochenen Wahler zu stimmen hatten, und um das Geld an einen der sequestres zu ubergeben, dem beide vertrauten. Als Cicero das horte, wurde er ganz aufgeregt und bestand darauf, Ranunculus zu begleiten - inkognito, mit einer tief ins Gesicht gezogenen Kapuze, um seine Identitat zu verbergen. Quintus hielt das fur zu gefahrlich, doch Cicero lie? sich nicht beirren, er brauche unbedingt Beweise aus erster Hand. »Ranunculus und Tiro sind ja zu meinem Schutz dabei«, sagte er zu Quintus, was ich fur einen seiner Scherze hielt. »Aber du kannst ja noch ein paar unserer Anhanger als anonyme Zecher hinschicken, nur fur den Fall, dass wir doch mehr Hilfe brauchen.«

Um diese Zeit war ich fast vierzig, und nach einem ausschlie?lich mit Schreibarbeit verbrachten Leben waren meine Hande so weich wie die eines Madchens. Wenn es wirklich Arger geben sollte, dann wurde der durch seine taglichen Ubungen mit einer beeindruckenden Physis ausgestattete Cicero mich beschutzen mussen. Nichts desto trotz offnete ich die Geldtruhe in seinem Arbeitszimmer und zahlte die benotigte Summe in Silbermunzen ab. (Er hatte eine von seinen Bewunderern gut gefullte Wahlkampfkasse, aus der er etwa Ausgaben wie die fur die Reise nach Gallia Cisalpina bestritt: Es handelte sich dabei nicht um Bestechungsgelder als solche, obwohl Ciceros Ruf, niemals einen Namen zu vergessen, fur die Spender naturlich beruhigend war.) Die Silbermunzen wurden in einem Geldgurtel verstaut, den ich mir um die Hufte schlingen musste, und bei Einbruch der Dunkelheit ging ich schweren Schrittes - in der doppelten Bedeutung der Wortes - zusammen mit Cicero in die Subura hinunter. Es war ein sehr warmer Abend, sodass er unter der Kapuze der Tunika, die er sich von einem seiner Sklaven ausgeliehen hatte, eine komische Figur abgab. Aber in den ubervolkerten Elendsvierteln war absonderliche Kleidung ein ganz normaler Anblick.Wenn die Menschen jemanden mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze sahen, dann machten sie einen gro?en Bogen um ihn aus Angst, er konnte die Lepra haben oder irgendein anderes entstellendes Leiden, mit dem sie sich anstecken konnten. Wir folgten Ranunculus, der sich wie eine Kaulquappe durch das Labyrinth seines aus schmalen, verdreckten Gassen bestehenden Wohnviertels schlangelte, bis wir schlie?lich zu einem Haus kamen, vor dem neben dem Eingang ein paar Manner sa?en und einen mit Wein gefullten Krug kreisen lie?en. Uber ihren Kopfen prangte ein Wandgemalde von Bacchus, der sich mit vorgestreckter Leibesmitte erleichterte. Der Geruch in dem Laden passte zu dem Bild. Ranunculus ging vor, fuhrte uns hinter die Theke und uber eine schmale Holztreppe hinauf in einen niedrigen Raum unter dem Dach. Dort warteten Salinator und der Sequester, dessen Namen ich nie erfuhr.

Sie waren so gierig auf das Geld, dass sie den Kapuzenmann hinter mir kaum beachteten. Ich nahm den Gurtel ab und zeigte ihnen eine Handvoll Munzen, worauf der Sequester eine kleine Waage auspackte und anfing, die Silbermunzen zu wiegen. Salinator, eine schwabbelige Kreatur mit glatten Haaren und Schmerbauch, schaute sich das eine Zeit lang an und sagte dann zu Ranunculus: »Das reicht. Gib mir jetzt den Namen deines Klienten.«

»Ich bin sein Klient«, sagte Cicero und zog sich die Kapuze vom Kopf. Naturlich erkannte Salinator ihn sofort. Erschrocken wich er einen Schritt zuruck und stie? dabei gegen den Sequester. Noch im Ruckwartsstolpern versuchte er verzweifelt, die Situation zu retten, verbeugte sich ein ums andere Mal und versicherte dem Senator, was fur eine Ehre es sei, seinen Wahlkampf unterstutzen zu durfen und so weiter und so fort, bis ihm Cicero barsch uber den Mund fuhr. »Von Lumpen wie dir brauche ich keine Hilfe. Was ich brauche, sind Informationen.«

Salinator hatte gerade mit seiner Jammerarie begonnen, dass er absolut nichts wisse, als der Sequester plotzlich die Waage fallen lie? und zur Treppe sturzte. Allerdings prallte er schon nach den ersten paar Stufen auf den muskulosen Quintus, der ihn oben und unten an seiner Tunika packte, ihn wieder zuruckschleifte und einfach ins Zimmer warf Als ich hinter Quintus auch noch ein paar stammige Burschen, die Cicero des Ofteren zu Diensten waren, die Treppe hinaufkommen sah, fiel mir ein Stein vom Herzen. Beim Anblick so vieler kraftiger Manner und eines der beruhmtesten Anwalte Roms begann Salinators Widerstand zu brockeln. Und als Cicero auch noch drohte, ihn Crassus zu ubergeben, weil er versucht habe, die gleichen Stimmen zweimal zu verkaufen, brach er vollends zusammen. Die Aussicht, Crassus und seiner Rache ausgeliefert zu werden jagte ihm mehr Angst ein als alles andere. Mir fiel wieder ein, was Sicinius schon vor Jahren uber den »alten Glatzkopf« gesagt hatte - Cicero hatte den Ausspruch mir gegenuber mehrfach wiederholt - »... der gefahrlichste Bulle in der Herde«.

»Dann ist dein Klient also Crassus?«, fragte Cicero. »Denk gut nach, bevor du leugnest.«

Salinators Kinn zuckte leicht: Zu mehr als einem angedeuteten Nicken reichte sein Mut nicht.

»Die dreihundert Stimmen waren also fur Hybrida und Catilina bestimmt, richtig?«

Wieder die Andeutung eines Nickens. »Ja«, sagte er. »Und fur die anderen.«

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