»Die anderen? Wen meinst du? Lentulus Sura fur die Pratur?«

»Ja, auch. Und fur die anderen.«

»Die anderen, die anderen«, wiederholte Cicero gereizt. »Wer sind die anderen?«

»Halt den Mund!«,brullte der Sequester, wofur ihm Quintus in den Magen trat. Stohnend krummte er sich zusammen.

»Hor nicht auf den«, sagte Cicero leutselig. »Ich kenne diese Typen, die sturzen dich nur ins Ungluck. Also ...« Er druckte ihm ermunternd den Arm. »Wer sind die anderen?«

»Cosconius«, sagte Salinator und warf einen kurzen nervosen Blick auf die sich windende Gestalt auf dem Boden. Dann holte er Luft und sagte schnell: »Pomptinus, Baibus, Caecihus, Labienus, Faberius, Gutta, Bulbus, Calidius, Tudicius, Valgius und Rullus.«

Bei jedem neuen Namen schaute Cicero ein bisschen erstaunter. »Sind das alle?«, fragte er, als Salinator fertig war. »Du bist sicher, dass du keinen Senator vergessen hast?« Er blickte zu Quintus, der ebenso verblufft war wie er selbst.

»Da geht's also nicht nur um zwei Kandidaten furs Konsulat«, sagte Quintus. »Das sind noch drei fur die Pratur und zehn furs Volkstribunat. Crassus versucht sich eine ganze Regierung zu kaufen.«

Cicero war nicht der Mann, der gern zeigte, dass ihn etwas uberraschen konnte. Doch an jenem Abend stand auch ihm die Verbluffung ins Gesicht geschrieben. »Aber das ist vollkommen absurd«, sagte er aufgebracht. »Was haben die einzelnen Stimmen gekostet?«

»Funfhundert furs Konsulat, zweihundert fur die Pratur, hundert furs Volkstribunat«, sagte Salinator, als handelte es sich um Schweine auf dem Viehmarkt.

»Du willst mir also tatsachlich weismachen«, fragte Cicero, wahrend er mit gerunzelter Stirn die Gesamtsumme uberschlug, »dass Crassus allein fur die dreihundert Stimmen in deinem Wahl verein eine dreiviertel Million zahlen will?«

Salinator nickte, dieses Mal heftiger, ja sogar befriedigt, mit einem gewissen professionellen Stolz. »Das ist der grandioseste Wahlkampf seit Menschengedenken.«

Cicero drehte sich zu Ranunculus um, der am Fenster stand und auf verdachtige Bewegungen auf der Stra?e achtete. »Wie viele Stimmen hat Crassus deiner Meinung nach zu diesen Preisen gekauft?«

»Also, wenn er auf Nummer sicher gehen will«, sagte Ranunculus, dachte eine Zeit lang angestrengt nach und fuhr dann fort, »schatze ich, so sieben- bis achttausend.«

»Achttausend?«, wiederholte Cicero.

»Achttausend wurden ihn zwanzig Millionen Sesterzen kosten. Ist dir so etwas schon mal untergekommen? Und am Ende hat er nicht einmal selbst einen Posten, sondern hat nur solche Trottel vie Hybrida und Lentulus Sura in Amt und Wurden gebracht.« Er drehte sich wieder zu Salinator um. »Hat er dir gegenuber mal Andeutungen uber die Grunde fur diese Gewaltoperation gemacht?«

»Nein, Senator. Crassus ist nicht der Mann, der gern Fragen beantwortet.«

Quintus fluchte. »Jetzt wird er wohl ein paar Fragen beantworten mussen, der Schweinehund.« Und wie um seinem Arger Luft zu verschaffen, trat er dem Sequester, der gerade dabei war, sich wieder aufzurichten, noch einmal in den Magen, worauf dieser erneut stohnend zusammenklappte.

*

Quintus war unbedingt der Meinung, auch noch das letzte bisschen Information aus den beiden ungluckseligen Kreaturen herauszuprugeln und sie dann entweder zu Crassus' Haus zu schaffen und den Halunken aufzufordern, seine Intrigen sofort einzustellen, oder sie vor den Senat zu zerren, ihre Gestandnisse zu verlesen und die Verschiebung der Wahlen zu fordern. Cicero behielt einen kuhleren Kopf. Mit regungslosem Gesicht dankte er Salinator fur seine Ehrlichkeit, empfahl Quintus, sich einen Becher Wein einzuschenken und wieder abzuregen, und befahl mir, die Silbermunzen einzusammeln. Spater sa? er zu Hause im Arbeitszimmer, warf seinen kleinen Ubungslederball von einer Hand in die andere, wahrend Quintus sich nach wie vor daruber aufregte, was fur ein Idiot sein Bruder gewesen sei, die beiden Stimmenkaufer einfach so gehen zu lassen, sie wurden jetzt sicher Crassus alarmieren oder waren schon aus der Stadt verschwunden.

»Weder noch«, sagte Cicero. »Wenn sie Crassus alles erzahlen, da konnten sie genauso gut ihr eigenes Todesurteil unterschreiben. Derart belastende Zeugen wurde Crassus niemals am Leben lassen, und das wissen die beiden auch. Flucht liefe auf dasselbe hinaus, Crassus brauchte nur etwas langer, bis er sie zu fassen bekame.« Hin und her flog der Ball, von links nach rechts, von rechts nach links. »Au?erdem: Niemand hat ein Verbrechen begangen. Bestechung lasst sich sogar im gunstigsten Fall nur schwer beweisen - wenn noch gar keine Stimme abgegeben worden ist, ist es vollig unmoglich. Crassus und der Senat wurden uns auslachen. Nein, am besten lassen wir die beiden in Freiheit. Da wissen wir wenigstens, wo wir sie finden konnen, und wenn wir die Wahlen verlieren, konnen wir sie immer noch vorladen lassen.« Er warf den Ball hoch in die Luft und fing ihn mit einer schwungvollen Armbewegung wieder auf. »Aber eine Sache, Quintus, hast du vollig richtig eingeschatzt.«

»Ach ja, hab ich?«, sagte Quintus bitter. »Sehr freundlich, danke.«

»Crassus' Operation hat nichts mit seiner Feindschaft mir gegenuber zu tun. Er wurde nicht zwanzig Millionen ausgeben, nur um meine Hoffnungen zu zerstoren. Fur zwanzig Millionen Sesterzen muss er etwas wirklich Gewaltiges im Auge haben. Aber was? Ich muss gestehen, dass auch ich da ratlos bin.« Er starrte eine Zeit lang die Wand an. »Tiro, du bist doch immer ganz gut mit Caelius Rufus ausgekommen, oder?«

Ich musste an die Aufgaben denken, vor denen er sich gedruckt hatte und die ich fur ihn hatte erledigen mussen, an die Lugen, die ich erzahlt hatte, um ihm Arger zu ersparen, an den Tag, als er mir meine Ersparnisse gestohlen und mich beschwatzt hatte, Cicero nichts davon zu sagen. »So einigerma?en«, sagte ich vorsichtig.

»Besuche ihn morgen fruh, und rede mit ihm. Aber behutsam. Vielleicht kannst du ihm irgendwelche Andeutungen daruber entlocken, was Crassus im Schilde fuhrt. Schlie?lich lebt er in seinem Haus, irgendwas muss er doch wissen.«

In jener Nacht lag ich lange wach, und je mehr ich uber die jungsten Ereignisse nachdachte, desto besorgter wurde ich, was die Zukunft anging. Auch Cicero konnte nicht schlafen. Ich horte, wie er im Zimmer uber mir auf und ab ging, und hatte das Gefuhl, als durchbohre die konzentrierte Kraft seiner Gedanken die Bodendielen. Ich fand schlie?lich doch noch ein wenig Schlaf, der jedoch unruhig und von bosen Vorahnungen erfullt war.

Am nachsten Morgen beauftragte ich Laurea, sich um die zahlreichen Besucher Ciceros zu kummern, und machte mich auf den Weg zu Crassus' Haus, das etwa eine Meile entfernt war. Selbst heute noch flustere ich leise: »Aah, Wahlwetter!«, wenn keine Wolke am Himmel steht und die Julihitze schon vor Sonnenaufgang druckend auf dem Land lastet, und spure sofort wieder die Aufregung, das vertraute Ziehen in der Magengegend. Vom Forum horte ich das Hammern und Sagen der Arbeiter, die die Rampen und Absperrgitter rund um den Tempel des Castor aufbauten, denn es war der Tag, an dem das Volk sein Urteil uber das Bestechungsgesetz fallen wurde. Ich nahm die Abkurzung, die an der Ruckseite des Tempels entlangfuhrte, und machte eine kurze Pause am Brunnen der Juturna-Quelle, um einen Schluck von dem lauwarmen Wasser zu trinken. Ich hatte keine Ahnung, woruber ich mich mit Caelius unterhalten sollte. Ich bin ein schlechter Lugner, war es immer gewesen, und mir fiel plotzlich ein, dass ich Cicero hatte fragen sollen, wie ich das Gesprach anfangen sollte. Jetzt war es zu spat. Ich ging den Weg zum Palatin hinauf, und als ich Crassus' Haus erreichte, sagte ich dem Turwachter, ich hatte eine dringende Nachricht fur Caelius Rufus. Er bot mir an, im Haus zu warten, aber ich blieb lieber drau?en. Wahrend er im Haus verschwand, um Caelius zu holen, ging ich auf die andere Stra?enseite und versuchte so wenig wie moglich aufzufallen.

Wie Crassus selbst, so gab sich auch sein Haus den Anschein von au?erster Bescheidenheit. Allerdings hatte ich gehort, dass der Eindruck tauschte; hatte man es erst einmal betreten, zeigte sich seine schier unendliche Gro?e. Die dunkle Tur war zwar niedrig und schmal, wirkte aber stabil. Links und rechts davon befanden sich kleine, vergitterte Fenster. Efeu rankte sich an der Au?enwand empor, von der die ockergelbe Farbe abblatterte. Auch das Terrakotta dach war nicht mehr neu, die Rander der oberhalb des Mauerwerks vorstehenden Dachziegel waren schon schwarz und brockelig. Sie sahen aus wie eine verrottete Zahnreihe. Es hatte das Haus eines Bankiers sein konnen, der ein paar schlechte Geschafte gemacht hatte, oder eines verarmten Patriziers vom Land, dessen Stadthaus nach und nach zerfiel. Crassus wollte auf diese Art wohl sagen: Seht her, ich bin so sagenhaft reich, ich hab's nicht notig, auf schonen Schein zu achten. Aber naturlich machte er dadurch in dieser Stra?e der Millionare erst recht auf seinen Reichtum aufmerksam, und der gewollte Mangel an Protz hatte schon wieder etwas Prahlerisches. Die dunkle kleine Tur war immer in Bewegung, standig kamen und gingen Besucher; es war offensichtlich, dass im Innern geschaftiges Treiben herrschte: Ich musste an ein summendes Wespennest denken, das sich nur durch das winzige Loch in der Mauer zu erkennen gab. Julius Caesar war der Erste, den ich kannte. Er

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