>Kostenloses Land fur alle!< Catilina und Hybrida wahrscheinlich mehr Stimmen einbringen als kosten. Nein, ich sitze in der Falle.« Er starrte das Konferenzprotokoll an und schuttelte langsam den Kopf wie ein Kunstler, der trubsinnig uber das Werk eines begabten Rivalen nachdenkt. »Das ist ein wahrhaft au?erordentliches Komplott, ein politischer Geniestreich. Das kann sich nur Caesar ausgedacht haben. Und was Crassus angeht - fur eine Anzahlung von gerade mal zwanzig Millionen Sesterzen kann er sich fast ganz Italien und Agypten unter den Nagel rei?en. Eine ziemlich lukrative Investition, das musst selbst du zugeben.«

»Aber du musst etwas dagegen unternehmen«, sagte Terentia. »Irgendwas.« Sie lie? nicht locker. »Du kannst das doch nicht einfach so zulassen.«

»Und was genau, schlagst du vor, soll ich unternehmen?«

»Und dich halten die Leute fur den schlauesten Mann von ganz Rom?«, fragte sie wutend. »Das liegt doch auf der Hand. Du gehst als Erstes heute Morgen in den Senat und deckst das Komplott auf. Stell die Verschworer an den Pranger!«

»Hervorragende Taktik«, erwiderte Cicero sarkastisch. (Ich begann mich in meiner Rolle als Zuhorer zunehmend unwohl zu fuhlen.) »Ich enthulle die Existenz einer popularen Gesetzesinitiative, und gleichzeitig verurteile ich sie auch noch. Du horst mir nicht zu, Terentia: Die Menschen, die davon am meisten profitieren, sind meine Anhanger.«

»Nun ja, die Schuld, dass du von solchem Abschaum uberhaupt abhangig bist, liegt ja wohl ganz allein bei dir. Das ist das Problem mit der Demagogie, Marcus - du denkst vielleicht, dass du den Pobel kontrollieren kannst, aber am Ende ist es doch immer der Pobel, der dich verschlingt. Hast du im Ernst geglaubt, du konntest es mit Mannern wie Crassus und Catilina aufnehmen, wenn es darum geht, Prinzipien meistbietend zu verhokern?« Cicero brummte gereizt, hatte bemerkenswerterweise aber kein Gegenargument zur Hand. »Und sag mir doch bitte noch eins«, fuhr sie unbarmherzig fort. »Wenn dieses au?ergewohnliche Komplott, wie du es nennst - ich wurde es eher als >Kriminelles Unternehmen< bezeichnen -, wirklich so popular ist, wie du sagst, warum dann diese Heimlichtuerei mitten in der Nacht? Warum sagen sie es dann nicht ganz offen?«

»Weil, meine liebe Terentia, die Aristokraten alle so denken wie du. Die wurden das niemals unterstutzen. Erst sind es die gro?en Staatsguter, die zerschlagen und verteilt werden, und dann nehmen sie sich die privaten Landereien der Herren vor. Mit jedem Stuck Land, das Caesar und Crassus unter die Leute bringen, haben sie einen Klienten mehr. Wenn den Patriziern erst mal die Kontrolle uber das Land entgleitet, dann sind sie am Ende. Au?erdem, was glaubst du wohl, wie Catulus oder Hortensius darauf reagieren wurden, von einer Zehnerkommission herumkommandiert zu werden, die das Volk gewahlt hat? Das Volk! Das ware fur die Herren gleichbedeutend mit Revolution -Tiberius Gracchus, das gleiche Spiel noch mal von vorn.« Cicero warf das Notizbuch wieder auf den Esstisch. »Nein, um den Status quo zu erhalten, wurden die Aristokraten das tun, was sie schon immer getan haben - intrigieren, bestechen, meucheln.«

»Und zwar mit vollem Recht!« Terentia schaute ihn finster an. Ihre Fauste waren geballt. Fast rechnete ich damit, dass sie ihn schlagen wurde. »Sie hatten recht, als sie die Volkstribunen entmachtet haben, genauso wie es richtig war, zu versuchen, Pompeius, diesem Emporkommling aus der Provinz, Einhalt zu gebieten. Und wenn du noch etwas Verstand hast, dann gehst du jetzt zu den Aristokraten und sagst: >Das hier sind Crassus' und Caesars Plane - unterstutzt mich, und ich werde dem ein Ende machen.<«

Cicero stohnte wutend auf und lie? sich auf die Liege fallen. Eine Zeit lang schwieg er. Plotzlich hob er den Blick und schaute Terentia an. »Himmel, Terentia«, sagte er leise, »du bist tatsachlich ein schlaues Weib.« Er sprang auf und kusste sie auf die Wange. »Mein wunderbares, schlaues Weib - du hast vollig recht. Oder besser, halb recht, es ist gar nicht notig, dass ich irgendetwas unternehme. Ich uberlasse das einfach Hortensius. Tiro, wie lange brauchst du, um eine saubere Abschrift von deinem Protokoll anzufertigen - nicht vom ganzen Protokoll, nur von den wichtigsten Punkten, gerade so viel, dass Hortensius' Neugier geweckt wird?«

»Ein paar Stunden«, antwortete ich. Sein dramatischer Stimmungsumschwung verwirrte mich.

»Schnell, schnell!«, sagte er. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn jemals so uberdreht gesehen zu haben. »Los, hol mir Feder und Papyrus!«

Ich holte ihm beides, er tauchte die Schreibfeder ins Tintenfass, dachte kurz nach und fing dann an zu schreiben, wobei Terentia und ich ihm uber die Schulter schauten.

Von: Marcus Tullius Cicero An: Quintus Hortensius Hortalus Sei gegru?t!

Meine patriotische Pflicht gebietet mir, dir vertraulich das Protokoll eines Treffens zukommen zu lassen, das am gestrigen Abend im Hause des M, Crassus stattgefunden hat, an dem neben dem Hausherrn. G. Caesar, L. Catilina, G. Hybrida, P. Sura und einige Kandidaten fur das Volkstribunat teilgenommen haben, deren Namen dir allesamt bekannt sind. Ich werde heute im Senat das Wort ergreifen und einige dieser Personen zur Rede zu stellen. Solltest du an einer eingehenden Erorterung der Angelegenheit interessiert sein, so stehe ich dir hinterher im Haus unseres gemeinsamen Freundes T. Pomponius Atticus zur Verfugung.

Das sollte reichen«, sagte er und blies uber die feuchte Tinte. »Und du, Tiro, machst jetzt eine so vollstandige Kopie deiner Notizen, wie es dir in der kurzen Zeit moglich ist. Wichtig sind die Passagen, bei denen ihnen mit Sicherheit das Patrizierblut in den Adern gefriert. Bis spatestens eine Stunde vor Sitzungsbeginn bringst du deine Abschrift zusammen mit meinem Brief personlich Hortensius -personlich, ist das klar, keinem Sekretar. Und dann schick einen von deinen Burschen zu Atticus, und lass ihm ausrichten, dass ich ihn noch kurz sprechen mochte, bevor ich in den Senat gehe.« Er gab mir den Brief und eilte aus dem Zimmer.

»Soll Sositheus oder Laurea die Klienten einlassen?«, rief ich ihm hinterher, denn ich horte schon Stimmen auf der Stra?e. »Und wann sollen die Turen geoffnet werden?«

»Keine Klienten heute Morgen!«, rief er zuruck, als er schon halb die Treppe oben war. »Wenn sie wollen, konnen sie mich in den Senat begleiten. Du hast jetzt genug zu tun, und ich muss mich um meine Rede kummern.«

Seine Schritte hallten durchs Haus, bis er in seinem Zimmer verschwunden war. Terentia beruhrte die Stelle auf ihrer Wange, wo Cicero sie gekusst hatte, und schaute mich verwirrt an. »Rede?«, sagte sie. »Welche Rede?«

Ich musste ihr gestehen, dass ich selbst keine Ahnung hatte und deshalb auch nicht fur mich in Anspruch nehmen kann, bei diesem au?ergewohnlichen Beispiel einer Schmahrede, die heute unter dem Namen In toga candida aller Welt bekannt ist, meine Hande im Spiel oder gar schon vorher Kenntnis davon gehabt zu haben.

*

Ich schrieb so schnell und so akkurat, wie es mir angesichts meiner Mudigkeit moglich war. Ich verfasste das Protokoll in Form eines Dramas, notierte erst den Namen der Person und dann, was sie sagte. Vieles von dem, was ich fur belanglos hielt, lie? ich weg, obwohl mich wahrend der Arbeit ofter die Frage qualte, ob ich dafur uberhaupt die notige Urteilskraft besa?. Aus diesem Grund beschloss ich, die Notizbucher mitzunehmen, fur den Fall, dass ich im Lauf des Tages auf sie zuruckgreifen musste. Als ich fertig war, versiegelte ich das Schriftstuck, schob es in eine Rolle und machte mich auf den Weg. Ich musste mich durch eine dichte Menschentraube aus Klienten und Sympathisanten drangeln, wobei ich mehrmals an meiner Tunika festgehalten und gefragt wurde, wo denn der Senator bleibe.

Hortensius' Villa auf dem Palatin wurde viele Jahre spater von unserem teuren und geliebten Kaiser in Besitz genommen, woran man schon ersehen kann, wie prachtig sie war. Ich war noch nie dort gewesen und musste deshalb mehrmals nach dem Weg fragen. Das Haus stand genau auf der Hugelkuppe, von wo man in sudwestlicher Pachtung auf den Tiber hinunterschauen konnte. Beim Anblick der dunkelgrunen Baume, die die sanfte Biegung des silbrigen Flusses saumten, und der dahinterliegenden Felder hatte man glauben konnen, man befinde sich irgendwo auf dem Land anstatt mitten in der Stadt. Wie ich wohl schon an anderer Stelle erwahnt habe, gehorte Hortensius' Schwager Catulus das Nachbaranwesen. Das ganze, nach Gei?blatt und Myrte duftende und bis auf das Zwitschern der Vogel vollkommen ruhige Viertel atmete den Geist von gutem Geschmack und altem Geld. Sogar Hortensius' Verwalter sah aus wie ein Aristokrat. Als ich ihm sagte, ich hatte fur seinen Herrn eine personliche Botschaft von Senator Cicero, da hatte man glauben konnen, ich hatte gefurzt, ein derart angewiderter Ausdruck bemachtigte sich seines hageren Gesichts. Als ich mich weigerte, ihm die Rolle zu geben, lie? er mich im Atrium warten, wo die leeren, toten Augen der Masken aller Konsuln aus Hortensius' Ahnenreihe auf mich herabstarrten. Auf einem dreibeinigen Tisch in der Ecke stand eine aus einem einzigen riesigen Stuck Elfenbein geschnitzte Sphinx, die genau die Sphinx sein musste, die Verres vor so vielen Jahren seinem Anwalt geschenkt und uber die Cicero sich lustig

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