konnen, so deutlich war, wen er meinte. Crassus richtete den Oberkorper leicht auf und neigte ihn langsam nach vorn, ohne Cicero aus den Augen zu lassen: Er musste vor Spannung auf das, was jetzt kommen wurde, fast platzen. Man merkte, wie jeder im Saal die Luft anhielt. Aber Cicero war auf andere Beute aus, und mit einer fast spurbaren Willensanstrengung wandte er den Blick von Crassus ab.

»Jener besagte Mann von adeliger Geburt hat sich also mittels Bestechung das Bestechungsgesetz vom Hals geschafft und heckt nun ein neues Komplott aus. Er plant, sich mittels Bestechung den Weg zum Konsulat zu bahnen. Allerdings nicht fur sich selbst, sondern fur seine beiden Marionetten Hybrida und Catilina.«

Wie vermutlich von Cicero eingeplant, sprangen die beiden Angesprochenen augenblicklich auf und protestierten. Da sie jedoch im Rang unter ihm standen, hatte Cicero das Recht, sie einfach stehen zu lassen. »Da haben wir sie also«, sagte er und drehte sich zu den Banken hinter ihm um. »Die Besten, die man fur Geld bekommen kann!« Er gab dem losbrechenden Gelachter genugend Zeit, sich aufzuschaukeln, um dann im genau richtigen Augenblick hinzuzufugen: »Wie wir Anwalte sagen -caveat emptor, der Kaufer tragt das Risiko!«

Nichts ist der Wurde und Autoritat eines Politikers abtraglicher als Hohn und Spott. Wenn es dazu kommt, ist es von entscheidender Bedeutung, sich vollkommen unbeteiligt zu geben. Die von allen Seiten mit Lachsalven bombardierten Hybrida und Catilina jedoch konnten sich nicht entscheiden, ob sie entweder trotzig stehen bleiben oder die Angelegenheit mit gespielter Gleichgultigkeit aussitzen sollten. Schlie?lich versuchten sie beides: Sie hupften auf und ab und sahen dabei aus wie zwei Arbeiter an den beiden Enden eines Pumpenschwengels, was die allgemeine Heiterkeit naturlich noch steigerte. Vor allem Catilina wurde augenscheinlich immer ubellauniger; wie viele arrogante Menschen konnte er es nicht ertragen, wenn man sich uber ihn lustig machte. Caesar, der den beiden zu Hilfe kommen wollte, stand auf und fragte Cicero, worauf er eigentlich hinauswolle, doch Cicero ignorierte die Frage einfach, und der Konsul, der sich wie alle anderen prachtig amusierte, weigerte sich, Cicero zur Ordnung zu rufen.

»Reden wir zuerst uber den Geringeren der beiden«, fuhr Cicero fort, als seine Opfer zusammengesunken wieder auf ihren Platzen sa?en. »Du, Hybrida, hattest nie zum Prator gewahlt werden durfen und warst auch nie zum Prator gewahlt worden, hatte ich mich nicht aus Mitleid bei den Zenturien fur dich eingesetzt. Du lebst offen mit einer Kurtisane zusammen, bringst in der Offentlichkeit kein Wort heraus, du kannst dich ohne nomendator kaum an deinen eigenen Name erinnern. Unter Sulla warst du ein Dieb und danach ein Saufer. Du bist, kurz gesagt, ein Witz. Allerdings ein Witz von der ubelsten Sorte, einer, der schon viel zu lange gedauert hat.«

Es war jetzt wieder deutlich ruhiger in der Kammer, denn mit derartigen Beleidigungen machte sich Cicero den Mann zwangslaufig zum Feind furs Leben. Als Cicero sich Catilina zuwandte, spurte ich, wie sich Atticus' Hand in meinem Arm verkrallte. »Was deinen Fall betrifft, Catilina, ist es nicht Ausgeburt und Sinnbild schlimmer Zeiten, dass jemand wie du sich uberhaupt Hoffnungen auf das Konsulat machen oder auch nur einen Gedanken darauf verwenden kann? Von wem willst du dieses Amt denn verlangen? Von den Hauptern des Staates, die es erst vor zwei Jahren abgelehnt haben, dich zur Kandidatur auch nur zuzulassen? Vom Ritterstand, den du abgeschlachtet hast? Vom Volk, das sich immer noch der monstrosen Grausamkeit erinnert, mit der du seinen Anfuhrer, meinen Blutsverwandten Gratidianus, niedergemetzelt und seinen noch atmenden Kopf durch die Stra?en Roms zum Tempel des Apollo getragen hast? Oder von den Senatoren, die dir kraft ihrer Autoritat fast deine Rechte als Burger Roms aberkannt und in Ketten an die Afrikaner ausgeliefert hatten?«

»Ich bin freigesprochen worden!«, brullte Catilina und sprang wieder auf.

»Freigesprochen!«, hohnte Cicero. »Du? Freigesprochen? Der sich mit jeder nur denkbaren sexuellen Perversion und Lasterhaftigkeit besudelt hat? An dessen Handen das Blut der niedertrachtigsten Morde klebt? Der Verbundete ausgeplundert, Gesetze gebrochen und Gerichtshofe geschandet hat? Der ehebrecherisch die Mutter der von ihm zuvor verfuhrten Tochter geheiratet hat? Freigesprochen? Dann mussen romische Ritter gelogen haben und die Urkundenbeweise einer hochst angesehenen Stadt gefalscht gewesen sein; dann muss Quintus Metellus Pius, muss ganz Afrika Lugen erzahlt haben. Freigesprochen! Was fur ein Jammer, dass dir nicht aufgefallen ist, dass dieses Urteil gar kein Freispruch war, sondern nur ein Aufschub fur ein Strafgericht, das ein klein wenig harter sein wird, mit Strafen, die ein klein wenig schrecklicher sein werden.«

Das ware selbst fur einen gleichmutigen Menschen zu viel gewesen, bei Catilina bewirkte es nichts weniger als einen Blutrausch. Mit animalischem Gebrull sturzte er zwischen den vor ihm sitzenden Hortensius und Catulus hindurch in den Gang, um seinem Peiniger an die Kehle zu gehen. Das war naturlich genau die Reaktion, die Cicero beabsichtigt hatte. Er zuckte zwar zusammen, blieb aber aufrecht stehen, wahrend sich Quintus und ein paar Veteranen schutzend vor ihn stellten - was allerdings gar nicht notig gewesen ware, denn die Liktoren des Konsuls hatten ebenfalls sofort reagiert und Catilina trotz seiner Gro?e uberwaltigt. Seine Freunde, darunter auch Crassus und Caesar, packten den sich windenden, um sich tretenden und immer noch vor Wut brullenden Catilina an den Armen und zerrten ihn zuruck zu seinem Platz. Alle Senatoren waren aufgestanden, um das Schauspiel besser beobachten zu konnen. Figulus unterbrach die Sitzung, bis die Ordnung wiederhergestellt war.

Als endlich Ruhe eingekehrt war und alle Senatoren auf ihren Platzen sa?en, erhielten, wie es Brauch war, Hybrida und Catilina Gelegenheit zur Gegenrede. Zornbebend kippten sie unter dem pflichtgema?en Jubel ihrer Anhanger kubelweise Beleidigungen uber Cicero aus, wobei sie sich der gewohnten Stichworte bedienten - machtgierig, nicht vertrauenswurdig, intrigant, homo novus, Auslander, sich vor dem Armeedienst gedruckt, Feigling. Allerdings reichte keiner von beiden an die Eleganz von Ciceros Verunglimpfungskunsten heran. Vor allem aber musste es selbst ihren treuesten Parteigangern unangenehm aufgefallen sein, dass sie keine Antwort auf Ciceros zentrale Anschuldigung hatten: dass sie namlich ihre Kandidatur nur den korrupten Umtrieben einer mysteriosen dritten Person verdankten. Es fiel auf, dass Hortensius und sogar Catulus nur sehr halbherzig applaudierten. Was Cicero betrifft, der setzte seine professionelle Maske auf und lie? die schrillen Tiraden lachelnd und regungslos uber sich ergehen - er schien in etwa so beeindruckt zu sein wie eine Ente von einem Regenschauer. Erst hinterher, nachdem Quintus und seine Veteranen ihn schnell aus der Kammer eskortiert hatten, um einer etwaigen weiteren Attacke Catilinas zuvorzukommen, und er in Atticus' Haus auf dem Quirinal in Sicherheit war, erst da schien ihm das Ausma? dessen, was er gerade getan hatte, bewusst zu werden.

KAPITEL XVIII

Cicero konnte jetzt nichts weiter tun, als Hortensius' Reaktion abzuwarten. Unter den Augen der gro?en Philosophen, umgeben von der Weisheit alter Zeiten, verbrachten wir die Stunden in der kuhlen Stille von Atticus' Bibliothek, wahrend drau?en, jenseits der Terrasse, der Tag zur Neige ging und sich die hei?e Stadtluft an diesem Spatnachmittag im Juli gelblich staubig einfarbte. Ich wurde ja gern zu Protokoll geben, dass wir uns das eine oder andere Buch vornahmen und uns uber Epikur, Zeno oder Aristoteles austauschten oder dass Cicero uns Profundes uber die Demokratie mitteilte. Aber dem war nicht so.

Niemand war in der Stimmung fur politische Theorie, am wenigsten Quintus, der fur Cicero einen Auftritt in der geschaftigen Porticus Aemilia arrangiert hatte und sich daruber argerte, dass sein Bruder wertvolle Wahlkampfzeit verlor. Wir gingen noch einmal Ciceros dramatische Rede durch - »Ihr hattet Crassus' Gesicht sehen sollen, als er glaubte, ich wurde seinen Namen nennen« - und uberlegten, wie die Aristokraten wohl darauf reagieren wurden. Wenn sie den Koder nicht schluckten, dann befande sich Cicero in einer hochst gefahrlichen Lage. Immer wieder fragte er mich, ob ich auch sicher sei, dass Hortensius den Brief gelesen habe, und jedes Mal erwiderte ich, ja, ganz sicher, schlie?lich sei ich dabei gewesen, als er ihn gelesen habe. »Dann geben wir ihm noch eine Stunde«, sagte er dann und fing wieder an, unruhig hin und her zu laufen und Atticus mit bissigen Bemerkungen zu nerven: »Deine eleganten Freunde, haben die schon mal was von Punktlichkeit gehort?« oder »Versto?t das eigentlich gegen eure gute Erziehung, wenn man mal ab und zu auf die Uhr schaut?«

Atticus' hervorragende Sonnenuhr zeigte die zehnte Stunde an, als schlie?lich einer seiner Sklaven in die Bibliothek kam und den Besuch von Hortensius' Verwalter meldete.

»Sollen wir jetzt etwa mit seinem Personal verhandeln?«, brummte Cicero. Aber er war so begierig auf Neuigkeiten, dass er hochstpersonlich hinaus ins Atrium eilte. Wir folgten ihm. Im Atrium wartete der gleiche durre, hochnasige Kerl, der mir am Morgen bei Hortensius die Tur geoffnet hatte. Er war jetzt auch nicht viel hoflicher. Er erklarte, dass er mit Hortensius' Kutsche gekommen sei und Cicero zu einer Unterredung mit seinem Herrn abholen

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