dem stadtischen Pobel hier in Italien auf der anderen Seite? Wollt ihr euch auf den Schutz durch die beiden Manner verlassen, deren Kandidatur fur das Konsulat ihr unterstutzt? Einen Idioten und einen Wahnsinnigen, die nicht einmal ihre eigenen Hauser fuhren konnen, geschweige denn die Geschafte des Staates? Ist es das, was ihr wollt? Nun gut. Ich fur meinen Teil habe wenigstens ein ruhiges Gewissen. Obwohl ihr nie meine Freunde gewesen seid, habe ich meiner patriotischen Pflicht genugt und euch daruber informiert, was vorgeht. Und mein Auftritt heute im Senat hat euch wohl hinreichend bewiesen, dass ich willens bin, mich diesen Kriminellen in den Weg zu stellen. Ich habe sie mir damit zu Feinden gemacht, und euch habe ich gezeigt, wer sie wirklich sind. Kein anderer Kandidat fur das Konsulat hat das getan oder wird es in Zukunft tun. Und trotzdem will ich nichts von dir, Catulus, von keinem von euch. Wenn ihr aber nichts weiter im Sinn habt, als mich zu beleidigen, dann kann ich euch nur einen guten Abend wunschen.«

Und damit drehte er sich um und ging Richtung Tur und ich mit ihm. Ich schatze, die wenigen Schritte mussen ihm vorgekommen sein wie der langste Weg, den er jemals zuruckgelegt hat, denn wir hatten schon fast das dunkle Vorzimmer erreicht - und damit unweigerlich das schwarze Loch politischer Bedeutungslosigkeit -, als eine laute Stimme (es war die von Lucullus) rief: »Lies vor!« Cicero blieb stehen, dann drehten wir uns beide um. »Lies vor«, wiederholte Lucullus, »was Catulus gerade gesagt hat.«

Cicero nickte mir zu, und ich kramte mein Notizbuch hervor. »>Wenn das stimmt, was ich hier lese, dann steuert der Staat als Folge einer kriminellen Verschworung auf einen Burgerkrieg zu.<« Meine Stimme klang immer merkwurdig ausdruckslos, wenn ich meine stenografierten Notizen vorlas. »»Stimmt es nicht, dann handelt es sich um die hinterhaltigste Falschung in der Geschichte Roms. Ich personlich betrachte dieses Schriftstuck als Falschung, und zwar weil ich es fur unmoglich halte, dass ein menschliches Wesen ein derartiges Protokoll anfertigen kann ...<«

»Das kann er sich auch gemerkt haben«, wandte Catulus ein. »Das ist doch nichts weiter als ein billiger Trick. Solche Zauberstuckchen kriegt man auf dem Forum dauernd zu sehen.«

»Das Ende«, sagte Lucullus, der es jetzt wissen wollte. »Lies die letzten Satze vor, die dein Herr gesagt hat.«

Ich fuhr mit dem Finger nach unten. >»Und mein Auftritt heute im Senat hat euch wohl hinreichend bewiesen, dass ich willens bin, mich diesen Kriminellen in den Weg zu stellen. Ich habe sie mir damit zu Feinden gemacht, und euch habe ich gezeigt, wer sie wirklich sind. Kein anderer Kandidat fur das Konsulat hat das getan oder wird es in Zukunft tun. Und trotzdem will ich nichts von dir, Catulus, von keinem von euch. Wenn ihr aber nichts weiter im Sinn habt, als mich zu beleidigen, dann kann ich euch nur einen guten Abend wunschen.<«

Isauricus pfiff durch die Zahne. Hortensius nickte und sagte etwas in der Art von »Ich hab's euch ja gesagt« oder »Hab ich euch nicht gewarnt?« -genau kann ich mich nicht mehr erinnern. Jedenfalls sagte Metellus: »Tja, was mich angeht, mir reicht das als Beweis.« Catulus starrte mich nur wutend an.

»Komm zuruck, Cicero«, sagte Lucullus und winkte mit dem Zeigefinger. »Du hast mich uberzeugt. Das Protokoll ist echt. Lassen wir die Frage, wer wen am meisten braucht, vorerst beiseite, und unterhalten wir uns auf der Grundlage, dass jeder von uns den anderen braucht.«

»Ich bin immer noch nicht uberzeugt«, brummte Catulus.

»Dann lasst es mich mit einem einzigen Wort versuchen, vielleicht uberzeugt dich das«, sagte Hortensius gereizt. »Das Wort lautet Caesar. Caesar - mit Crassus' Gold, mit zwei Konsuln und mit zehn Volkstribunen im Rucken!«

»Dann mussen wir uns also tatsachlich mit solchen Leuten einlassen?«, seufzte Catulus. »Cicero, na gut ...«, sagte er schlie?lich, »aber dich brauchen wir ganz sicher nicht«, schnauzte er und zeigte auf mich, als ich wie gewohnt meinem Herrn folgte. »Ich weigere mich, mit diesem Etwas und seinen Zauberkunststucken auch nur in ein und denselbem Raum zu sein. Ich will nicht, dass er uns zuhort und alles aufschreibt. Ich traue ihm nicht, kein Wort darf diesen Raum verlassen.«

Cicero zogerte. »In Ordnung«, stimmte er widerwillig zu und schaute mich entschuldigend an. »Warte drau?en, Tiro.«

Es stand mir nicht zu, gekrankt zu sein. Schlie?lich war ich nur ein Sklave: eine Arbeitskraft, ein Werkzeug - ein »Etwas«, wie Catulus sich ausgedruckt hatte. Trotzdem traf mich die Demutigung tief. Ich klappte mein Notizbuch zu, zog mich ins Vorzimmer zuruck, ging durch ein hallendes, mit frischem Stuck verziertes Prunkzimmer nach dem anderen - Venus, Merkur, Mars, Jupiter. Standig begegnete ich Sklaven, die Sandalen mit gepolsterten Sohlen trugen und die sich mit glimmenden Wachskerzen gerauschlos zwischen den Gottern hin- und herbewegten und die Lampen und Kandelaber anzundeten. Ich ging hinaus in den Park, wo in der seidigwarmen Abenddammerung die Zikaden zirpten und ich aus Grunden, die ich bis heute nicht in Worte fassen kann, anfing zu weinen. Vielleicht war ich einfach ubermudet.

*

Frostelnd vom Tau wachte ich kurz vor Morgengrauen auf. Mir taten die Knochen weh. Einen Augenblick lang wusste ich nicht, wo ich war, aber dann fiel mir wieder ein, dass ich mich am Abend zuvor auf eine Steinbank vor dem Haus gelegt hatte. Anscheinend hatte Cicero mich geweckt, denn ich schaute in sein grimmiges Gesicht. »Wir sind fertig«, sagte er. »Steh auf, wir mussen sofort in die Stadt zuruck.« Er warf einen Blick zu Hortensius' Verwalter, der schon wartend neben dem Wagen stand, und legte einen Finger auf die Lippen, damit ich den Mund hielt. Also kletterten wir schweigend in das carpentum. Ich wei? noch, dass ich mich noch einmal umdrehte, als wir den Park verlie?en, und einen letzten Blick auf die gro?e Villa warf. An der Terrasse brannten noch die Fackeln, deren scharfe Umrisse jedoch im bleichen Licht der Morgensonne allmahlich verschwammen. Von Ciceros Gastgebern war nichts zu sehen. In gut zwei Stunden musste Cicero schon wieder das Haus verlassen, um rechtzeitig zu den Wahlen auf dem Marsfeld zu sein. Also trieb er den Kutscher zu au?erster Eile an, was der zum Anlass nahm, den bedauernswerten Pferden fast pausenlos die Peitsche zu geben. Glucklicherweise waren die Stra?en frei. Wir sahen nur ein paar Manner, wahrscheinlich Wahler, die sich schon in aller Fruhe auf den Fu?marsch Richtung Marsfeld gemacht hatten. Wir naherten uns rasend schnell der Stadt, erreichten die Porta Fontinalis genau in dem Augenblick, als sie geoffnet wurde, und klapperten dann schneller als der schnellste Laufer den gepflasterten Weg zum Esquilin hinauf. Kurz vor dem Tempel der Tellus lie? Cicero den Kutscher halten, und wir stiegen aus, um die letzten Schritte zu Fu? zuruckzulegen - was mich wunderte, bis ich begriff, dass Cicero seinen Anhangern aus dem Weg gehen wollte, die schon vor dem Haus zusammenstromten. In seiner typischen Haltung, die Hande hinter dem Rucken verschrankt, ging er vor mir her. Er hatte immer noch kein Wort uber die Unterredung der vergangenen Nacht verloren. Mir fielen die Schmutzflecken auf seiner Toga auf, die bei unserer Abfahrt noch strahlend wei? gewesen war. Wir gingen um das Haus herum zu der kleinen Hintertur fur die Dienerschaft, wo wir Terentias Privatsekretar, dem widerlichen Philotimus, uber den Weg liefen, der anscheinend von einem nachtlichen Schaferstundchen mit einem der Sklavenmadchen zuruckkehrte. Cicero schien ihn gar nicht zu bemerken, so sehr waren seine Gedanken beschaftigt mit dem, was geschehen war und was noch kommen wurde. Er hatte mude rote Augen, seine Haare und sein Gesicht waren staubig von der Fahrt. Er sagte, ich solle die Leute ins Haus lassen, dann ging er nach oben.

Einer der Ersten, die uber die Schwelle traten, war Quintus, der naturlich wissen wollte, was sich zugetragen hatte. Er war gleichzeitig wutend und besorgt. Fast bis Mitternacht hatte er mit den anderen in Atticus' Bibliothek auf uns gewartet. Das brachte mich in eine peinliche Lage, und ich stammelte nur, dass es mir lieber ware, er wurde seinen Bruder selbst fragen. Ehrlich gesagt, kam mir das Treffen zwischen Cicero und seinen erbittertsten Feinden, und das auch noch an diesem speziellen Ort, inzwischen so unwirklich vor, dass ich fast geneigt war, das Ganze als Traum abzutun. Quintus gab sich mit meiner Antwort nicht zufrieden, aber glucklicherweise ersparte mir die schiere Masse der ins Haus drangenden Besucher weitere Verlegenheiten. Ich stahl mich mit der Ausrede davon, dass ich im Tablinum nach dem Rechten sehen musse. Von dort schlupfte ich in meine kleine Kammer und wusch mir mit lauwarmem Wasser aus meiner Waschschussel Hals und Gesicht ab.

Als ich Cicero das nachste Mal sah, etwa eine Stunde spater, fiel mir einmal mehr seine bemerkenswerte Fahigkeit zur schnellen Regeneration auf, eine Eigenschaft, die alle erfolgreichen Politiker kennzeichnet. Als er die Treppe herunterkam, in einer frischen wei?en Toga, das Gesicht gewaschen und rasiert, die Haare gekammt und parfumiert, da hatte niemand ahnen konnen, dass er in den letzten beiden Nachten keine Minute geschlafen hatte. Auf seiner Schulter thronte sein Sohn Marcus, der heute ein Jahr alt wurde. Im Haus wimmelte es von seinen Anhangern, und als diese die beiden sahen, brach ein derartiges Jubelgeschrei los, dass es mich nicht uberrascht hatte, wenn durch die Erschutterung ein paar Ziegel vom Dach geflogen waren: Kein Wunder, dass der Kleine anfing zu weinen. Cicero hob den Jungen schnell von der Schulter, damit niemand auf die Idee kam, dies als schlechtes Omen zu deuten, und ubergab ihn Terentia, die hinter ihm auf der Treppe stand. Lachelnd sagte er etwas zu ihr,

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