Er wandte sich der Tur des Laboratoriums zu und sagte noch uber die Schulter: „Meine Annahme, da? diese Pest ein DEFluchtling ist, kann naturlich auch falsch sein. Man hat ein Virus entwickelt, ein paar Monate, nachdem die Kultur sich selbstandig machte, und ich habe schon seit vier Jahren nichts mehr von einer Eiseninfektion gehort. Das kann naturlich eine Mutation einer solchen Infektion sein, aber genausogut kann es sich um etwas vollig Neues handeln.“

Er ging ins Laboratorium, setzte sich auf einen Stuhl und be gann das Material, das sich in einer Flasche befand, in Dutzende von kleinen Behaltern zu verteilen, die in die Analysatoren gefuttert werden sollten.

Stubbs hatte die Leiter verlassen und entfernte Schleim von den Greifern der Magnete. Das Zeug war nicht sehr dickflussig, und die magnetischen Korner milderten das Ekelgefuhl des Jungen ein wenig ab, das er normalerweise glitschigen Substanzen entgegenbrachte… Er konnte seine Aufgabe also rasch genug erledigen, um Dandridge zufriedenzustellen. Auf Ricks Ruf hin wurden die Greifer zuruckgezogen. Ein paar Minuten spater senkte sich der Kranarm wieder herab, mit ein paar Schlingen daran.

Stubbs war noch immer im Wasser, und Farrell war halb die Leiter herabgestiegen. Der Cheftaucher reichte das Kabel seinem jungen Assistenten, der es um den torpedoformigen Korper des Wales legte.

Es war eine ziemlich schwierige Arbeit. Der Korper des Wales war noch immer schlupfrig, da die Magnete nur einen geringen Teil des fremdartigen Wachstums von der Haut des Tieres entfernt hatten. Als der Junge die Riemen der Schlingen festziehen wollte, glitten sie ihm davon. Er bat um mehr Leine, wollte den Wal an einen Rumpf des Schiffes drucken, aber auch das gelang ihm nicht. Er war zu eigensinnig, um Hilfe zu erbitten, noch dazu, wo Farrell aus vollem Hals lachte.

„Reit ihn, Junge!“ rief der Cheftaucher, als es Stubbs endlich gelungen war, die schlupfrige Masse zwischen den Beinen einzuzwangen.

„Jetzt hast du ihn besiegt! „

Die Arbeit war noch nicht vollendet, aber anscheinend war es Stubbs gelungen, eine Schlinge fest und sicher um das Vorderteil des Fisches zu legen.

„Anziehen!“ rief er, ohne auf Farrells Bemerkung einzugehen.

Dandridge, der durch die Klappe hinabgeblickt hatte, begriff, was erforderlich war. Er griff zur Kontrolltafel, und das Kabel straffte sich.

„Das genugt!“ rief Stubbs, als die Nase des Wales sich ein wenig aus dem Wasser zu heben begann. „Festhalten, bis ich ein anderes Seil befestigt habe, oder dieses hier rutscht wieder ab.“

Gehorsam horte der Kran zu surren auf. Da die Beweglichkeit des Wales nun etwas eingeengt war, konnte Stubbs die zweite Schlinge um den Schwanzteil des Fisches schneller festmachen. Endlich rief der junge Taucher ein wenig atemlos: „Hochziehen!“ Langsam paddelte er zur Leiter zuruck. Farrell reichte ihm eine Hand, und sie waren beinahe so schnell an Deck wie ihre Beute.

Dandridge schlo? die Klappe, ohne auf entsprechende Befehle zu warten. Die Leiter hatte er unten gelassen. In den nachsten Minuten wurde man noch mehr Wale aus dem Meer ziehen.

Der Wind blies kalt. Stubbs achtete nicht darauf. Er horte kaum das leise „achthundert Meter, sieben Strich Steuerbord“, als er zur Tur von Mancinis Laboratorium ging. Der Job des Mechanikers faszinierte ihn viel mehr als der Job des Steuermanns.

Es fiel ihm naturlich nicht ein, einen Mann, der mit einer schwierigen Arbeit beschaftigt war, mit Fragen zu unterbrechen.

Aber das war auch gar nicht notig. Wie die meisten anderen Manner — nicht nur auf der Haifisch, sondern auch an Bord des Mutterschiffs — mochte Mancini das jungste Mannschaftsmitglied gern und respektierte Ricks Pflichteifer und Fahigkeiten.

Und wie jeder andere Professionelle war auch Mancini bestrebt, einen intelligenten Arbeitsrekruten fur seinen Beruf zu begeistern, bevor er von einem anderen in Bann gezogen wurde. Und deshalb begann der Mechaniker sofort zu sprechen, als er die Anwesenheit des Jungen bemerkte. „Wei?t du etwas uber physikalische oder chemische Analysen, Rick?“

„Ein wenig. Ich kenne die meisten Ihrer Gerate — Ultrazentrifuge, chromatographisches und elektrophoretisches Zeug, NMR-Ausrustung, und so weiter.“ Er zeigte auf eine zylindrische Maschine, die auf einem Regal stand. „Ist das eine Diffraktionskamera?“

„Gut geraten. Das ist eine Art Zwitter, den ein Freund von mir erfunden hat. Man kann das Gerat sowohl fur elektronische Mikrofotografie benutzen als auch fur Diffraktion. Aber damit solltest du dich erst spater beschaftigen. Vorerst mu?t du begreifen, da? ein Faktor der Analyse sich seit ihrem Bestehen nicht geandert hat. Man mu? versuchen, einen Untersuchungsgegenstand in moglichst viele verschiedene homogene Bestandteile zu zerlegen, bevor man an die Feststellung der molekularen Zusammensetzung geht.“

„So geht also jedes der kleinen Rohrchen, die Sie da fullen, durch die Zentrifuge, durch eine Losung, durch Elektrophorese…“

„Fur gewohnlich schon, durch alle. In verschiedener Reihenfolge.“

„Aber ich konnte mir vorstellen, da? Sie allein dadurch etwas herausfinden, wenn Sie ganz einfach den vollstandigen, unbeschadigten Gegenstand betrachten. Tun Sie das nie?“

„Sicher. Das gute alte Mikroskop wird niemals von der Bildflache verschwinden. Und es ist ja auch wertvoll, eine Maschine als Ganzes zu sehen. Es werden ubrigens schon ein paar Aufnahmen fertig sein. Da druben. Willst du die Bilder ’rausholen?“

Stubbs gehorchte. Mancini nahm das erste der Dias, schob es unter ein Objektiv und betrachtete es.

„Das dachte ich mir“, grunzte er. „Da, schau selbst.“

Stubbs legte ein Auge an das Instrument, drehte kurz an der feinen Einstellupe — er hatte die normale Grundausbildung im Umgang mit Instrumenten gehabt — und blickte sekundenlang hinein.

„Eine Masse lebender Zellen, die mir nicht viel sagen. Und viele kleine Oktaeder. Meinen Sie die?“

„Ja. Magnetkristalle. Aber wir werden uns trotzdem vergewissern.

„Der Mechaniker schob einen anderen Untersuchungsgegenstand auf die Mikroskop-Unterlagen und starrte durch die Linse. Stubbs erkannte einen Mikromanipulator, und er war nicht uberrascht, als Mancini nach zwei Minuten schweigsamer Arbeit sich aufrichtete und einen kleinen Metallstreifen unter dem Objektiv hervorzog. Wahrscheinlich war einer der winzigen Kristalle auf dem Streifen befestigt.

Der Mechaniker wandte sich nun der Diffraktionskamera zu, steckte das Metallstuck in eine Klammer, die sich daran befand, und druckte auf einen Knopf, der den Metallstreifen mitsamt dem Kristall in das Innere der Kamera beforderte. Ein paar Augenblicke spater begann eine Pumpe zu wimmern.

„Funf Minuten dauert es, bis es im Vakuum ist“, bemerkte Mancini, „weitere funf Minuten, bis alles aufgezeichnet ist. In der Zwischenzeit konnen wir uns genauso gut den Fisch ansehen.

Sogar Betrachtungen mit blo?em Auge haben ihre gewissen Vorteile.“ Er stand auf, streckte sich und ging zu dem Tisch, auf dem der tote Pseudowal lag.

„Was wei?t du von Zoologie, Rick? Kannst du den Typ bestimmen?“

„Ich glaube schon. Ich wurde sagen, das war ein Kupferfresser, Modell. Er war etwa drei Jahre alt.“

„Gut. Du hast ziemlich recht. Ich nehme an, du hast viel gelesen.“

„Stimmt. Und der Shop der Guppy ist ein tolles Museum.“

„Wie wahr. Wei?t du, wo sich bei diesem Modell die Zugangsregionen befinden?“

„Ich habe schon ein paar geoffnet gesehen, aber ich wei? nicht, ob ich sie selbst aufmachen kann.“

„In diesem Fall kann es wahrscheinlich nicht viel schaden, wenn du etwas falsch machst. Der ist bestimmt tot. Trotzdem, ich werde es dir zeigen. Besser, du siehst, wie es richtig gemacht wird.“ Die Schlingen waren von dem Fisch entfernt worden, nachdem man ihn auf den Tisch gelegt hatte. Nichts konnte also die Demonstration storen.

„Hier ist die Mittellinie, die am Rucken entlangfuhrt, ihre Farbe ist nur ein wenig heller als alles andere. Beginne am Einla?ring und zahle acht Schuppen zuruck, dann sechs auf jeder Seite herunter — siehst du, so. Dann kommst du an diesen Punkt — so — hier kannst du mit einem Skalpell den Hauptzugang offnen.

„Er nahm ein Instrument von der Gro?e eines chirurgischen Skalpells, aber mit einer stumpfen, abgerundeten Schneide. Er stach damit in die bezeichnete Stelle. „Siehst du, es teilt sich schon bei ganz leichtem Druck, und du kannst den Schnitt bis fast zuruck zu den Ausla?offnungen fuhren — so.

Wenn das ein lebender Fisch ware, so konnte man den Schnitt mit Dichtungsspray wieder schlie?en, und er wurde ganz verheilen, nachdem der Fisch etwa eine Stunde im Wasser war.

Aber dieser da — hm. Kein Wunder, da? er tot ist. Ich frage mich nur, was das fur ein Zeug ist.“

Die Bauchhohle des Wales war mit schwarzer Gallertmasse gefullt, die vollig anders aussah als die Schleimmasse, die seine Haut bedeckt hatte. Der Mechaniker steckte Sperrelevatoren in den Schnitt und begann, mit einem reichhaltigen Inventar von chirurgischen Instrumenten in der schwarzen Masse herumzustochern.

Die Gefuhle, die Stubbs’ Magen beinahe genauso umdrehten, wie Mancini jetzt den Magen des Wales hin und her wandte, schienen letzteren dabei nicht zu bekummern.

Bruchteile der inneren Maschinerie verteilten sich auf dem Tisch, ein weiterer Satz winziger Testrohrchen nahm Proben der schwarzen Gallertmasse auf und folgte seinen Vorgangern in die automatischen Analysatoren. Diese begannen zu winseln und zu summen, als sie mit der Arbeit an dem neuen Material begannen. Mit der ersten Ladung waren sie langst fertig, und Berge von Diagrammen und Zahlentabellen hauften sich in den einzelnen Ablieferungskorben und harrten der Aufmerksamkeit Mancinis. Er hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, nachzusehen, ob seine Vermutung bezuglich der magnetischen Beschaffenheit der Kristalle zutraf.

Manche der Organe auf dem Tisch konnte Stubbs identifizieren.

Bei jedem gro?en Tier ist ein Herz naturlich ein Herz, wenn es gut genug herausgetrennt worden war, um die Ventilstruktur zu zeigen. Ein vier Kilogramm schwerer Kupferklumpen war von der Fabrikabteilung ausgeschieden worden. Der Organismus hatte zumindest begonnen, seinen vorgesehenen Zweck zu erfullen, bevor die Krankheit das Pseudolebewesen befallen hatte. Es hatte sich auch in anderen Beziehungen normal entwickelt, wie ein funfundzwanzig Zentimeter langer Embryo zeigte. Die Zeowale und ihre Familie vermehrten sich asexuell. Die Vielfalt der genetischen Variationen, die der biologische Vorteil der geschlechtlichen Vermehrung ist, war gerade das, was die Benutzer der Pseudoorganismen nicht wunschten, zumindest, solange kein Faktor entwickelt wurde, der die Auswahl der geeignetsten Charakteristika gewahrleistete.

Mancini verbrachte mehr als eine Stunde bei seiner ziemlich widerwartigen Arbeit, bis er schlie?lich seine Gerate beiseite legte. Stubbs war nicht imstande gewesen, ihm die ganze Zeit zuzusehen, da die Haifisch zwei andere leblose Wale aufgefischt hatte und er seinen Job zu versehen hatte. Beide waren in derselben Art wie der erste Wal infiziert worden. Aber der Junge kehrte ins Laboratorium zuruck, als die erste vorlaufige Gesamtuntersuchung des ersten Wales beendet war. Auch Winkle war anwesend, da man keine weiteren Schritte planen konnte, bevor Mancini das Ergebnis seiner Forschungsarbeit bekanntgab.

„Das Skelett ist vollig verschwunden“, begann der Mechaniker.

„Sogar das Ungeborene tragt keine Spur von Metall in sich. Deshalb konnten die Magnete den Wal nicht halten. Bis jetzt hatte ich noch keine Zeit, mir die Ergebnisse der Analysen anzusehen, aber ich bin mir ziemlich sicher, da? die Gallertmasse in der Bauchhohle und das schleimige Zeug an der Haut Teile derselben Lebensform sind und da? die Organismen das Metall aufgelost haben. Vielleicht war das eine Mutation der ursprunglichen, eisenfressenden Pseudolebensformen. Nach seiner allgemeinen Zellformation zu schlie?en, war die genetische Form eine purinpyrimidinnukleotide, die der naturlichen Lebensform ziemlich ahnlich…“

„Dann handelt es sich also um eine weitere ursprungliche kunstliche Form, die ausstirbt?“ unterbrach ihn Winkle.

„Ich nehme es an. Ich habe ein wenig von dem nuklearen Material isoliert, aber ich mu? den gro?en Analysator auf der Guppy benutzen, um ganz sicherzugehen.“

„In der Nachbarschaft scheinen sich keine weiteren zerstorten Fische zu befinden. Brauchen Sie noch irgend ein anderes Material, bevor wir zuruckkehren?“

„Nein. Was mich betrifft, so steht der Ruckkehr nichts mehr im Weg — aber es ware vielleicht eine ganz gute Idee, das Hauptschiff anzurufen, solange wir noch hier drau?en sind, und zu fragen, ob noch andere Walherden eine Uberprufung benotigen.“

„Selbst wenn das der Fall ware, so konnten Sie in Ihrem Laboratorium keine weiteren Probemuster mehr unterbringen“, stellte Winkle fest und starrte auf die uberfullten Tische.

„Das stimmt allerdings. Aber vielleicht gibt es etwas, bei dem keine Hauptuntersuchung notig ist. Aber Sie sind der Ka pitan, tun Sie, was Sie fur richtig halten. Ich bin mit der Menge hier auf jeden Fall beschaftigt, bis wir auf der Guppy eintreffen, ob Sie nun geradewegs heimkehren oder nicht.“

„Ich werde anrufen.“ Der Kapitan wandte sich ab und kehrte auf seine Station zuruck.

„Ich frage mich, warum sie die ersten Pseudolebewesen mit Genbandern hergestellt haben, die den naturlichen so ahnlich sind“, sagte Stubbs. „Man sollte doch annehmen, sie hatten

Вы читаете Expedition zur Sonne
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×