voraussehen konnen, was Mutationen anrichten konnen und da? Organismen, die den echten Lebensformen zu ahnlich sind, Arten hervorbringen konnten, die sowohl uns als auch andere kunstliche Formen mit Krankheiten anstecken.“

„Daran haben Sie naturlich gedacht“, erwiderte Mancini.

„Diese Moglichkeit war ein Lieblingsthema der Gegner des gesamten Prozesses — zumindest der Gegner, die nicht von fanatischen religiosen Motiven bewegt wurden. Unglucklicherweise gab es keinen anderen Weg, die Sache zu entwickeln.

Die ursprungliche Forschung mu?te naturlich mit dem beginnen, was du echtes Leben nennst. Das fuhrte zu der Erkenntnis, da? zytosin-thymin-adenoid-guanine Viererformen des gewohnlichen DNA kein System bilden konnten, das sich sowohl selbst wiederholen als auch die Synthese vom Aufbau der Polypeptide und Polysaccharide kontrollieren kann…“

„Aber ich dachte, es sei viel komplizierter. Da sind doch Phosphate und Zucker in der Entwicklungskette, und DNA und RNA.

„Du hast ganz recht, aber ich wollte dir keine Chemielektion erteilen. Ich habe versucht, den historischen Gesichtspunkt darzustellen. Zuerst erkannte niemand, da? viele neben diesen vier Basen die genetische Arbeit erledigen konnten. Dann fand man heraus, da? eine ganze Menge naturlicher Lebensformen Abwandlungen dieser Basen in ihren Nukleotiden hatten, und allmahlich wurden die Grunde, warum diese Strukturen oder besser gesagt ihre Potentialfelder polymer formende Eigenschaften haben, klar. Dann, und nur dann wurde es offensichtlich, da?,naturliche’ Gene nicht die einzig moglichen sind. Sie sind nur ganz einfach die Gene, mit denen auf diesem Planeten alles begonnen hat. Es gibt so viele Moglichkeiten, Gene zu bilden, als es Moglichkeiten gibt, Gedichte zu schreiben — oder Flugzeuge zu bauen. Wie du sicher wei?t, hat es sich zu einer sehr brauchbaren und angenehmen Technik entwickelt, die Kanale eines synthetischen Zeolits als Ruckgrat fur genetische Bander zu verwenden, wenn wir eine Maschine wachsen lassen wollen, wie die, die wir vorhin zerlegt haben. Es ist unhandlicher als das Phosphat-Zucker-Basisband, aber es ist viel stabiler.

Nach wie vor ist es aber notwendig, da? man wei?, wie man mit den Realitaten zu arbeiten hat — trotz allem. Du wei?t so gut wie ich, da? der Grund, warum du eine Lebenserwartung von etwa hundertfunfzig Jahren hast, darin zu suchen ist, da? dein besonderes Gensystem in einem halben Kubikmeter Zeolitmasse in Denver unter einer hubschen Aktennummer aufbewahrt wird…“

„-“, murmelte der Junge vor sich hin.

…..und jeder halbwegs kompetente Molekularmechaniker wie ich kann Ersatzteile wachsen lassen, wenn du sie brauchen solltest.“

„Das wei? ich alles, aber es scheint mir immer noch gefahrlich, herumzustochern und kleinere Veranderungen bei den gewohnlichen Lebensformen vorzunehmen“, erwiderte Rick.

„Es mu? etwa funfzigtausend Leute wie Sie auf der Welt geben, die ein gefahrliches Virus, einen Keim oder Pilz in ein paar Wochen Laboratoriums- und Computerarbeit zusammenbasteln konnen und die Dinge wie einen Eisenfresser produzieren, deren Mutation sich als gefahrlich erweist.“

„Es ist genauso gefahrlich, da? sieben Milliarden Leute auf diesem Planeten leben, von denen praktisch jeder wei?, wie man ein Feuer entzundet“, entgegnete Mancini. „Gefahrlich oder nicht, es war nicht mehr moglich, von Watson oder Crick und der DNA-Struktur zu diesem Zeowal zu kommen, ohne diese Zwischenentwicklung, genauso, wie es unmoglich war, von den Brudern Wright und ihrem Flugapparat zu unseren Zweistunden-Transatlantik-Jets ohne die Motoren von Ford zu gelangen. Wir haben das Wisssen, und es ist eine historische Tatsache, da? niemand Wissen zerstoren kann, und da konnen wir es genauso gut gebrauchen. Und die Tatsache, da? so viele fahige Praktiker existieren, ist eine Absicherung, falls die Entwicklung einmal ein wenig au?er Kontrolle geraten sollte.“

Der Junge blickte nachdenklich vor sich hin.

„Da haben Sie irgendwie recht“, sagte er langsam. „Aber mit all dem Wissen — warum nur hundertfunfzig Jahre? Warum konnen wir nicht bis in alle Ewigkeit leben?“

„Glaubst du, da? wir das sollten?“ fragte Mancini mit ernstem Gesicht.

Der Junge grinste.

„Weichen Sie mir nicht aus. Wenn Sie es konnten, wurden Sie es auch tun — einige Leute wurden es auf jeden Fall wollen.

Warum konnen Sie es nicht?“

Mancini zuckte mit den Schultern.

„Viele hundert Millionen Leute kennen sicher die Regeln des Schachspiels.“ Er nickte zu Dandridge hinuber, der vor seiner Kontrolltafel sa?. „Aber warum spielen nicht alle gleich gut?

Du wei?t doch, warum die Arzte zogerten, Hormone zur Therapie zu verwenden, als diese in unbeschranktem Ma? zur Verfugung zu stehen begannen?“

„Ich glaube schon. Wenn man jemandem Cortison gibt, so kann das zwar die gewunschte Wirkung erzielen, aber es kann genausogut andere Drusen anregen oder ihre Arbeit hemmen, was den Haushalt anderer Hormone gefahrden wurde, und das wieder… Nun, es ware eben eine Kettenreaktion ohne absehba res Ende.“

„Ganz richtig. Und mit den Genen herumzuexperimentieren, das wurde ahnliche Ergebnisse bringen, wenn nicht noch schlimmere. Wenn du durch einen Unfall die Beine verlorest, so konnte ich hier und jetzt dein Gensystem so manipulieren, da? dir neue Beine wachsen. Aber gleichzeitig besteht das Risiko, andere Dinge in deinem System zu gefahrden. Genauer gesagt, ich mu?te gewisse Einschrankungen in deinem Zellteilungskontrollmechanismus vornehmen, wenn die Beine lange genug sind, um ihr Wachstum zu stoppen — und dann passiert das gleiche, was durch naturlichen Zufall bei Krebskranken geschieht. Wahrscheinlich wurde ich alle unangenehmen Nebeneffekte ausschalten konnen, da du erst neunzehn Jahre alt bist und noch prachtig stabil, wie wir es nennen. Wenn du alter wirst und immer mehr Faktoren diese Stabilitat beeintrachtigen, wird es schon schwieriger. Und die Storfaktoren vermehren sich von Jahr zu Jahr.

Du wurdest mit einer ausreichend starken Stabilitatsreserve geboren, um ein paar Dekaden ohne biochemische Eingriffe leben zu konnen, sogar bis neunzig. Aber wenn wir unser Wissen einsetzen, konnen wir das Spiel noch langer spielen. Aber fruher oder spater mussen wir das Handtuch werfen. Nicht, da? wir nicht die Spielregeln kennen wurden. Betrachten wir noch einmal die Analogie mit dem Schachspiel. Es sind einfach zu viele Figuren auf dem Brett, als da? wir alle auf einmal genau beobachten konnten.“

Stubbs schuttelte den Kopf.

„In dieser Weise habe ich mir das noch nie uberlegt. Mir erschien das immer wie eine simple Reparatur, und ich konnte nicht einsehen, warum das so schwierig sein sollte.“

Mancini grinste.

„Da la?t deine ausgezeichnete Grundschulbildung eben doch zu wunschen ubrig. Nun, es dauert noch ein paar Stunden, bis wir bei der Guppy eintreffen, und rund um uns laufen einige Analysen. Wenn ich diese Analysen in Worte kleide, die du verstehen kannst, wirst du vielleicht lernen, warum das Spiel so unkompliziert ist, bevor wir die Guppy erreichen. Und vielleicht…

„Sein Gesicht wurde ernst. „Vielleicht wirst du auch verstehen, warum das Spiel so viel Spa? macht, obwohl wir letzten Endes doch die Verlierer sind. Es ist nicht nur, da? unser Leben auf dem Spiel steht. Die Menschheit spielt dieses Spiel schon seit etwa zwei Millionen Jahren, und noch immer leben eine Menge Leute. Komm jetzt.“

Er wandte sich dem Tisch zu, auf den die verschiedenen Analysatoren ihre Resultate gehauft hatten. Und da Stubbs uber umfangreiche Grundkenntnisse der Mathematik und der Chemie verfugte, konnten sie sich in den Termina der Kurzel der wissenschaftlichen Sprache unterhalten. Sie achteten nicht darauf, als die Hauptturbinen der Haifisch beschleunigten und das Schiff sich seinen Weg zwischen den Eisbergen hindurch aus der Gegend suchte, in der die Zeowale Metall sammelten.

Als Winkle das offene Meer erreicht und Ishihara ihm den Weg fur volle Fahrt freigegeben hatte, hatten die anderen vier jeden Kontakt mit der Au?enwelt verloren. Dandridge spielte mit Farrell Schach, der Molekularmechaniker und sein angehender Lehrling waren in eine Aufgabe vertieft, die ebenso schwierig war wie etwa die, einem Vierzig-Mann-Orchester zu erklaren, wie man „Aida“ von der Ouverture bis zum Schlu?akkord ohne Notenvorlage spielt. Und im Vergleich dazu waren Stubbs’ mathematische Kenntnisse nicht weiter gediehen, als hatte er gerade die Tonleiter gelernt.

Nichts konnte die Spieler von ihren Spielen ablenken. Der Wind war etwas starker geworden, aber die Dunung hatte sich kaum verstarkt. Als die Haifisch auf ihren Wasserdunen dahinglitt, wurden nur minimale Erschutterungen erzeugt, wenn die Streben die Wellen durchschnitten. Die Sonne stand hoch am beinahe wolkenlosen Himmel. Sowohl die visuelle als auch die sonare Fuhrungstechnik funktionierte ausgezeichnet.

Die Guppy lag etwa zweihundert Kilometer weiter sudlich, weit au?erhalb der Reichweite des Sonars. Noch vier weitere Boote der Guppy befanden sich auf Dienstfahrt, und gelegentlich wechselte Winkle ein paar Worte mit ihren Kommandanten.

Aber keiner hatte etwas wirklich Wichtiges zu sagen. Die oberflachliche Konversation war eine Gewohnheitssache, nur um sich zu vergewissern, da? alles in Ordnung und jedermann auf seinem Posten war. Kein Pilot, weder in der Luft, zu Wasser oder unter Wasser ma? dem Sprichwort, da? keine Neuigkeiten gute Neuigkeiten sind, viel Bedeutung bei.

Es wurde lange daruber diskutiert, wen dann die Schuld an der Unterbrechung dieses Idylls traf. Gewi? hatte Mancini dem Kapitan in gro?en Zugen seine Vermutung uber die Pest dargelegt, die ihren ersten Zeowal getotet hatte. Aber ebenso gewi? hatte er es versaumt, die Bestatigung dieser Vermutung zu berichten, nachdem er mit Stubbs die Laboratoriumsresultate durchgegangen war. Winkle selbst fragte nicht nach einer solchen Bestatigung — es bestand auch kein besonderer Grund, warum er es hatte tun sollen, und wenn er es getan hatte, so fallt es schwer zu glauben, da? er all die Folgen erkannt hatte oder fahig gewesen ware, etwas dagegen zu unternehmen. Die Tatsache bleibt bestehen, da? jeder, angefangen bei Kapitan Winkle, der an der Spitze der Kommandoleiter stand, bis zu Stubbs, der die unterste Sprosse einnahm, vollig uberrascht wurde, als die hintere Steuerbordstrebe mitsamt dem Schwimmer fein sauberlich direkt unterhalb der Wasseroberflache durchtrennt wurde.

Bei funfundsechzig Knoten konnten keine menschlichen Reflexe mit der Situation fertig werden. Die elektronischen versuchten es, aber die mechanische Struktur des Schiffes war nicht darauf eingerichtet, den Verlust eines Schwimmers auszugleichen.

Als die Gyros das Absinken im ruckwartigen Steuerbord- Quadranten registrierten, versuchte der automatische Pilot, die Wasserdusen des betreffenden Schwimmers auf Hochstleistung zu bringen, was naturlich nicht gelang. Das Schiff sank an dieser Stelle immer tiefer. Als der automatische Pilot schlie?lich durch das Absinken des vorderen Backbordschwimmers kompensieren wollte, war es zu spat. Das achtern herunterhangende Rumpfstuck der Steuerbordseite prallte gegen einen Wellengipfel — bei einer Geschwindigkeit von funfundsechzig Knoten —, und die Haifisch schlug einen Salto.

Durch das Eintauchen ins Wasser wurde ihre Geschwindigkeit abrupt aufgezehrt, das Schiff kam auf seinen Doppelrumpfen zu liegen und trieb schlie?lich schwankend auf der Dunung.

Au?en zeigte die Haifisch kaum Anzeichen einer Beschadigung, und in der Hulle befanden sich nur ein paar geringfugige Dellen. Die Propeller waren abgetrennt worden, als sie sich uberschlagen hatten.

Innen sah es anders aus. Die meisten der Apparaturen und auch ein paar Manner hatten keinen Schaden erlitten. Aber die anderen sahen um so schlimmer aus.

Winkle und Ishihara waren bewu?tlos, obwohl sie noch immer auf ihren Sitzen hockten. Beide waren nach vorn geschleudert worden, gegen ihre Kontrollpulte, und waren mit unappetitlichen Fragmenten des zerteilten Zeowals drapiert.

Ishiharas Kopf hatte die Skalenscheibe seines Unterwasserschallme?gerats zerschmettert, und unzahlige blutende Schnittwunden bedeckten sein Gesicht.

Die Schachspieler hatten Spuren auf der Kontrolltafel des Kranes hinterlassen und lagen nun verkrummt daneben. Keiner der beiden blutete, aber Farrells Arme waren in einem so unnaturlichen Winkel verbogen, da? es unmoglich schien, da? er keine Knochenbruche davongetragen hatte. Dandridge stohnte und versuchte auf die Beine zu kommen. Er und Mancini waren die einzigen, die bei Bewu?tsein waren.

Der Mechaniker hatte mit dem Gesicht nach Steuerbord auf einem Stuhl gesessen, als der Aufprall eintrat. Er war auf seinem Stuhl nicht festgeschnallt gewesen, und bevor er durch das Laboratorium geschleudert werden konnte, verfing sich sein rechtes Bein irgendwo. Es wurde nicht vollig vom Korper getrennt, und merkwurdigerweise war die Haut unversehrt geblieben.

Das war das einzige, was man unterhalb des Knies als sicher feststellen konnte.

Stubbs hatte neben dem Mechaniker gestanden. Spater stritten sie daruber, ob es gut oder schlecht gewesen sei, da? er links gestanden hatte. Rick konnte nirgendwo Halt finden, als er herumgeschleudert wurde, und wenn etwas dagewesen ware, so ware er weder schnell noch stark genug gewesen, um es zu erwischen. Er wu?te nicht, was ihn wahrend seines Fluges durch das Laboratorium traf. Die Bewegungen der Haifisch waren so wild, da? es das Deck oder die Lehne eines Pilotensitzes gewesen sein konnte. Offensichtlich war er aber mit der gro?en Flasche kollidiert, in der Mancini den Schleim gesammelt hatte, der an der Haut des Wales geklebt hatte. Aber sie wu?ten nicht, ob die Flasche zu diesem Zeitpunkt noch ganz gewesen war. Es ist sehr schwer zu verstehen, wie er es geschafft hatte, so viele Teile zu absorbieren, auch wenn die Flasche bereits zertrummert war. Ebenso schwer begreiflich ist es, wie sich die Fragmente so weit uber seine Anatomie ausdehnen konnten, wenn die Flasche noch unversehrt gewesen war.

Es war Stubbs, oder besser gesagt, sein Anblick, der Mancini in Bewegung versetzte. Es war eine komplizierte Aufgabe, sein zerschmettertes Bein zu befreien, aber nicht kompliziert genug, als da? er den Blick von dem Jungen abgewandt hatte, der ein paar Meter von ihm entfernt lag. Arterienblutungen waren et was, das den Blick jedes Molekularchemikers magisch anzog.

Er fuhlte sich ubel, sein Bein schmerzte hollisch, aber die Ubelkeit hatte andere Ursachen. Ob es der Anblick Ricks war oder der Schock, konnte er nicht sagen. Er bemuhte sich, sein Bein zu

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