„Wie? Ich verstehe nicht…“

„Der Gro?teil deiner rechten Hand wurde zerschnitten, offenbar von Glassplittern meiner Flasche. Ben Turley von der Seeal, die uns aufgelesen hat, fand die fehlenden Teile deiner Hand und brachte sie uns. Sie sind jetzt in einer Kultur.“

„Was hat das mit meinen Fingerabdrucken zu tun? Warum haben Sie oder Jellinge die fehlenden Teile nicht wieder angenaht?„

„Weil einige Zweifel bezuglich ihres Zustands bestehen. Es war eine Stunde nach dem Unfall, bevor sie in die Kultur kamen.

Du wei?t noch, da? Gehirnschaden entstehen konnen, wenn die Sauerstoffzufuhr ein paar Minuten lang gestoppt wird. Knochen, Sehnen und Gelenke sind naturlich nicht so empfindlich wie das Gehirn, aber chemisch gesehen ist eine Stunde eine sehr lange Zeitspanne. Und ein Anpflanzen verlangt nach Heilkraften, die ebenso von der genetischen Integritat abhangen wie von der nervlichen Aktivitat. Wir waren nicht sicher, ob es in deinem Fall richtig gewesen ware, die Handteile wieder anzupflanzen. Es ist die Frage, ob wir deine Hand wieder zusammenfugen oder ob wir dir eine neue wachsen lassen.

Deshalb fragte ich dich, ob du Wert auf deine Fingerabdrucke legst.“

„Wurde eine neue Hand nicht die gleichen Abdrucke haben?“

„Dieselbe Klassifizierung, die genetisch festgelegt ist, aber die Details werden vom Zufall bestimmt.“

„Was wurde langer dauern?“

„Wenn die Hand in dem Zustand ist, da? eine Anpflanzung moglich ist, ware diese Methode die schnellere — etwa eine Woche wurde es dauern. Wenn das nicht geht, dauert es ungefahr sechs- bis achtmal so lange.“

„Und wann werden Sie sich entscheiden?“

„Bald. Ich fragte mich, ob du vielleicht das eine oder andere lieber hattest. Welcher Methode wurdest du den Vorzug geben? „

„Ich kann ja nicht wissen, was besser ist. Warum fragen Sie mich?“

„Aus verschiedenen Grunden. Ich werde sie dir sagen, wenn du zwei Jahre lang in Molekularmechanik ausgebildet sein wirst, wenn du dich fur diesen Beruf entschlie?en solltest. Du hast mir noch immer nicht gesagt, welche Methode du bevorzugen wurdest.“

Der Junge betrachtete ihn eine volle Minute lang schweigend.

Er dachte nicht uber die Antwort nach, die Mancini von ihm erwartete, sondern er fragte sich, welche Grunde der Mechaniker haben mochte, ihm diese Frage zu stellen. Schlie?lich gab er es auf.

„Ich glaube, ich hatte lieber meine Originalhand, wenn die Moglichkeit besteht, da? sie mir wieder angepflanzt wird“, sagte er. „Dann mu?te ich nicht so lange in der Maschine stekken und warten, bis mir eine neue Hand wachst.“

„Gut, dann versuchen wir es auf diese Art. Naturlich wirst du so oder so eine Weile in der Maschine bleiben mussen. Wenn wir also Schwierigkeiten mit der Hand haben sollten, wird sich das nicht auf deine Zeit auswirken.“

„Wie meinen Sie das? Ist au?er der Hand noch etwas nicht in Ordnung?“

„Hast du nicht bemerkt, da? dein Kopf festgeklemmt ist?“

„Ja, sicher. Ich stellte fest, da? ich ihn nicht bewegen kann, aber ich hatte keine Ahnung, da? etwas damit nicht in Ordnung ist. Was ist mit meinem Kopf passiert?“

„Die Splitter von der Flasche verletzten dein Gesicht.“

„Warum kann ich dann so gut sehen und sprechen?“

„Wenn ich das wu?te, dann wurde ich zu arbeiten aufhoren und mein Leben als Berufsspieler fristen. Als ich dein Gesicht sah, nachdem es gereinigt und die Glassplitter entfernt worden waren, fragte ich mich, ob nicht irgendein bestimmter Plan in der Anordnung der Splitter gelegen haben konnte. Es war geradezu unglaublich.“

„Wie war es denn? Konnen Sie es nicht genauer beschreiben?„

„Offen gesagt, lieber nicht. Es existieren naturlich Fotos, aber ich werde dafur sorgen, da? du sie erst zu Gesicht bekommst, wenn du wiederhergestellt bist. Dann kannst du in den Spiegel gucken, um dich uber dein neues Aussehen zu beruhigen, falls sich dir beim Anblick der Fotos der Magen umdrehen sollte.

„Nein…“, sagte er entschlossen, als Stubbs ihn unterbrechen wollte, „ich respektiere deine innere Festigkeit, aber ich bezweifle, ob du sie aufrechterhalten kannst, wenn du mit der Realitat konfrontiert wirst. Ich konnte es kaum, wenn es sich um mein Gesicht handeln wurde.“ Mancini mu?te an die schrecklichen Augenblicke denken, als er sein ruiniertes Bein uber das Deck der Haifisch geschleppt hatte, zu dem blutenden Korper des Jungen.

Rick verfolgte das Thema nicht weiter, denn plotzlich war ihm ein anderer Gedanke gekommen.

„Sie lassen mein Gesicht regenerieren, ohne mich zu fragen, ob ich es so haben will wie mit meiner Hand, nicht wahr?“

„Ja.“

„Das bedeutet also, mein Gesicht ist so schwer verletzt, da? es mit der normalen Heilmethode nicht wiederhergestellt werden kann.“

Mancini verzog die Lippen und dachte eine Weile nach, bevor er antwortete.

„Es wurde naturlich heilen. Wenn man dein Alter in Betracht zieht, konnte es sogar heilen, ohne da? gro?e Narben zuruckbleiben.

Aber das Risiko, da? zu viele sichtbare Narben bleiben, ist doch zu gro?.“

Stubbs lag schweigend da und starrte zur Decke empor. Der Mechaniker war uberzeugt, da? der Gesichtsausdruck des Jungen nachdenklich war. Sehen konnte er es nicht, weil der Gro?teil von Stubbs’ Gesicht verdeckt war. Er fragte sich, was den Jungen beunruhigte. Soweit er es nach der Zusammenarbeit mit ihm beurteilen konnte, war Stubbs kein Feigling. Und er konnte sich auch nicht vorstellen, wovor sich Stubbs furchtete. Aufgrund seines Berufs waren Wachstumsprozesse, naturliche oder kunstliche, nichts Aufregendes fur ihn. Stubbs schwebte keineswegs in der Gefahr, mi?gestaltet oder verkruppelt zu bleiben oder starke Schmerzen ertragen zu mussen. Aber irgend etwas beunruhigte den Jungen offensichtlich.

„Marco, wo hort bei Wachstumsprozessen die genetische Kontrolle auf?“ fragte Stubbs schlie?lich. „Und wo setzt die Wirkung der Statistik ein?“

„Das kann man nicht exakt und allgemein beantworten. Genetische Faktoren sind Wahrscheinlichkeitsfaktoren, aber sie besitzen einen so hohen Wahrscheinlichkeitsgrad, da? wir von Stabilitat sprechen. Ich habe mit dir uber die Fingerabdrucke gesprochen, aber jede Situation erfordert eine andere Antwort.“

„Was Sie uber die Fingerabdrucke sagten, hat mich nachdenklich gemacht. Sie werden mein Gesicht wiederherstellen.

Sie sagen mir nicht, was alles neu gemacht werden mu?, aber Sie gaben zu, da? es auch auf normalem Weg heilen konnte.

Wenn Sie mein Gesicht wiederherstellen, wie ahnlich wird es meinem Originalgesicht sein? Wann und wie wird der statistische Faktor wirken?“

„Statistische Faktoren gibt es uberall, wahrend des gesamten Prozesses“, erwiderte Mancini. „Das sagte ich dir schon. Dein Gesicht mu?te dem alten so ahnlich sehen, wie sich die Gesichter von Zwillingen gleichen, und auch aus demselben Grund.

Jemand, der Zwillinge sehr gut kennt, kann sie fur gewohnlich auseinanderhalten, aber dein altes Gesicht wird nicht mehr existieren, und man wird also keine Vergleiche anstellen konnen.

Ich verspreche dir, da? niemand an deiner Identitat zweifeln wird.“

„Au?er, es geht etwas schief.“

„Wenn etwas schiefgeht, konnen wir die Prozedur wiederholen.„

„Es konnte wirklich etwas schiefgehen.“

Mancini hatte durchaus zugegeben, da? die Sonne am nachsten Tag nicht aufgehen wurde, wenn genug passieren sollte, um es zu verhindern. Er leugnete auch nicht, da? der Junge recht haben konnte, und fuhlte sich leicht irritiert.

„Hei?t das, da? du nicht willst, da? wir die Arbeit tun? Willst du lieber die Narben in Kauf nehmen?“

„Warum mussen uberhaupt Narben entstehen? Warum kann ein normales genetisches Material nicht noch einmal das bilden, was es bereits einmal gebildet hat? Manchmal ist das doch der Fall. Warum nicht immer?“

„Das kann man schwer erklaren. Es hat etwas mit den Faktoren zu tun, die deine Nase am Wachsen hinderten, bevor sie die Ausma?e eines Elefantenrussels erreichte, oder genauer gesagt, mit den Faktoren, die dein gesamtes Wachstum stoppten.“

„Kann man diese Faktoren in einem besonderen Fall genau messen?“

„Ziemlich genau.“

Stubbs verfolgte dieses Thema mit einem Eifer, der dem Mechaniker zu denken hatte geben sollen.

„Dann konnen Sie doch sagen, ob die Wunden in meinem speziellen Fall Narben hinterlassen werden.“

„Ich — nun ja, ich nehme es an. Es wurde… Hm, ich werde daruber nachdenken. Normalerweise wurden wir dein Gesicht ganz einfach wiederherstellen. Was hast du eigentlich dagegen?

Wir setzen die Dinge zusammen und beobachten dann den Proze?, korrigieren, wenn etwas nicht richtig ist, und folgen genau dem Plan, nach dem dein ursprungliches Gesicht entstanden ist.“

„Ich verstehe noch immer nicht, warum mein Korper diesen Planen nicht ohne Ihre Hilfe folgen kann.“

„Nun, keine Analogie ist vollkommen. Aber grob gesagt — deshalb, weil die Zellen, die sich teilen mussen, um das Wachstum zu gewahrleisten, die Plane, die sie fur die Originalkonstruktion brauchten, abgestempelt haben, als die Produktion vollendet war. Und die Stempel haben einiges von den Linien der Plane verdeckt.“

Mancini verlor langsam die Geduld, was sein Tonfall verriet.

Theoretisch hatte sein Bein ihm keine Schmerzen bereiten durfen, aber er stand jetzt schon seit geraumer Zeit, und jeder Molekularmechaniker hatte ihm gesagt, da? beim gegenwartigen Stand seines Heilprozesses er nicht so lange stehen durfte.

Warum lie? der Junge nicht locker?

Entweder bemerkte Stubbs Mancinis gereizten Tonfall nicht, oder er kummerte sich nicht darum.

„Aber die Plane, die Informationen, existieren doch noch.

Sogar ich wei? soviel uber Molekularbiologie. Ich habe noch nicht gelernt, Ihre Analysatoren zu benutzen, und noch weniger, die Resultate auszuwerten. Aber ich verstehe nicht, warum es schwieriger sein soll, die Plane trotz der Stempel zu lesen, als die Fahigkeit des magnetischen Schleimes festzustellen, Eisen aus den Zellen zu ziehen.“

„Deine Frage lautete, warum dein Korper es nicht schafft.

Verandere nicht mitten im Spiel die Spielregeln.

Ich sagte, es sei ungewohnlich, es auf deine Methode zu machen, und ich verstehe auch nicht, was du damit gewinnen willst. Du wurdest unsere Arbeit verdoppeln. Ich bin nicht direkt faul, aber diese Arbeit ist ohnehin schon kompliziert und zeitraubend genug. Wenn jemand dein Portrat malen soll und dich gefragt hat, ob du es auf Papier oder auf Leinwand haben willst, wurdest du ihn dann noch fragen, welche Farbtopfe und Pinsel er benutzt?“

„Das halte ich nicht fur eine gute Analogie. Ich will doch nur wissen, was ich zu erwarten habe…“

„Du kannst nicht wissen, was du zu erwarten hast. Das kann niemand. Du mu?t dich mit den Unsicherheiten abfinden. Aber du hast den Vorteil, da? du wenigstens annahernd wei?t, was dich erwartet. Und jetzt bitte ich dich, mir zu sagen, ob du willst, da? Bert und ich den Heilproze? deines Gesichts kontrollieren, oder ob du es sich selbst uberlassen willst.“

„Aber wenn man Pflanzen zuchten kann, die Sandwiches statt Kurbisse hervorbringen, warum…“

Mancini machte eine ungeduldige Handbewegung. Er konnte den Jungen gut leiden und hoffte immer noch, ihn fur seine Arbeit zu begeistern, aber es gab gewisse Grenzen.

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