reden. Versteh doch, wir wollen dir helfen. Bruder Eadulf ist mein Begleiter. Wir alle wollen dir helfen.«

Der Junge begann zu schluchzen. »Sie haben ver-sucht, mich umzubringen. Iorwerth und Iestyn und die anderen. Sie waren wutend auf mich und haben versucht, mich aufzuhangen.«

»Sie waren voller Zorn, aber sie taten gro?es Unrecht damit«, sagte Fidelma. »Nun, wir kamen gerade rechtzeitig und konnten sie aufhalten. Erinnerst du dich daran?«

Idwal warf Meurig und Eadulf einen verstohlenen Blick zu, dann schaute er wieder Fidelma an. »Ich erinnere mich«, sagte er zogernd. »Ja, ich erinnere mich.«

»Gut. Nun, dann begreifst du wohl, da? sie behaupten, du hattest ein Madchen namens Mair umgebracht? Da? du sie vergewaltigt und dann ermordet hast. Begreifst du das?«

Idwal begann am ganzen Leibe zu zittern. »Nein, nein, nein! Das habe ich nicht. Ich habe Mair geliebt. Ich hatte alles fur sie getan ...«

»Mairs Vater, Iorwerth, hat dir gesagt, du sollst dich von ihr fernhalten, nicht wahr?«

Der Junge lie? den Kopf hangen. »Ja. Er mag mich nicht. Keiner von den Leuten aus Llanwnda mag mich.« Idwals Stimme klang auf einmal ganz hohl, ohne Gefuhl. Er hatte einfach nur eine Tatsache ausgesprochen.

»Warum mogen sie dich denn nicht?« wollte Fidelmawissen.

»Weil ich arm bin, schatze ich. Weil ich nicht wei?, wer meine Eltern sind. Weil sie glauben, da? ich ein Dummkopf bin.«

»Aber du bist hier in der Nahe geboren?« Diese Fra-ge stellte Fidelma, weil es in ihrem Land ublich war, sich um die schwachsten Mitglieder der Gemeinschaft zu kummern und denjenigen gegenuber, die arm oder einfaltig waren, Nachsicht walten zu lassen.

Idwal antwortete mit einem Stirnrunzeln. »Ich wei? nicht, wo ich geboren wurde. Ich bin im Haus von Io-lo in Garn Fechan aufgewachsen. Iolo war ein Schafer. Er war nicht mein leiblicher Vater. Er hat mir nie gesagt, wer mein Vater war. Als er umgebracht wurde, hat mich sein Bruder Iestyn davongejagt, von da an war ich auf mich allein gestellt.«

»Iestyn?« Der Einwurf kam von Eadulf. »Wo haben wir diesen Namen schon einmal gehort?«

Fidelma blickte ihn warnend an. »Gehort jener Ie-styn zu denen, die heute abend versucht haben, dich zu bestrafen?«

Idwal nickte rasch. »Iestyn hat mich schon immer geha?t.«

»Du hast gesagt, da? man Iolo umgebracht hat. Wie ist das passiert?«

»Seerauber.«

»Wer waren die?«

Idwal zuckte mit den Schultern.

»Sag mir, was zwischen dir und Mair vorgefallen ist«, fuhr Fidelma fort. »Warum schiebt man dir die Schuld an dem Mord zu?«

»Mair hat mich anders als die anderen behandelt. Sie war freundlich zu mir. Sie war nett.«

»Und du hast sie gemocht?«

»Naturlich.« »Wie hast du sie gemocht?«

Der Junge schaute sie verwirrt an.

»Sie war meine Freundin«, bekraftigte er.

»Weiter nichts?«

»Was gibt es da noch mehr?« Der Junge meinte das aufrichtig.

Fidelma sah in die unschuldigen Augen des Jungen. »Kurz bevor man ihre Leiche fand, hattest du Streit mit ihr?«

Idwal errotete und blickte nun nach unten. »Das ist mein Geheimnis.«

»Das darfst du nicht fur dich behalten, Idwal«, sagte sie streng. »Man hat beobachtet, wie du dich heftig mit ihr gezankt hast, und kurz darauf war sie tot. Die Leute konnten davon ausgehen, da? du sie wegen des Streits umgebracht hast.«

»Ich habe ihr versprochen, da? nichts uber meine Lippen kommt.«

»Aber sie ist tot.«

»Mein Versprechen gilt immer noch. Es war eine personliche Sache zwischen uns beiden.«

»So personlich, da? sie jetzt tot ist?«

»Ich habe sie nicht umgebracht.«

»Was ist dann passiert?«

Nun antwortete der Junge vorsichtig: »Nachdem ich ihr gesagt hatte, da? ich nicht tun wurde, was sie von mir wollte .«

Fidelmas Augen verengten sich. »Deshalb habt ihr euch gestritten? Sie hat dich um etwas gebeten, und du hast es abgelehnt?«

Idwal blinzelte verwirrt. »Versuchst du mich hereinzulegen? Ich werde nicht sagen, weshalb wir uns gezankt haben.«

»Ich versuche nur, die Wahrheit herauszufinden. Wenn du mir die Wahrheit sagst, dann hast du nichts zu befurchten.«

»Ich sage die Wahrheit. Ich habe sie nicht getotet.«

»Worum hat sie dich gebeten?« fragte Fidelma erneut.

Der Junge zogerte. Er seufzte leise. »Sie wollte, da? ich eine Nachricht fur sie uberbringe, das ist alles. Und das ist alles, was ich sagen kann, denn ich habe einen Eid geschworen, es niemandem zu verraten. Ich habe es ihr geschworen und werde ihn nicht brechen.«

Fidelma lehnte sich zuruck und dachte nach. »Es mu? schon ein schreckliches Geheimnis sein, da? du sogar einen Eid geschworen hast, wo es doch lediglich um einen Botendienst ging. Wieso hat deine Ablehnung zu solch einer Auseinandersetzung gefuhrt?«

»Weil ich die Nachricht nicht uberbringen wollte. Ich dachte, da? es falsch sei«, platzte es aus Idwal heraus.

»Warum war es falsch?« fragte Fidelma.

»Ich sage nichts mehr«, beharrte Idwal storrisch.

»Erklar mir, wie es kam, da? du uber Mairs Leiche gebeugt dastandest, wenn du das Madchen nicht umgebracht hast?« Fidelma hatte beschlossen, ihre Fragetaktik zu andern. »Komm schon, Idwal, los, ruck mit der Wahrheit heraus.«

Der Junge zuckte hilflos mit den Schultern, was schwierig war, denn seine Hande waren ja immer noch auf dem Rucken zusammengebunden. »Nach dem Streit bin ich weggegangen. Ich war machtig aufgebracht, denn sie war meine Freundin und immer nett zu mir. Doch das, worum sie mich gebeten hatte, konnte ich nicht tun. Ich wollte eine Weile allein sein und nachdenken, ehe ich wieder zuruckging und mich bei ihr entschuldigte ...«

»Wie lange warst du weg?«

»Das wei? ich nicht. Ist mir ziemlich lange vorgekommen.«

»Also bist du umgekehrt und hast sie gesucht, nicht wahr?«

»Sie lag nicht weit weg von der Stelle, wo ich sie zuruckgelassen hatte. Es sah aus, als wurde sie schlafen. Das war mein erster Gedanke.« Idwal schluchzte.

»Dann ist dir aufgefallen, da? Blut an ihr klebte?« Plotzlich griff zu Fidelmas Arger Bruder Meurig ein.

»Da war kein Blut«, erwiderte der Junge. »Deshalb habe ich ja auch angenommen, da? sie schliefe.«

Bruder Meurig ruckte auf seinem Strohballen vor. »Doch der Apotheker hat Gwnda zufolge erklart, da? das Madchen an seinen Kleidern Blut hatte«, sagte er, eher an Fidelma gewandt als an den Jungen.

»Idwal, bist du sicher, da? an den Kleidern kein Blut war?«

Der Junge schlo? die Augen, als versuchte er, sich zu erinnern. »Ich habe keins gesehen«, entgegnete er mit Entschiedenheit.

Fidelma schaute zu Bruder Meurig hinuber.

Gwnda hatte gesagt, das Madchen sei vergewaltigt worden und noch Jungfrau gewesen. Wenn dem so war, mu?te an ihren Unterkleidern Blut sein, wie man es ja auch spater festgestellt hatte.

»Was hast du dann getan?« fragte Fidelma weiter und lie? die Angelegenheit fur den Moment auf sich beruhen.

»Ich kniete neben ihr nieder und fragte mich, wie ich ihr helfen konnte. Dann wurde mir klar, da? sie tot war. Ich stand auf. Ich spurte . « Er verstummte, er konnte seine Gefuhle nicht ausdrucken. »Da horte ich die

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