wutenden Schreie. Leute liefen auf mich zu. Ich hatte furchtbare Angst und versuchte wegzurennen.«
»Und dann?«
»Ich wei? noch, da? mich ein Schlag traf. Ich sank zu Boden, und Gwnda stand mit einer Keule uber mir. Nun waren die anderen auch schon da und fingen an, mich zu treten und zu schlagen. Ich glaube, ich war lange Zeit bewu?tlos. Ich kann mich an nichts weiter erinnern, als da? ich spater hier aufgewacht bin und gefesselt war.«
»Du kannst dich an nichts anderes erinnern?«
»Ich habe keine Ahnung, wie lange ich hier so eingesperrt war. Ich denke, da? es mehr als ein Tag und eine Nacht gewesen sein mu?. Buddog kam und brachte mir Wasser. Sie sagte, da? ich ihr leid tue. Ich habe lange nichts mehr gegessen. Dann kam Iestyn mit zwei anderen, und sie schleppten mich fort. Sie zogen mich zu dem Baum auf dem Platz . Und dann seid ihr aufgetaucht.«
Schweigend lehnte sich Fidelma zuruck und blickte den Jungen an. Schlie?lich drehte sie sich zu Bruder Meurig um. Der Richter zuckte die Schultern und deutete mit dem Kopf zur Tur.
»Idwal, du mu?t uns die Wahrheit sagen. Schworst du, da? du uns die ganze Wahrheit gesagt hast?« redete Fidelma wieder auf ihn ein.
Idwal schlug die Augen zu ihr auf. »Ich schwore es beim lebendigen Gott, Schwester. Ich habe sie nicht umgebracht ... Mair war meine Freundin. Meine enge Freundin.«
»Und du sagst uns immer noch nicht, welche Botschaft du fur sie uberbringen solltest?«
»Ich habe es ihr geschworen. Ich werde das Geheimnis huten. Ich kann meinen Schwur nicht brechen.«
Fidelma klopfte ihm auf die Schulter, erhob sich und folgte Bruder Meurig und Eadulf zur Tur.
»Klingt aufrichtig, was der Junge sagt«, bemerkte Bruder Meurig zogernd mit gedampfter Stimme. »Andererseits, was er erzahlt, wirft jede Menge Fragen auf.«
»Ja, er hat uns wohl die Wahrheit gesagt«, erwiderte Fidelma.
»Aber du hast wie ich das Gefuhl, da? es nicht die ganze Wahrheit ist?«
»Wenn wir wu?ten, was fur eine Botschaft es war, die er uberbringen sollte und die ihn bewog, deswegen mit dem Madchen einen Streit vom Zaune zu brechen.«
»Vielleicht hat er in diesem Punkt gelogen?« gab Eadulf zu bedenken.
»Warum? Es ist offensichtlich, da? der Junge fur sein Alter noch recht unreif ist. Ich bezweifle, da? sich ein derartig simpler Bursche so eine Geschichte ausdenkt«, entgegnete Fidelma.
»Und dennoch ist es seltsam. Was fur eine Nachricht konnte fur Mair so wichtig gewesen sein, da? sie Idwal schworen lie?, sie nicht zu verraten?«
Einen Moment lang schwiegen alle, dann sagte Eadulf: »Das verwirrendste daran ist Idwals Behauptung, an den Kleidern des Madchens sei kein Blut gewesen. Laut Gwnda und dem Apotheker hat man aber gerade an Hand dessen den Schlu? gezogen, Mair sei vergewaltigt worden.«
»Dazu werden wir den Apotheker personlich befragen mussen. Wie war noch sein Name? Elisse?« erwiderte Fidelma.
»Fest steht, da? Idwal behauptet, er sei nicht der Liebhaber des Madchens gewesen. Ja, er hat nicht einmal gesagt, da? er es gern gewesen ware«, warf Bruder Meurig ein. »Nach der Aussage des Apothekers ist Mair jedoch vergewaltigt worden. Das Blut an ihren Unterkleidern wurde das belegen.«
»Ich wurde der Sache mit der geheimen Botschaft nachgehen«, schlug Eadulf vor. »Oftmals verstandigen sich Liebende auf solche Art. Hatte Mair wirklich einen Liebhaber? Wollte Idwal aus diesem Grund die Nachricht nicht uberbringen?«
Einen Augenblick lang starrte Fidelma Eadulf uber-rascht an, dann lachelte sie. »Manchmal, Eadulf, hast du die Fahigkeit, das Offensichtliche zu erkennen, wahrend wir daran vorbeisehen.«
»Wenn die Nachricht fur ihren Liebhaber war«, stellte Bruder Meurig fest, »dann mu? Idwal, der ja zugegeben hat, da? er Mair liebt, auch wenn es scheint, da? es dabei nicht um eine sexuelle Beziehung ging, dann mu? ihn die Eifersucht zur Gewalt getrieben haben. Wollen wir doch mal horen, was er dazu sagt.«
Fidelma lief zuruck in den Stall. »Idwal, es gibt noch eine Frage. Die Botschaft betreffend ...«
»Ich habe dir doch schon gesagt, da? ich nichts daruber verraten werde«, entgegnete der Junge entschlossen.
Fidelmas Stimme klang ruhig, aber sicher. »Nun gut. Ich nehme an, da? du auf die Bitte nicht eingegangen bist, weil du etwas gegen Mairs Liebhaber hattest? Ist es so?«
Idwals Gesichtsausdruck verriet ihr, was sie wissen wollte.
»Siehst du, Idwal«, fuhr Fidelma freundlich fort, »die Wahrheit kommt immer von allein ans Tageslicht. Wer war dieser Mann?«
Der Junge machte eine abwehrende Geste. »Ich habe einen Eid geschworen.«
»Deine Zukunft kann davon abhangen, ob du mir den Namen des Mannes nennst oder nicht.«
»Ich habe einen Eid geschworen.«
Fidelma hatte viel Ubung darin, den Charakter eines Menschen einzuschatzen, und erkannte, da? Idwal dabei bleiben wurde. »Nun gut, dann lassen wir das, Idwal.«
Kopfschuttelnd kehrte sie zu Bruder Meurig und Eadulf zuruck. »Eadulf hatte recht. Der Junge beharrt zwar darauf, uns nicht zu verraten, fur wen die Nachricht war, aber sein Gesicht verriet mir die Wahrheit, als ich ihm auf den Kopf zusagte, da? sie wohl fur Mairs Liebhaber bestimmt war. Seinen Namen konnte ich jedoch nicht in Erfahrung bringen.«
»Eins ubersehen wir«, stellte Bruder Meurig klar. »Wir reden hier nur von platonischer Liebe, nicht von korperlicher. Die Indizien belegen, da? Mair noch Jungfrau war. Damit hatte der Junge immer noch ein Mordmotiv. Rache, weil das Madchen ihn um des anderen willen ablehnte.«
»Ich glaube, wir warten mit weiteren Fragen besser bis morgen«, erwiderte Fidelma. »Heute abend scheint Idwal entschlossen zu sein, seinen Schwur nicht zu brechen. Bis morgen hat er es sich vielleicht anders uberlegt.«
Sie machten sich endgultig auf den Weg zum Haus; plotzlich blieb Bruder Meurig stehen. Im Schein der Laterne, die er trug, konnte man sein besorgtes Gesicht erkennen. »Vielleicht ist der Junge doch schlauer, als wir denken. Es konnte sein, da? er uns an der Nase herumfuhrt.«
»Falls er das nicht tut«, entgegnete Fidelma, »konnte seine Aussage nicht nur klarstellen, warum Iestyn sah, wie sich der Junge und das Madchen stritten, sondern auch - und das ganz zum Vorteil des Jungen -, da? ein anderer ein Motiv hatte, Mair umzubringen.«
Bruder Meurig au?erte Zweifel.
»Aber zu diesem Zeitpunkt«, beruhigte ihn Fidel-ma, »geht es nicht so sehr darum, die richtigen Antworten zu erhalten, sondern darum, den richtigen Personen die richtigen Fragen zu stellen. Habt ihr gehort, da? Elen, Gwndas Tochter, sagte, sie sei eine Freundin von Mair? Sie schien auch um Idwal Angst zu haben. Vielleicht wei? sie etwas? Wenn ich dir also einen Rat geben darf, so mu?test du versuchen, mit ihr zu reden, ohne da? Gwnda dabei ist. Es schien ihm nicht zu passen, da? sich seine Tochter Sorgen um Idwal macht.«
Bruder Meurig sah sie anerkennend an. »Und da ist noch die Haushalterin Buddog«, fugte er hinzu. »Es war ziemlich hart, was sie Mair bezuglich au?erte.«
»Das habe ich auch bemerkt. Noch ehe wir uns zur Nacht zuruckziehen, wollen wir kurz mit ihr sprechen.«
Buddog war in der Kuche. Sie war gerade dabei, mit ihren kraftigen Handen einem Huhn den Hals umzudrehen. Als sie eintraten, blickte sie murrisch auf. Sie legte das getotete Huhn zu drei weiteren, die noch bis morgen gerupft werden mu?ten.
»Ich werde euch eure Schlafraume zeigen«, sagte sie, stand auf und wischte sich die Hande an einem Tuch ab.
Bruder Meurig bat sie, dem Jungen etwas zu essen zu bringen und ihm die Fesseln zu lockern.
»Das Essen werde ich ihm hinbringen«, erwiderte Buddog kuhl. »Wegen seiner Fesseln mu?t ihr mit Gwnda reden.«
»Das werde ich tun«, sagte Bruder Meurig. »Was hast du damit gemeint, als du sagtest, da? Mair den Tod verdient hat?«
Buddog entglitten die Gesichtszuge. »Ich habe nur meine personliche Ansicht geau?ert«, sagte sie.
»Und worauf stutzt sich deine personliche Ansicht?« Fidelma lie? nicht locker.