Buddog zogerte. Ihre Lippen wurden schmal. Sie lachelte geringschatzig. »Im ganzen Ort ist bekannt, da? das Madchen gerne kokettierte. Mair bandelte mit jedem Mann an, von dem sie sich etwas versprach.«
»Willst du damit sagen, da? sie sich wahllos mit Mannern herumtrieb?« fragte Fidelma ganz direkt.
»Ich dachte, ich hatte mich klar ausgedruckt.«
»Eine Jungfrau, die sich mit Mannern herumtreibt? Das ist ein Widerspruch in sich«, murmelte Bruder Meurig.
»Jungfrau?« Buddog brach in schallendes Gelachter aus.
»Du glaubst nicht, da? sie noch Jungfrau war?«
»Ich au?ere nur meine Ansichten«, erwiderte die Dienerin schnippisch. »Ich habe sie nicht untersucht.«
»Mit wem hat sie sich denn herumgetrieben?« erkundigte sich Fidelma. »Du hast gesagt, da? sie die Manner herausgefordert hat.«
Buddog schurzte die Lippen, vielleicht bedauerte sie bereits, da? sie etwas daruber hatte verlauten lassen. »Warum fragst du nicht Iestyn? Ich sah, wie er mit einem verzuckten Lacheln auf dem Gesicht durch den Wald ging. Spater erfuhr ich, da? er von Mair gekommen war.«
»Wann war das?« fragte nun Bruder Meurig.
»Vor ein paar Tagen ... Oh, an dem Tag, an dem sie starb.«
»Und was hattest du zu der Zeit im Wald zu tun?« fragte Fidelma rasch.
»Ich habe Pilze furs Mittagessen gesammelt.«
»Buddog!« erklang die befehlsgewohnte Stimme von Gwnda, der an der Tur aufgetaucht war. »Vertu die Zeit nicht mit Schwatzen! Fuhre unsere Gaste sofort in ihre Raume! Siehst du nicht, da? sie mude sind?«
Buddog blickte ihn verargert an, schwieg aber. Gwnda wollte sich schon entschuldigen, doch Bruder Meurig kam ihm zuvor.
»Wir hatten noch einige Fragen, Gwnda.«
Der Furst von Pen Caer runzelte die Stirn. »Ihr solltet eure Fragen mir und nicht meinen Bediensteten stellen«, sagte er unfreundlich.
»Das wurde uns nicht weiterhelfen, wir wollten etwas von Buddog wissen«, entgegnete Fidelma. Sie mochte den tyrannischen Fursten von Pen Caer nicht, insbesondere die Art, wie er die Frauen in seinem Haushalt behandelte. »Ich glaube, Bruder Meurig hat eine Bitte an dich.«
Nun war es an Bruder Meurig, Gwnda zu sagen, da? er es fur besser hielte, wenn man Idwal etwas zu essen brachte und ihm die Fesseln bis auf die Kette am Fu? abnahme. Gwnda grunzte etwas Unverstandliches und drehte sich um. Bruder Meurig betrachtete das als Zustimmung und lie? ihn gehen.
»Sehr bedauerlich«, meinte der Richter kurze Zeit spater, als er, Fidelma und Eadulf auf dem Flur vor ihren Raumen standen, zu denen sie Buddog gefuhrt hatte, die kein Wort mehr gesagt hatte.
»Vielleicht kannst du ja morgen weiter mit ihr reden?« schlug Fidelma vor. »Moglicherweise sind es nur Mutma?ungen, die Buddog uber Iestyn au?erte. Sicher ist, da? sie Mair nicht mochte. Doch wir sollten uns jetzt zur Ruhe begeben.«
»Vielen Dank, da? du mir Gelegenheit gegeben hast, die Methode, wie du die Fragen stellst, zu studieren«, sagte Bruder Meurig lachelnd. »Ich verstehe jetzt, warum du ein solches Ansehen genie?t.« Er zogerte und blickte zu Eadulf. »Ich meine, warum ihr beide ein solches Ansehen genie?t.«
Eadulf machte keine Anstalten, auf Meurigs nachtragliche Erwahnung seiner Person etwas zu erwidern.
»Eadulf und ich werden morgen in aller Fruhe nach Llanpadern aufbrechen«, erklarte Fidelma.
»Ihr werdet nicht noch bleiben? Wollen wir nicht diesen Fall gemeinsam zu Ende bringen, ehe ihr weiterreitet? Ich dachte, ihr waret daran interessiert?« Bruder Meurig war uberrascht.
Fidelma schuttelte den Kopf. »Die Geschichte bewegt mich wirklich sehr, denn ich furchte, der Junge ist unschuldig und etwas anderes steckt dahinter. Aber unsere Vollmacht von Konig Gwlyddien erstreckt sich nur auf die Geschehnisse in Llanpadern und seinen Sohn Rhun. Wir werden morgen fruh nach Llan-padern reiten. Doch ich wurde mich sehr freuen, wenn du uns bei unserer Ruckkehr berichtest, wie die Sache ausgegangen ist.«
Bruder Meurigs Gesicht entspannte sich ein wenig. Wahrscheinlich ist er eher erleichtert, da? wir Weiterreisen, dachte Eadulf. Mit der ihr innewohnenden Autoritat war Fidelma drauf und dran gewesen, seinen Fall an sich zu rei?en! Doch der
»Ich bin euch beiden dankbar fur eure Hilfe. Unsere Vorgehensweisen sind ziemlich ahnlich.« Er schwieg einen Augenblick, dann fugte er beinah widerwillig hinzu: »Aber benotigt ihr nicht einen Fuhrer morgen vormittag - und jemanden, der dolmetscht?«
Fidelma lachelte. »Das glaube ich nicht. Wenn Llanpadern nur etwa drei Meilen entfernt ist, in Richtung der Berge, die du mir heute nachmittag gezeigt hast, dann wird es nicht schwer zu finden sein. Und ich habe gemerkt, da? ich recht viel von eurer Sprache behalten habe, auch wenn es schon viele Jahre her ist, da? ich sie zum letztenmal benutzt habe. Und Eadulf scheint auch genugend zu verstehen.«
»Jedenfalls mehr, als ich sprechen kann«, bekraftigte Eadulf.
Bruder Meurig war offenbar sehr erleichtert daruber, da? sie seine Dienste als Fuhrer und Sprachkundigen nicht weiter in Anspruch nahmen. »So werde ich hierbleiben und sehen, was ich herausfinden kann.«
Fidelma lachelte. »Wir freuen uns darauf, zu erfahren, wie sich die Dinge wirklich verhalten, wenn wir aus Llanpadern zuruckkehren.«
Kapitel 7
Es war ein heller frischer Herbsttag. Der Himmel war hellblau, keine Wolken verhingen die fruhmorgendliche Sonne. Fidelma und Eadulf hatten sich von Bruder Meurig und Gwnda, dem Fursten von Pen Caer, verabschiedet und sich sudwestwarts zu dem fern gelegenen Berg Carn Gelli aufgemacht. Die Landschaft war von Moorland und felsigem Gelande gepragt, von abgeschiedenem Ackerland, das von bewaldeten Talern umgeben war, in die kleine, aus den umliegenden Bergen kommende Bache stromten.
Diese Landschaft atmete graue Vorzeit; man konnte viele Hugelgraber, Steinkreise, aufrecht stehende Steine und verlassene Befestigungen entdecken. Inmitten des Stechginsters und verschiedener Farn- und Heidekrautarten bluhten Wildblumen. Zur Zeit sah man nur hier und da ein paar Streifen Silberwei? - Hirtentaschel und wei?e Taubnessel, die sich wohltuend von dem Grun ihrer Umgebung abhoben. Sonst schien die Natur sich schon ihr trubes, beinah farbloses Winterkleid uberzustreifen.
Hoch uber ihnen zog ein Turmfalke mu?ig seine weiten Kreise. Seine wachsamen Augen hielten nach Beute unter dem braunlichen Farndickicht und dem immergrunen Stechginster Ausschau. Da blitzte es unter den Buschen rotbraun auf, als ein Fuchs sich rasch in Sicherheit brachte, und das eher aus Gewohnheit als aus Angst vor dem Turmfalken, denn der Fuchs war viel zu gro?, als da? er ihn hatte furchten mussen. Der Raubvogel hatte es eher auf Mause, Wuhlmause und Erdhornchen abgesehen.
Wahrend sie den Weg entlangritten, waren Fidelma und Eadulf seit vielen Tagen zum erstenmal wieder allein.
»Du machst dir Sorgen um den Jungen, um Idwal, nicht wahr?« fragte Eadulf schlie?lich und setzte so dem Schweigen ein Ende.
Sie blickte ihn an und lachelte kurz. »Du bist ein guter Beobachter.«
»Glaubst du, da? er unschuldig ist?«
»Ich glaube, da? es noch viele offene Fragen gibt«, antwortete Fidelma nachdenklich.
»Ich nehme an, du hattest den Fall gern ubernommen«, stellte Eadulf fest.
»Wie der heilige Ambrosius schon sagte:
Eadulf runzelte die Stirn. »Du meinst ...«
»Ich meine, da? ich die hiesigen Gesetze und Brauche einhalte. Ich habe nicht das Recht, einem Richter dieses Landes etwas vorzuschreiben. Ich habe nicht den Wunsch, fur Bruder Meurig Ermittlungen anzustellen.«
Noch wahrend Fidelma das sagte, wurde ihr zu ihrem Argernis bewu?t, da? es nicht ganz der Wahrheit entsprach. Sie errotete und hoffte, Eadulf wurde es nicht merken.
»Bruder Meurig scheint mir kompetent genug zu sein.«