Er trug die Tonsur des heiligen Johannes und eine dunkle Kutte, die ihn als einen ranghohen Monch innerhalb der Klostergemeinschaft auswies. Die Kutte war jedoch zerrissen und voller Blut. Der Kopf des Mannes hing so, da? man daraus schlie?en konnte, da? das Seil ihm das Genick gebrochen hatte.
Eadulf fiel auf die Knie.
»Hol ihn runter«, sagte Fidelma leise.
Eadulf lockerte das Seil und lie? den Korper sanft auf den strohbedeckten Boden gleiten. Zu ihrer Uberraschung war der Mann offenbar noch nicht lange tot.
»Ich denke, er wurde ausgepeitscht, ehe man ihn aufhangte«, murmelte Eadulf. »Als ich ihn herablie?, habe ich Risse auf der Ruckseite seiner Kutte bemerkt.«
Mit Eadulfs Hilfe rollte Fidelma den Toten auf den Bauch. »Er hat ziemlich viele Peitschenhiebe erhalten«, bestatigte sie Eadulfs Vermutung. »Wer tut einem alten Mann so etwas an?«
»Glaubst du wirklich, da? das Pater Clidro ist? Und wenn er es ist, warum hat man ihn nicht umgebracht, als das Kloster uberfallen und geplundert wurde? Sieh nur, das Blut ist noch ziemlich frisch. Ich wurde sagen, er ist hochstens einen Tag tot.«
»Wir wissen zwar nicht genau, ob es sich wirklich um Pater Clidro handelt, aber alles spricht dafur. Dieser Mann mu? dem Kloster hier angehort haben, und er tragt die Kutte eines ranghohen Bruders ...« Fidelmas Stimme erstarb. Sie hatte die Augen weit aufgerissen und blickte wie gebannt an Eadulf vorbei.
Schnell wandte er sich um.
Am Eingang der Scheune standen drei Manner. Der Mann in der Mitte hatte die Hande in die Huften gestemmt. Seine beiden Begleiter hielten Bogen in den Handen. Die Bogen waren gespannt, die Pfeile schu?bereit. Sie zielten auf Fidelma und ihn.
Kapitel 8
Fidelma und Eadulf ruhrten sich nicht von der Stelle. Als sie die auf sich gerichteten Pfeile entdeckt hatten, waren sie erstarrt.
Der Mann in der Mitte lachelte sie an. Er war schlank, jung und sah gut aus. Seine zerzausten Haare waren rotbraun, seine blauen Augen blickten stechend. Er trug die Kleider eines Kriegers, ein wollenes Hemd mit einem enganliegenden Lederwams daruber, enge Lederhosen und Stiefel. An seiner rechten Seite hing ein Schwert, an seiner linken ein Jagdmesser.
Als Fidelma den goldenen Reif an seinem Hals entdeckte, wurden ihre Augen ein wenig gro?er. Einst hatte ein solcher Halsreif in ihrem Land angezeigt, da? sein Trager ein Held, meist ein furstlicher Krieger war. Dieser Halsreif war kunstvoll gearbeitet und reich verziert. In den funf Konigreichen war ein solcher Schmuck inzwischen aus der Mode, niemand trug ihn mehr, nur zu bestimmten offiziellen Anlassen wurde er noch angelegt, und das geschah eher selten. Aus Erfahrung wu?te Fidelma jedoch, da? solche Halsreife bei vielen Stammen in Britannien und Gallien bis heute sehr verbreitet waren.
Au?erdem trug der Mann eine schwere Kette aus Rotgold, die ihm bis zur Brust reichte - meisterlich gefertigt und ziemlich wertvoll. Fidelma rumpfte die Nase. Wenn jemand zwei so teure und feine Schmuckstucke anlegte, wurde die Wirkung jedes einzelnen gemindert, und es entstand der Eindruck von Protzerei.
»Nun«, sagte der junge Mann schlie?lich und betrachtete sie mit einem eigenartigen Lacheln, »wen haben wir denn da?«
Langsam richtete sich Fidelma auf, spreizte dabei die Hande leicht von ihrem Korper ab, damit die Bogenschutzen sehen konnten, da? sie keine Waffe in der Hand hielt. Eadulf zogerte einen Augenblick, folgte ihrem Beispiel dann aber. Da drang vom Hof das Hufgeklapper von vielen Pferden zu ihnen. Offensichtlich hatten der Mann und seine beiden Bogenschutzen ein gro?eres Gefolge.
»Ich bin Schwester Fidelma, und das ist Bruder Eadulf«, hub sie an.
Das Lacheln des jungen Mannes wurde noch breiter, es war kalt und erbarmungslos, so betrachtete ein Jager sein Opfer.
»Eine Gwyddel und noch ein Angelsachse, den Namen nach?« Er blickte seine Begleiter an. »Nun, Leute, ein merkwurdiges Paar, nicht wahr?« Er schaute wieder zu ihnen, noch immer lachelte er auf unverschamte Weise. »Was macht ihr hier?«
»Ich bin eine
»Ich habe nicht gefragt, wer ihr seid«, unterbrach sie der junge Mann barsch. »Ich habe gefragt, was ihr hier macht.«
»Genau das will ich dir ja erklaren. Mein Begleiter und ich sind im Auftrag eures Konigs Gwlyddien unterwegs. Wir uberprufen den Bericht uber das Verschwinden der Klostergemeinschaft .«
Zu ihrer Uberraschung brach der Mann in lautes Gelachter aus. Ein Gelachter ohne Heiterkeit.
»Gwlyddien ist nicht mein Konig. Und uberhaupt, wurde ein Konig von Dyfed eine Frau deiner Abstammung mit einer Untersuchung beauftragen, ganz zu schweigen einen Angelsachsen? Die Angelsachsen sind unsere Erzfeinde.«
Einer der Bogenschutzen, der Eadulf im Visier hatte, hob leicht seinen Bogen, als erwarte er den Befehl, Eadulf zu toten.
»Sieh dir die Vollmacht mit dem koniglichen Siegel darunter an, wenn du meine Worte anzweifelst«, ent- gegnete Fidelma und suchte in ihrem
Nun sah der Mann sie ein wenig mit Bedauern an. »Ach, das habe ich vergessen. Die Gwyddel sind ja besonders gern mit Angelsachsen befreundet, nicht wahr. Ihr seid doch die, die zu den Angelsachsen gegangen sind, um sie zum rechten Glauben zu bekehren und ihnen das Lesen und Schreiben beizubringen und auch, sich wie zivilisierte Menschen zu verhalten. Wir Britannier kennen sie besser. Deshalb haben wir es abgelehnt, sie zu bekehren, selbst als die Pralaten aus Rom herkamen und es von uns verlangten. Sei vorsichtig, Gwyddel; eines Tages werden sich die Angelsachsen gegen dich erheben und dir das antun, was sie den Britanniern angetan haben, die einst im ganzen Land lebten.«
Es waren die Worte eines gebildeten Mannes, der gewohnt war, Befehle zu erteilen. Seine beiden Begleiter grunzten zustimmend und hielten die Bogen nach wie vor fest auf sie gerichtet.
Fidelma verzog keine Miene. »Ich frage noch einmal, was hat dir der Mann neben mir getan?«
»Hast du nicht davon gehort, da? die Sachsen mehrere tausend Monche in Bangor abschlachteten, um ihren Sieg uber Konig Selyf von Powys zu feiern?« entgegnete der junge Krieger.
»Das habe ich. Das war vor fast funfzig Jahren, zu einer Zeit, als noch niemand von uns auf der Welt war. Du ganz sicher nicht.«
»Glaubst du etwa, da? die Sachsen ihren Charakter geandert haben, nur weil eure Missionare sie zum christlichen Glauben bekehrt haben?«
»Mit jemandem voller Vorurteile kann ich nicht disputieren, ganz gleich, wer du sein magst. Ich sage noch einmal, da? wir im Auftrag des Konigs von Dy-fed hier sind. Wir befinden uns auf dem Territorium von Dyfed, ob ihr nun dessen Konig anerkennt oder nicht. Sag uns, wer du bist und warum du es wagst, das Gesetz dieses Landes zu mi?achten.«
Der junge Mann war einigerma?en erstaunt, da? eine so hubsche junge Frau keine Furcht vor seinen drohenden Worten hatte, obwohl er durchaus imstande war, sie in die Tat umzusetzen.
»Du scheinst dir deiner recht sicher zu sein, Gwyd-del«, sagte er schlie?lich. »Furchtest du den Tod nicht? Ganz gleich, ob wir hier in Dyfed sind oder nicht - wo ich bin, da herrscht mein Gesetz.«
»Da bin ich anderer Ansicht. Du magst vorubergehend die Macht haben, solange deine Freunde mit Pfeil und Bogen an deiner Seite sind, doch du bist nicht das Gesetz. Das Gesetz ist heiliger als das Schwert, das du bei dir tragst. Und was die Furcht betrifft, so dient sie nicht dem Erfolg. Sie schwacht das Urteilsvermogen, und ich bin eine
Der junge Mann blickte starr in ihre feurigen grunen Augen. Dann kehrte das Lacheln wieder auf sein Gesicht zuruck, er lachte selbstgefallig.
»Du hast recht, Gwyddel. Die Furcht verrat kleinmutige Seelen. Ich bin froh, da? du dich nicht furchtest. Ich