tote ungern Leute, die Angst haben, ins Jenseits zu gelangen.«
Er gab seinen Bogenschutzen ein Zeichen. Fidelma war entschlossen, sich nicht anmerken zu lassen, wie sie innerlich bebte. Sie war sich bewu?t, da? der junge Mann keine leeren Worte machte. Er war skrupellos.
»Wurdest du auch Monche und Nonnen umbringen?« rief sie. »Wenn dem so ist, dann schatze ich, bist du verantwortlich fur diese ungeheuerliche ...« Sie zeigte auf die Leiche des alten Monches, den sie vom Balken abgenommen hatten.
In diesem Augenblick betrat ein weiterer Mann die Scheune. Er gehorte der gleichen Bande an, das konnte man sehen. Man konnte schlecht erkennen, wie alt er war, denn er trug einen glanzenden Helm, durch den er gro?er wirkte, der jedoch sein Antlitz halb verbarg. Aber er hatte wohl ein hubsches Gesicht und stechende blaue Augen. Er stellte sich neben die anderen und betrachtete Fidelma und Eadulf. Seine Miene wirkte finster.
Der Anfuhrer hielt immer noch die Hand erhoben. Einer der Bogenschutzen hustelte nervos.
»Herr, was ist mit Sualda? Manche Monche sind auch Arzte.«
Der Anfuhrer zogerte.
»Tote sie, und dann ist es gut«, zischte der Hinzugekommene. »In den letzten Tagen haben wir genug Fehler gemacht.«
Der junge Mann blickte ihn mit offener Feindseligkeit an. »Daran bin ich nicht schuld. Ich habe mir die komplizierte Strategie nicht ausgedacht. Auf meinen Mann ist Verla?.« Er wandte sich wieder an Fidelma und Eadulf: »Beherrscht einer von euch die Kunst des Heilens?«
Fidelma zogerte, denn sie war sich nicht sicher, ob Eadulf ihrem Gesprach hatte folgen konnen. »Bruder Eadulf hat an der medizinischen Fakultat von Tuam Brecain studiert«, sagte sie dann.
Erheitert musterte der junge Mann nun Eadulf. »Damit hast du dem Angelsachsen ein langere Lebenszeit verschafft, als fur ihn vorgesehen war. Ihr kommt beide mit.«
»Du hast uns immer noch nicht verraten, wer du bist«, erwiderte Fidelma trotzig.
»Mein Name wird euch nichts sagen.«
»Schamst du dich so dafur?«
Zum erstenmal verfinsterte sich das Gesicht des jungen Mannes. Sein Gefahrte mit dem glanzenden Helm trat einen Schritt vor und legte eine Hand auf seinen Arm. Dieser Moment pragte sich Fidelma tief ein. Man konnte den jungen Mann also in Harnisch bringen. Dieses Wissen konnte sich spater einmal als nutzlich erweisen. Der junge Mann bemuhte sich sehr, seine Fassung zuruckzugewinnen. Dann kehrte sein zynisches Lacheln wieder.
»Mein Name ist Clydog. Haufig nennt man mich Clydog Cacynen.«
»Clydog, die Wespe?« Fidelma sprach, als wurde sie ein Kind besanftigen wollen. »Sag mir, Clydog, warum tragst du den Halsreif eines Helden? Konnte es sein, da? du diese Auszeichnung im Kampf gegen wehrlose Monche erworben hast?«
Unwillkurlich griff der junge Mann mit der Hand an seinen Halsreif. Wieder flackerte unkontrolliert Wut in seinem Gesicht auf.
»Dieser Reif wurde«, erwiderte er langsam, »bei der Niederwerfung von Konig Selyf in Cair Legion getragen. Die Angelsachsen werden sich noch an das Verbrechen erinnern.«
Warnend rausperte sich nun der Mann mit dem Kriegshelm. »Es sind genug Worte gewechselt. Wenn du willst, da? die beiden sich nun um Sualdas Gesundheit kummern, la? uns lieber gehen, ehe noch etwas Unvorhergesehenes passiert. Ihr beiden lauft vor den Bogenschutzen her. Keine Tricks, sonst werden sie ihre Pfeile abschie?en. Ich sage das nur einmal.«
Zum erstenmal war Eadulf in der Lage, sich einzumischen.
»Pa? nur auf, Welisc«, sagte er und gebrauchte das angelsachsische Wort fur Britannier. »Du sprichst gerade mit Fidelma von Cashel, der Schwester des Konigs von Cashel.«
Fidelma wandte sich zu ihm um. »Denk an das Sprichwort:
Der Mann mit dem Kriegshelm blickte von Eadulf zu Fidelma und brach in hohnisches Gelachter aus. »Wie gut! Nun wissen wir wenigstens, da? der Angelsachse eine Zunge hat. Danke fur die Mitteilung. Eine Prinzessin der Gwyddel, he? Lady, du mu?t deinen sachsischen Freund nicht daran erinnern, da? man bemuht sein sollte, das Losegeld fur sich so gering wie moglich zu halten, wenn man Gefangener ist. Ich bezweifle, da? wir deinen geschatzten koniglichen Bruder um Losegeld angehen werden, auch wenn wir nun deine hohe Stellung kennen. Er ist viel zu weit weg, und solche Verhandlungen sind immer zahflussig.«
»Also seid ihr gewohnliche Verbrecher?« Fidelma betrachtete die Manner mit offener Verachtung.
Die rot aufflammenden Wangen des Mannes, der sich Clydog nannte, verrieten, da? er wieder zornig war. »Verbrecher? Solange wir in Dyfed sind, wurde ich das bejahen. Aber keine gewohnlichen, zumindest nicht ich. Ich bin .«
»Clydog!« brach es aus dem Mann mit dem Helm hervor. Ruckartig drehte er sich zu Fidelma und Eadulf um. »Genug dahergeredet. Geht voraus!« Er zeigte auf den Innenhof hinaus.
»Hast du auch einen Namen?« Fidelma konnte man nicht so schnell einschuchtern. Es bereitete ihr vielmehr Vergnugen, zwischen jene Manner, die sie gefangengenommen hatten, einen Keil zu treiben.
Einen Moment lang musterte sie der Mann mit dem Helm von oben bis unten. »Du kannst mich Corryn nennen«, erwiderte er ernst.
»Es ist das erstemal, da? ich hore, da? eine
»Mir egal«, erwiderte der Mann. »Also los jetzt!«
Drau?en wartete ein halbes Dutzend Reiter, die alle bewaffnet waren und auf wohlgenahrten Pferden sa?en. Au?erdem waren da noch zwei weitere Manner auf einem gro?en, offenbar vollbeladenen Fuhrwerk, das mit einer Plane abgedeckt war. Fidelma machte sich nun Vorwurfe, da? sie vorhin dem unruhigen Verhalten ihrer Pferde und dem offenen Tor keine weitere Beachtung geschenkt hatte.
»Wie ich sehe, seid ihr mit eigenen Pferden gekommen«, meinte Clydog, als er sie begutachtete. »Schone Vollbluter. Die frommen Schwestern und Bruder sind hervorragend ausgestattet.«
»Die Pferde hat uns Konig Gwlyddien zur Verfugung gestellt«, warf Eadulf ein.
»Ah. Also werden sie dem Alten auch nicht fehlen. Da wir noch ein Stuck Weg vor uns haben, konnt ihr sie weiter benutzen.«
»Wohin reiten wir?« wollte Eadulf wissen. »Und warum habt ihr uns gefangengenommen, wenn ihr kein Losegeld fur uns verlangen wollt?«
»Aufgesessen!« wies ihn der Mann schroff an, der sich Corryn nannte. »Keine Fragen!«
Clydog war zu den beiden Mannern auf dem Fuhrwerk geritten. »Ihr wi?t, was ihr zu tun habt? Sobald ihr fertig seid, sto?t ihr wieder zu uns.«
Er setzte sich an die Spitze des Trupps, der nun Fidelmaund Eadulf in seine Mitte genommen hatte. Nach einem Handzeichen von ihm ritten alle in raschem Tempo in Richtung des gro?en Waldes sudlich vor ihnen los. Bruder Meurig hatte auf ihrer Reise nach Llanwnda den Namen des Waldes genannt, erinnerte sich Fidelma. Wie hie? er nur? War das der Wald von Ffynnon Druidion?
Schlimmer hatte es nicht kommen konnen. Einer Horde von Halsabschneidern in die Hande zu fallen! Bruder Meurig hatte zwar erwahnt, da? in dieser Gegend Rauberbanden ihr Unwesen trieben, aber von einer so gro?en bewaffneten Meute hatte er nicht gesprochen. Hatte sie das gewu?t, sie hatte darauf be-standen, da? Gwlyddien oder auch Gwnda ihnen einen Trupp Krieger als Geleitschutz mitgegeben hatte. In Wahrheit machte sie sich mehr Sorgen um Eadulf als um sich. Vielleicht hatte sie Eadulf mehr Gehor schenken sollen, als er daruber sprach, welche unguten Gefuhle er als Angelsachse hatte, sich allein auf britannischem Terrain zu bewegen. Es war nicht so, da? sie die Tiefe der Feindseligkeiten zwischen den beiden Volkern falsch eingeschatzt hatte, doch sie hatte geglaubt, die Vernunft wurde sich durchsetzen. Sie hatte vergessen, da? meist schon Vorurteile ausreichten, um jemandem Schaden zuzufugen.
Fidelma betrachtete Corryn eingehend, der neben Clydog an der Spitze des Trupps ritt. Seine Zuge kamen ihr eigenartig vertraut vor. Waren sie sich schon einmal begegnet? Oder erinnerte er sie einfach nur an jemand anderen? Falls ja, an wen?
Er schien intelligent zu sein und gebildet. Er sprach Latein. Jedenfalls genug, um ihre an Eadulf gerichtete Warnung zu verstehen, da? er sich vorsehen sollte, ihre Identitat preiszugeben, da die Rauber ein hohes Losegeld