Clydog schlug sich auf die Schenkel und brach in Lachen aus, wahrend seine Manner ihn erstaunt anstarrten, denn sie hatten die Worte, die ihr Anfuhrer und Fidelma gewechselt hatten, nicht verstanden.
»Es wird mir ein Vergnugen sein, dich heute abend zu unterhalten, Lady. Ich werde mich selbst auf die Jagd nach einem Hirsch machen, den wir dann am Spie? braten konnen.«
»Wie lange willst du uns gefangenhalten?«
»Vorerst seid ihr meine Gaste.«
»Hast du keine Angst vor dem, was der Konig von Dyfed unternehmen konnte, wenn er von unserer Festnahme erfahrt?«
»Glaubst du etwa, da? du das lange vor ihm verbergen kannst?«
Clydog blieb unerschutterlich. »Gewi? doch.«
Seine Unbekummertheit reizte Fidelma. Sie versuchte, ihn ein wenig in Rage zu bringen. »Und wenn auch Dyfed nicht darauf reagieren mag, so wird mein Bruder .«
»Was wird dein Bruder, Lady?« unterbrach sie Cor-ryn. »Falls du nicht nach Cashel zuruckkehrst, wird er ein wenig trauern, das ist alles. Pilger verschwinden eben mal, und niemand hort mehr von ihnen. Das ist ganz normal. Und in den Grenzgebieten der sachsischen Konigreiche und der Kymren verschwinden allemal Angelsachsen. So, ich glaube, wir haben jetzt genug Worte gewechselt.« Bedeutungsvoll blickte er Clydog an.
Clydog nickte. »Bildet euch nur nicht ein, da? ihr mit Worten die Freiheit herbeireden konnt oder da? irgendwelche Retter hier erscheinen und euch befreien werden. Du und der Angelsachse seid von jetzt an Gaste von Clydog Cacynen. Mehr braucht ihr nicht zu wissen.« Er drehte sich um und erteilte seinen Mannern verschiedene Befehle.
Mit zornigem Blick wandte sich Corryn zu Eadulf um: »Habe ich dir nicht gesagt, da? du dich um den Kranken kummern sollst, Angelsachse?« fuhr er ihn unwirsch an und erhob sein Schwert.
Eadulf trat zuruck in die Hutte und beugte sich zu dem Mann hinunter. Dieser war ganz offensichtlich ein Mitglied der Verbrecherbande, hatte grobe Gesichtszuge und war ungepflegt. Er schlief nicht, wie Eadulf zuerst gemeint hatte, sondern war bewu?tlos. In einem Halter an der Wand flackerte eine Kerze. Eadulf griff nach ihr.
Als er dem Kranken die Hand auf die Stirn legte, stellte er fest, da? sie gluhend hei? war. Er hielt die Kerze in die Hohe, schlug die Decke zuruck, und sofort war ihm die Ursache des Fiebers klar. Aus einer Wunde in der Magengegend verlor der Mann viel Blut. Es handelte sich um eine nicht allzu tiefe Stichwunde, die sich entzundet hatte.
Inzwischen hatte Corryn die Hutte betreten und blickte uber Eadulfs Schulter hinweg auf den Liegenden.
»Kannst du etwas fur ihn tun?« fragte er.
»Welcher Art war die Waffe, mit der man ihm diese Wunde zufugte?« wollte Eadulf wissen. »Warum ist sie entzundet?«
»Es war ein Fleischmesser. Daher auch die ausgefransten Wundrander.«
»Kann einer deiner Manner Haarmoos von anderen Pflanzen unterscheiden und sammeln?«
Corryn nickte. »Naturlich. Am Bach wachst welches.«
»Davon benotige ich ein wenig. Schafft auch meine Satteltasche her.« Auf Reisen trug Eadulf immer eine kleine Tasche mit medizinischen Utensilien bei sich.
Corryn zogerte, doch dann verlie? er die Hutte. Eadulf horte, wie er drau?en jemandem einen Auftrag erteilte. Da packte ihn der fiebernde Mann am Handgelenk. Eadulf sah, da? er die Augen weit geoffnet hatte und ihn anstarrte.
»Ich hab’s ihm heimgezahlt, was?« fragte er.
Eadulf lachelte. »Leg dich wieder hin. Ruh dich nur aus. Dann wird es dir bald besser gehen.«
Doch der Mann umklammerte weiter sein Handgelenk. »Er hat mich uberrascht. Ich habe ihn gejagt, ins ... ins ... mit dem Fleischmesser. Plotzlich hatte er mich. Ich ... mu?te ihn toten ... Hab’s ihm heimgezahlt, was?«
»Naturlich hast du das, mein Freund«, murmelte Eadulf. Der Mann sank erschopft auf sein Lager. Da trat Corryn wieder ein und stellte die Satteltasche ab.
»Wie hei?t er?« fragte Eadulf.
»Sualda«, erwiderte Corryn. »Warum?«
»Manchmal beruhigt es einen Kranken, wenn der Arzt wei?, wer er ist«, erklarte Eadulf sarkastisch. Er nahm seine Tasche und machte sich an die Arbeit. Er bat um hei?es Wasser. Wasser und Haarmoos wurden ihm zur gleichen Zeit gebracht.
»Was hast du vor?« wollte Corryn wissen, nachdem Eadulf die Wunde gesaubert hatte.
»Ich verabreiche ihm einen Tee aus Baldrian, um das Fieber zu senken, und auf die saubere Wunde kommt ein Haarmoosumschlag, getrankt in einem Extrakt aus den Bluten des Rotklees, aus Beinwell und Klette. Und dann konnen wir nur noch beten.«
Corryn entfernte sich und rief einen der Manner herbei, damit er Eadulf im Auge behielt. Der wartete, bis Eadulf mit seiner Behandlung fertig war, und beforderte ihn recht grob aus der Hutte. Er fesselte ihm die Hande auf dem Rucken, stie? ihn in eine gro?ere dunklere Hutte und band ihn an einen Stutzpfahl. Dann schlug er ihm unvermittelt ins Gesicht.
»Das ist fur meinen Bruder, Angelsachse! Er wurde umgebracht, als deine Leute nach Sklaven jagten. Du wirst ganz langsam sterben, das verspreche ich dir.«
Der Mann verschwand. Eadulf horte, wie sich am anderen Ende der Hutte etwas bewegte. Aus dem Dunkel drang Fidelmas Stimme zu ihm.
»Bist du verletzt?« fragte sie besorgt.
»Es hatte schlimmer kommen konnen«, erwiderte Eadulf gleichmutig und schmeckte Blut auf seinen Lippen. »Die Zahne sind noch heil.«
»Wir haben schon Furchtbareres durchgestanden.« Das sollte beruhigend klingen. Fidelma untersuchte ihre Fesseln, doch sie erwiesen sich als fest. »Was haben sie von dir gewollt?«
Eadulf erzahlte ihr alles in Kurze. »Ich denke, ganz gleich, was Clydog mit dir vorhaben mag, ich bin nur ein durchschnittlicher Angelsachse fur ihn und seine Manner. Sobald sie wissen, ob ihr Gefahrte Sualda uberlebt oder nicht, werde ich uberflussig.«
Fidelma seufzte. »Kopf hoch, Eadulf. Wir sind immer allen Gefahren entkommen, wir schaffen das auch diesmal.«
Eadulf machte sich an seinen Fesseln zu schaffen, die sich straff um seine Handgelenke spannten. Vergeblich suchte er nach etwas, was ihm helfen konnte, sie zu lockern. Eine Weile verfolgte Fidelma seine nutzlosen Anstrengungen, dann sagte sie: »Eadulf, es hat keinen Sinn, gegen das Unvermeidliche anzukampfen, es sei denn, man hat eine Wahl.«
»Was ist mit dem Ratschlag deines so vielzitierten Freundes Publilius Syrus?« fragte Eadulf verargert.
»Syrus?« fragte Fidelma verwirrt.
»Du zitierst immerfort Zeilen von Publilius Syrus.
Entsinnst du dich nicht an die Stelle, wo er sagt, da? in der Not jede Waffe einen Nutzen hat und zum eigenen Vorteil gereichen kann? Sollten wir uns nicht uberlegen, welcher Waffen wir uns in dieser Lage bedienen konnten?«
Eine Weile schwiegen beide.
»Wir sollten uns jetzt besser nicht streiten, Eadulf«, sagte Fidelma schlie?lich. »Zeig mir so eine Waffe, und ich werde sie zu nutzen wissen. Im Moment gibt es nichts, womit wir uns befreien konnen, also sollten wir lieber uber unsere Situation nachdenken.«
Eadulf stohnte innerlich auf. Manchmal vermochte er Fidelmas Logik nicht zu folgen. »Da ist nicht viel, das uns weiterhelfen konnte«, entgegnete er resigniert.
»Ich glaube, da? Clydog und seinen Leuten schon vorher bekannt war, da? die Monche aus dem Kloster verschwunden waren. Vielleicht haben sie sogar gewu?t, da? wir uns gerade dort aufhielten.«
»Das ist vollig .«
»Lacherlich?« unterbrach ihn Fidelma. »Mag sein. Doch wir sind nicht auf sie aufmerksam geworden, weil sie sich uns uberaus vorsichtig genahert haben. Sie haben nicht an der Glocke gezogen, sondern sind durch die