fur eine ranghohe Frau verlangen wurden, wohingegen sie moglicherweise eine einfache Nonne ohne Losegeld gehen lassen wurden.

Clydog, der Anfuhrer, wirkte ebenfalls gebildet. Da war zum Beispiel dieser kostbare Halsreif und das, was er daruber hatte verlauten lassen. Weder Clydog noch Corryn schienen typische Rauber oder Verbrecher zu sein. Doch ganz gleich, welches Ratsel sie umgab, es war ein ausgesprochenes Mi?geschick, da? sich ihre Wege gekreuzt hatten. Flucht war jetzt das vorrangige Gebot. Der ganze Trupp bestand aus neun Reitern, Clydog und Corryn eingeschlossen. Im Moment war es aussichtslos zu fliehen, denn die meisten der neun trugen Bogen bei sich, deren Pfeile eine gro?e Reichweite hatten. Sie wurden warten mussen, bis sie an ihrem Bestimmungsort angelangt waren und sich ihnen eine gunstige Gelegenheit bot.

Verstohlen blickte sie zu Eadulf hinuber. Dustere Sorgenfalten zeichneten sich auf seinem Gesicht ab. Sie wu?te, da? sich Eadulf nur ihr zuliebe auf dieses gefahrliche Unternehmen eingelassen hatte. Ihm war unwohl bei all dem gewesen. Und zwar schon ehe sie zur Abtei Dewi Sant aufbrachen, um dort mit Abt Tryffin zu sprechen. Vielleicht hatte sie seine Vorbehalte respektieren sollen, denn Eadulf machte sich nie ohne Grund Sorgen. Nie wurde sie es sich verzeihen, wenn ihre Eitelkeit, ihre Vermessenheit schuld daran sein sollten, da? ihm etwas zustie?e. Sie hatten in Porth Clais warten und sofort ihre Reise nach Canterbury fortsetzen sollen. Fidelma pre?te die Lippen zusammen. Jetzt war es zu spat fur Reue.

Inzwischen hatten sie den Schutz des Waldes erreicht. Offensichtlich kannte sich Clydog hier gut aus, denn er verlangsamte das Tempo nicht, sondern ritt zugig voran. Die anderen folgten ihm einer nach dem anderen. Ihre Begleiter mu?ten ausgezeichnete Reiter sein, denn ohne Tempoverlust hatten sie ihre beiden Gefangenen geschickt in die Mitte der Reihe genommen. Nach einer Weile kam die Reiterkette durch dichtes grunes Unterholz. Dann gelangten sie auf eine Lichtung, auf der sich ein kleiner Bach in ein gro?es Becken ergo?, zu klein, um See genannt zu werden. An einem Ende befanden sich ein Hugelgrab und ein paar provisorische Hutten und Zelte. Uber einer Feuerstelle hing ein Kochtopf. An einem einfachen Gelander etwas entfernt unter einem offenen Dach konnte man die Pferde anbinden.

In dem Lager hielten sich ein halbes Dutzend Manner auf, die auf die Gefangenen zuliefen und sie begafften.

»Was sind das fur Leute, Clydog?« fragte einer der Kumpane, ein stammiger Bursche, der das Leben in freier Natur gewohnt zu sein schien.

»Die haben wir in Llanpadern aufgegabelt«, erwiderte Clydog und glitt vom Pferd. »Der hier ist ein Heiler.« Er stie? Eadulf mit dem Daumen an.

»Wissen sie Bescheid?« fragte der andere.

»Halt deine lose Zunge im Zaum!« fuhr ihn Corryn barsch an. »Das gilt fur euch alle. Niemand unterhalt sich mit den Gefangenen.«

Die Manner betrachteten Fidelma und Eadulf mit unverhohlener Neugier.

»Es sind Fremdlinge, oder?« fragte ein junger Bursche mit uberschnappender Stimme, dem noch nicht einmal der Bart spro?.

»Eine Gwyddel und au?erdem ein Angelsachse«, erwiderte Clydog.

Gemurmel wurde laut.

»Sitz ab, Angelsachse«, befahl Corryn.

Eadulf stieg vom Pferd. Corryn packte ihn am Arm und stie? ihn in das dustere Innere einer Hutte, ehe er noch ein Wort mit Fidelma wechseln konnte. Auf dem Boden lag ein Mann.

»Wenn du ein Arzt bist, dann tu etwas«, fuhr ihn Corryn an und lie? ihn allein.

Eadulf blickte auf den Mann hinunter, der zu schlafen schien. Dann lief er rasch zum Eingang der Hutte zuruck.

Fidelma sa? immer noch auf ihrem Pferd und war von den Mannern umringt, die inzwischen alle abgestiegen waren. Doch man hielt die Zugel ihres Pferdes fest, so da? sie sich nicht unversehens davonmachen konnte.

»Sie behauptet, da? jener unfahige Narr, der darauf besteht, Konig von Dyfed zu sein«, sagte Clydog soeben, »ihnen den Auftrag gegeben hat, herauszufinden, wohin Pater Clidros Klostergemeinschaft verschwunden ist.«

Schallendes Gelachter erhob sich.

»Nicht einmal der alte Gwlyddien ist so beschrankt, einem Angelsachsen einen solchen Auftrag zu geben«, rief jemand schrill.

»Er hat mir aber diesen Auftrag gegeben.« Fidelmas Stimme war kalt und ruhig, doch so bestimmend, da? das Gegrole sofort verstummte, die Manner schwiegen und abwartend zu ihr aufschauten.

Clydog lachte und trat vor. »So will ich dich vorstellen, Lady. Das ist Fidelma von Cashel, Schwester des Konigs jenes Reiches.«

»Wo zum Teufel liegt Cashel?« fragte ein Mann.

»Dummkopf!« Clydog lachelte. »Es ist eines der gro?ten der funf Konigreiche von Eireann. Dieses Land hier hatte mit seiner Flache mehrmals darin Platz, und das wurde immer noch nicht ausreichen.«

Eadulf staunte uber die Kenntnisse, die Clydog besa?.

»Ein wohlhabendes Land, oder?« rief eine durchdringende Stimme.

»Wohlhabend genug«, bestatigte ihm Clydog.

»Warum sollte der alte Gwlyddien sie damit beauftragen, in Llanpadern Ermittlungen anzustellen?« fragte ein anderer.

»Weil sie eine dalaigh ist, meine Freunde.«

»Was in aller Welt ist das?« erkundigte sich der nachste.

»Eine dalaigh, du Trottel, ist das gleiche wie ein barnwr hier. Eine Richterin, jemand, der Verbrechen und ratselhafte Vorfalle untersucht und uber die Schuldigen ein Urteil fallt.«

»Warum schickt er dann eine Gwyddel? Gibt es in Dyfed nicht genugend Richter?«

»Ja, warum wohl? Am Ende kann man niemandem von ihnen trauen«, meinte Clydog mit spottischem Grinsen.

»Vielleicht«, warf Fidelma mit kuhler Stimme ein, »wollt ihr das Konig Gwlyddien selbst fragen? Doch moglicherweise habt ihr nicht den Mut, dafur nach Menevia zu gehen.«

Clydog sah mit einem Lacheln zu ihr auf. Da er aber standig lachelte, konnte sie dem auf keinen Fall vertrauen.

»Es reicht! Es reicht!« fuhr Corryn schroff dazwischen. »Habe ich nicht gesagt, da? niemand mit den Gefangenen sprechen soll?«

Clydog blickte seinen Mitstreiter verargert an. »Gonnst du meinen Leuten nicht ein kleines bi?chen Spa??«

»Spa? sollen sie haben, nachdem unsere Sache getan ist.«

»Dennoch ist es eine grundlegende Frage, Corryn. Warum sollte der alte Narr solch einen Auftrag dieser Frau anvertrauen, selbst wenn sie eine dalaigh ist? Warum einer Gwyddel?«

Seine Manner murmelten etwas Bestatigendes. Eadulf konnte nicht umhin, vom Eingang der Hutte den Mannern laut entgegenzuhalten: »Schwester Fidelma hat den Ruf, ungewohnliche Kriminalfalle losen zu konnen.«

Clydog grinste ihn an. »Unser sachsischer Freund ist sparsam mit seinen Worten. Wie ihr horen konnt, Leute, so ist ihm unsere Sprache nicht fremd, ebensowenig der guten Schwester hier. Doch wenn er spricht, sagt er nur Bedeutsames.« Er wandte sich wieder Fidelma zu. »Kennst du das Satyricon des Petronius, Lady?«

Die Frage uberraschte Fidelma. »Ich habe Petronius gelesen«, sagte sie.

Clydog neigte leicht den Kopf. »Bei ihm steht folgendes: Raram facit misturam cum sapientia forma. Hier handelt es sich um so einen seltenen Fall.«

Fidelma errotete. Die Zeile, die er zitiert hatte, besagte, da? sich selten Schonheit und Klugheit in einer Person paarten.

»Du scheinst eine gewisse Bildung genossen zu haben, Clydog. Und deine Zunge kann einem Honig ums Maul schmieren. Ich antworte dir mit einer Zeile von Plautus: Ubi melibi apes ... Honig zieht Bienen an, und du solltest daran denken, da? Bienen stechen konnen.«

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