»Und deshalb ubst du dich so im Sundigen? Ist das dein Weg zu Frieden und Zufriedenheit?« fragte Fidelmaspottisch.

Clydog blieb ruhig. »Du solltest mich nicht mit deinen geistvollen Spruchen und Spitzfindigkeiten herausfordern, Gwyddel, auch wenn man mir sagte, da? in den Klostern von Eireann sich dein Volk in solchen Dingen ubt.«

»Gewi? schult man seinen Verstand nicht nur in meinem Land. Ich habe gehort, da? die Kymren ein Spiel kennen, das unserem fidchell gleichkommt, ein Spiel, mit dem man den Verstand scharft.«

Gedankenvoll nickte Clydog. »Wir nennen es Gwyddbwyll. Unser gro?er Krieger Arthur beherrschte dieses Spiel meisterlich.«

»Dann solltest du geubt sein in solchen Spielen wie jeder Gwyddel auch«, sagte Fidelma gereizt.

Clydog griff nach dem Krug Met und wollte ihr nachschenken. Fidelma schuttelte den Kopf. So go? er sich ein, wobei er sie unverfroren betrachtete.

»Du bist eine schone Frau«, sagte er schlie?lich.

Fidelma rutschte voller Unbehagen hin und her, war ihr doch sein veranderter Tonfall nicht geheuer.

»Warum ist eine so schone Frau Nonne?«

»Schonheit ist relativ. Gibt es irgendeinen Grund zu der Annahme, da? einen die au?ere Erscheinung davon abhalten sollte, im Leben einer bestimmten Berufung zu folgen? Meist verdeckt das Au?ere nur, was sich im Inneren verbirgt. Du, zum Beispiel, Clydog, solltest ein grober, ha?licher kleiner Mann sein mit Warzen und schwarzen Zahnstumpfen.«

Clydog zogerte erst, doch dann lachte er vergnugt. »Eine gute Antwort, Gwyddel. Eine gute Antwort. Hinter der Schonheit verbirgt sich eine schwarze Seele, oder? Also, was verbirgt sich hinter deiner Schonheit, Fidelma von Cashel?«

Fidelma war einen Augenblick verwirrt.

»Ich wurde erst einmal in Frage stellen, ob ich ...«, fing sie an, doch Clydog unterbrach sie.

»Ich habe gehort, da? einige Vertreter deines Glaubens fordern, alle Angehorigen des geistlichen Standes sollten im Zolibat leben. Du folgst nicht der Regel, oder?«

Fidelma errotete.

»Dein Gesicht verrat dich«, fuhr er fort, als sie nicht antwortete.

»Das geht dich nichts an«, erwiderte sie wutend. »Der Glaube fordert es nicht, wie du wohl wei?t. Rom sahe es gern, wenn Abte und Bischofe nicht die Ehe eingingen, aber es gibt kein Gesetz, das es vorschreibt.«

Ihr wurde langsam klar, da? das Temperament ihres Gesprachpartners wie trockener Zunder war. Schon der kleinste und harmloseste Funke genugte, um die Flamme seines unberechenbaren Charakters auflodern zu lassen. Je besser es ihr gelange, seine Stimmung in ruhige Bahnen zu lenken, desto gro?er stunden ihre Chancen, sich und Eadulf aus der Gefangenschaft zu befreien.

Clydog lachelte sie lustern an. »Gewi? hast du Liebhaber gehabt. Die einzig keusche Frau ist diejenige, die keiner wollte. Ist der Sachse dein Liebhaber, he?«

Fidelma spurte, wie sich ihr Gesicht erneut rotete. Wieder suchte sie einen Moment nach den rechten Worten.

»Du bist intelligent, Clydog. Du wirkst kultiviert. Du wei?t, da? es in einer Unterhaltung Themen gibt, die zivilisierte Menschen lieber nicht ansprechen sollten. Reden wir von etwas anderem.«

Clydog lachte auf. »Du siehst mich falsch, Gwyd-del, wenn du meinst, ich ware zivilisiert. Du vergi?t, ich bin nur ein Geachteter, ein Gesetzloser. Du bist meine Gefangene, wir sind allein in diesem Wald, und du bist mir und meiner Gewalt vollkommen ausgeliefert. Erregt das nicht deine Sinne?«

»Erregen?« Fidelma schob die Unterlippe vor. »Das ist ein eigenartiges Wort. Sicher mache ich mir Sorgen, aber nicht um mich ... sondern um dich.«

Clydog begriff offenbar nicht, was sie damit sagen wollte.

»Um mich machst du dir Sorgen?« Sein Lacheln wirkte gezwungen. »Ich habe Frauen gesehen, die mich heulend und kreischend um Gnade angefleht haben, aber einer, die sich um mich sorgt, bin ich noch nicht begegnet.«

Fidelma schauderte bei seinen lusternen Drohungen, doch sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. »Du hast das Gesetz und den Glauben abgelehnt. Sollte ich als Nonne da nicht um dich furchten in dieser und der nachfolgenden Welt?« erwiderte sie ernst.

»Deine Sorgen sind mir hochst willkommen. So hegst du zumindest irgendwelche Gefuhle fur mich.«

»Stimmt. Es sind die gleichen Gefuhle, die ich fur einen Aussatzigen oder einen blinden Bettler empfande, der Barmherzigkeit ablehnt«, entgegnete sie ihm rasch.

Clydog stie? einen Fluch aus. Er sprang auf die Beine und stand nun uber ihr. »Genug geredet. Kehren wir auf den Boden der Tatsachen zuruck. Da ist mein Zelt! Geh voran! Du wei?t, warum ich dich eingeladen habe.«

In seiner Stimme schwang die Gier seines angestauten Verlangens. Wahrend sie verzweifelt uberlegte, auf welche Weise sie ihm entkommen konnte, war sie gleichzeitig wie gelahmt.

»Die Erklarung dafur hast du mir bisher vorenthalten«, konnte sie ihm nur flau entgegnen. »Sag mir also, warum ich hier bin!«

Clydog war durch ihre verbale Hinhaltetaktik total verunsichert. Nie zuvor war er einer Frau begegnet, die ihm soviel Widerstand entgegenbrachte.

»Sei nicht so begriffsstutzig, Lady«, fauchte er sie an. »Du bist viel zu klug, als da? du Unwissenheit vortauschen konntest. Erfullst du dem Sachsen alle seine Wunsche?«

Fidelma blickte in seine schamlosen Augen. »Du bist frech, Clydog. Ich glaube, du hast zuviel Met getrunken. So .« Sie erhob sich. »Ich werde nun in die Hutte zu meinem Begleiter zuruckkehren.«

Clydog packte sie. »Das wirst du nicht tun, Lady. Du kommst schon mit in mein Zelt und wirst dich in dieser Nacht mir widmen!«

Ein, zwei seiner Manner am Feuer hatten die Szene beobachtet. Sie riefen ein paar zotige Bemerkungen heruber und lachten obszon.

»Hast du Schwierigkeiten, sie zu bandigen, Clydog? Gib’s ihr!«

»Heute darf er an sie ran, morgen ich!« rief ein anderer.

Fidelma machte sich von Clydog los.

»Du bist also doch nur ein Tier, Clydog?« warf sie ihm hohnisch zu. »Ein Tier ohne Moral? Du willst deine sexuellen Begierden einer Nonne aufdrangen? Mistkerl, weiter nichts.«

Jetzt stand Clydog keuchend vor ihr. »Hast du die Absicht, mich mit Beleidigungen zu beschamen, Gwyddel? Ich furchte, da wirst du keinen Erfolg haben. Mein Blut ist so gut wie das deine. Der Unterschied ist, da? ich wei?, wer ich bin. Und ich bin abgehartet gegen die Schaumschlagereien der Pralaten und ihrer Anhanger. Du kannst nirgendwohin fliehen, also kannst du auch dein abweisendes Gebaren ablegen. Ein Weib, so prachtig wie du, kann nicht so tun, als ware ihr das Werben eines richtigen Mannes gleichgultig.«

Fidelma pre?te die Lippen aufeinander, sie waren ganz trocken. Sie sah ihn durch schmale Augenschlitze an. »Ein richtiger Mann? Einem richtigen Mann gegenuber bin ich vielleicht nicht gleichgultig. Doch du bist keiner, tut mir leid, du bist nur ein bemitleidenswertes Tier.«

Clydogs Manner lachten. Einige klatschten in die Hande und feuerten ihn mit Ausrufen an, er solle es der Fremdlandischen ordentlich zeigen. Clydogs Miene hatte sich verhartet. Fidelma hatte seine Eitelkeit getroffen.

Auf einmal machte er einen Satz auf sie zu. Da drehte sich Fidelma so, da? er durch seinen eigenen Schwung ins Stolpern geriet. Er fing sich wieder und stand ihr nun gegenuber. Im Flackern des Feuers funkelten seine Augen bose auf. Erneut sturzte er mit ausgestreckten Armen nach vorn, um sie an sich zu rei?en.

Fidelma hatte einen sicheren Stand und schien ebenfalls die Arme auszustrecken, so als wollte sie nach den seinen greifen. Sie bewegte sich scheinbar kaum, doch dann zog sie Clydog uber eine Hufte hinter sich, und sein eigener Schwung warf ihn zu Boden.

Nun ging sie in Verteidigungsstellung. Offenbar beherrschte Clydog die alte Kunst der Selbstverteidigung nicht. Als die Missionare durch ferne Lander reisten, um den christlichen Glauben zu verbreiten, waren sie haufig Angriffen von Dieben und Banditen ausgesetzt gewesen. Da sie es ablehnten, Waffen zu benutzen, entwickelten sie eine Technik der »Selbstverteidigung«. Schon in fruher Kindheit hatte man Fidelmadarin unterwiesen.

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