Einen Moment lang schwieg Eadulf. »Wenn wir nach Westen reiten, werden wir bald die Kuste erreichen. Doch vielleicht gibt es auch noch einen Weg nach Suden.«

»Warum nach Suden?« wollte sie wissen.

»Zuruck zur Abtei Dewi Sant.«

»Aber wir haben den Auftrag, den uns Gwlyddien erteilt hat, doch noch nicht erfullt«, entgegnete Fidelma.

»Wieso? Wir wissen, da? Llanpadern von plundernden Piraten uberfallen wurde. Wir haben die Leiche eines Kriegers der Hwicce entdeckt. Ich glaube, da? es ganz klar auf der Hand liegt, was mit dem Kloster und dem Sohn des Konigs geschehen ist.«

»Ich halte das uberhaupt nicht fur klar. Ich mochte nach Llanferran, um mit Dewi zu sprechen und mehr uber die Toten zu erfahren, die er gefunden hat.«

»Wie konnen wir hierbleiben, wo dieser verruckte Clydog in allernachster Nahe ist?« fragte Eadulf besturzt. »Wir konnen unmoglich weitere Ermittlungen anstellen, wenn uns diese Bande von besessenen Mordern auf den Fersen ist.«

»Ich kann jetzt keinen Ruckzieher machen, Eadulf«, antwortete Fidelma ruhig. »Damit wurde ich gegen meinen Eid als dalaigh versto?en, ganz zu schweigen von dem Auftrag, den uns Gwlyddien erteilt hat.«

»Aber gewi? ...«, sagte Eadulf resigniert. Gegen ihren Entschlu? wurde er nicht ankommen.

»Wenn du mochtest, reite zur Abtei zuruck«, sagte Fidelma ohne jeden Groll. »Du kannst dort auf mich warten. Doch hier ist viel zuviel Boses im Gange, als da? ich mich geschlagen geben will, ohne den Versuch unternommen zu haben, dagegen vorzugehen.«

Eadulf schwieg einen Moment. »Hast du also vor, auch noch mal nach Llanpadern zu reiten?«

»Nach Llanpadern nicht. Clydog wurde uns sicher dorthin folgen. Vorerst haben wir getan, was wir an diesem traurigen, verlassenen Ort tun konnten. Wir mussen nach Llanferran und sehen, worauf wir dort sto?en.«

»Und wohin dann?«

»Wieder nach Llanwnda. Ich mu? Bruder Meurig und Gwnda uber Clydog und seine Bande informieren. Gwnda ist offenbar in der Lage, seine Leute zu schutzen, und ich werde ihn bitten, uns ebenfalls unter seinen Schutz zu nehmen. Bruder Meurig und Gwnda haben vielleicht schon von Clydog und seinen Banditen gehort.«

»Reicht es dir denn nicht, zu wissen, da? Clydog ein Dieb, ein Vergewaltiger und demnachst auch Morder ist?«

»Ich mochte mehr erfahren uber ihn.« Fidelma lie? sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen. »Sowohl Clydog als auch Corryn sind gebildet und offenbar vornehmer Herkunft. Ihr Auftreten deutet darauf hin, da? sie zu herrschen geboren und es gewohnt sind, Befehle zu erteilen. Das macht mich neugierig.«

»Doch was hat das mit den verschwundenen Monchen zu tun? Darauf mussen wir uns doch wohl konzentrieren, wenn du entschlossen bist, hierzubleiben und Licht in das Dunkel zu bringen.« Er spurte, wie sich Fidelma bei diesen Worten entspannte, denn damit fugte er sich stillschweigend ihrem Entschlu?.

»Also bleibst du bei mir?« fragte sie.

Eadulf zog die Nase kraus. »Hast du daran irgendwie gezweifelt?«

Er horte ihren Seufzer. »Naturlich nicht«, gestand sie. »Doch wie dem auch sei, ich werde dir beweisen, da? du unrecht hattest.«

»Unrecht? Was meinst du damit?«

»Du hast gesagt, da? Clydog nichts mit dem Verschwinden der Monche von Llanpadern zu tun hat. Ich glaube, er wei? mehr, als er sagte, was, zugegebenerma?en, nicht sehr viel war.«

»Du vergi?t, da? man angelsachsische Seerauber gesichtet hat. Da? man Leichname von ein paar Brudern gefunden hat und da? es den toten Hwicce in Llanpadern gibt. Reicht dir das nicht? Welche Verbindung sollte Clydog zu den plundernden Sachsen haben?«

»Ich gehe davon aus, wie du wei?t, da? er schon vorher im Kloster gewesen sein mu?. Oder man hat ihn gewarnt und ihm unsere Anwesenheit dort mitgeteilt, sonst hatte er sich mit seinen Mannern nicht so lautlos angeschlichen!«

»Dafur gibt es eine andere Erklarung.«

»Die da ware?«

»Er hat uns vielleicht ausgespaht, als wir uns auf das Kloster zubewegten, hat unsere Ankunft dort beobachtet und gewartet, bis wir lange genug drin waren, ehe er sich uns leise naherte.«

»Soweit ich mich erinnere, waren wir etwa eine Stunde in den verschiedenen Klosterraumen, bevor wir zur Scheune gingen. Da hatte er ziemlich lange warten mussen.«

»Offenbar hast du bereits eine andere Theorie«, meinte Eadulf resigniert.

Zu seiner Uberraschung schuttelte sie den Kopf. »Im Augenblick habe ich nur Fragen.«

»Weshalb glaubst du aber, da? es eine Verbindung zwischen Clydog und den verschwundenen Monchen gibt? Der Uberfall auf uns in der Scheune sagt noch lange nichts daruber aus, da? Clydog etwas mit dem Angriff der Angelsachsen zu tun hat.«

»Du hast behauptet, da? er nichts von dem Hwicce in dem Sarg wu?te.«

»Ja. Sonst hatte er irgendeine uble Bemerkung daruber gemacht, als er erfuhr, da? ich ein Sachse bin.«

»Das hat er aber getan.«

»Das mu? mir entgangen sein«, erwiderte er zu seiner Verteidigung.

»Seine ersten Worte, als ich ihm sagte, wer wir sind. Erinnerst du dich nicht daran?«

»Er hat so etwas wie >eine Gwyddel und ein Sachse< gemurmelt.«

»Nein, so nicht. Er sagte vielmehr >eine Gwyddel und noch ein Angelsachse<, wer sollte der andere sein, wenn nicht .«

»Der Hwicce?« warf Eadulf rasch ein.

»Clydog wu?te, da? sich der Hwicce in dem Steinsarg befindet. Als er erfuhr, da? du ein Angelsachse bist, entschlupfte ihm unbewu?t >noch ein An-gelsachse<.«

Eadulf dachte nach. Dann sagte er: »Er hat also mit Sicherheit gewu?t, da? sich die Leiche dort befand?« Auf einmal stohnte er auf. »Was bin ich nur fur ein Dummkopf. Sualda!«

»Genau. Ich glaube, der Krieger wurde im Refektorium von Sualda in die Enge getrieben. Er nahm das Fleischmesser und stach damit auf Sualda ein, der ihn dann umbrachte.«

»Doch warum versteckte man die Leiche im Sarkophag?«

»Das konnen wir im Augenblick noch nicht sagen.«

Eadulf schnalzte verargert mit der Zunge. »Ich wette, da? Clydog uns das erklaren konnte. Was mogen die Worte, die Sualda murmelte, wohl fur einen Sinn gehabt haben?«

Er horte, wie Fidelma gahnte, und blickte zum Hohlenausgang. Es war immer noch dunkel und regnete.

»Wir sollten ein wenig schlafen«, riet er. »Beim ersten Tageslicht mussen wir die Stra?e nach Llanferran erreichen. Wir konnen dann nur hoffen, da? wir nicht auf unseren Freund Clydog sto?en.«

Kein Laut war zu horen, nur die regelma?igen Atemzuge seiner Gefahrtin. Fidelma war bereits eingeschlafen.

Lautes Vogelgezwitscher weckte Eadulf. Es war immer noch dunkel, aber man konnte das Morgengrauen bereits erahnen. Er war wohl auch eingenickt. Es kam ihm vor, als hatte er erst vor ein paar Sekunden noch gedacht, da? er unmoglich in den feuchten Kleidern, auf dem harten Stein des Hohlenbodens und mit Fidelmaim Arm Schlaf finden konnte.

Er versuchte, keine ruckartigen Bewegungen zu machen, drehte seinen Kopf langsam zur Seite und sah auf Fidelma herab, die immer noch schlief. Sie wirkte so verletzlich, ganz anders als die Fidelma, die er sonst kannte.

Langsam schweifte sein Blick zum Hohlenausgang. Der Himmel hellte sich langsam auf, und das Vogelkonzert wurde lauter. Es war Zeit zum Aufbruch.

Er bewegte sich. Fidelma stohnte aus Protest. Er ruttelte sie sanft mit seinem freien Arm an der Schulter.

»Wir mussen fort von hier«, sagte er leise.

Wieder stohnte sie, dann blinzelte sie vorsichtig. Sie richtete sich auf und schaute um sich. Die Kalte machte

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