»Im Wochenbett?«
»Als ihr Kind erst ein paar Monate alt war, fand man sie im nahe gelegenen Wald erwurgt.«
»Erwurgt?« fragte Fidelma besturzt und stellte vorsichtig ihren Becher mit Met ab.
»Das war alles sehr traurig. Der arme Gurgust gab danach seine Schmiede auf. Ich erfuhr, da? er versuchte, Efas Kind zu finden, um es in seine Obhut zu nehmen.«
»Ist ihm das gelungen?«
»Nicht da? ich wu?te! Der Krieger hatte das Kind schon weggegeben und sich in ein Heer eingegliedert, das auf Ceredigion zumarschierte. Ich verlie? Dinas und zog hier in die Schmiede von Llanferran. Erst einige Jahre spater erfuhr ich, da? Gurgust bei einem der Kampfe an der Grenze umgekommen war. Trotz seiner Strenge hatte er seine Tochter Efa sehr lieb, und als sie umgebracht worden war .« Nun zuckte er nur noch mit der Schulter.
»Hat man je herausgefunden, wer fur Efas Tod verantwortlich war?« fragte Fidelma, als er schwieg.
Goff schuttelte den Kopf. »Es gab Geruchte, da? der Krieger, der sich ihrer angenommen hatte, sie ermordet hatte. Doch niemand wu?te, wer er war, und man hat ihn auch nie gefunden. Manche behaupteten sogar, da? Iorwerth selbst es getan hatte.«
»Ist Iorwerth jemals in dieser Sache verhort worden?«
Goff uberraschte Fidelmas Frage nicht. In all den Jahren hatte er immer wieder daruber nachgedacht.
»Naturlich. Iorwerth war aus Dinas fortgegangen, gleich nachdem Gurgust ihn weggejagt hatte. Zumindest konnte ihn niemand finden. Man nahm an, da? er ebenfalls in einem der Heere diente, die in Ceredigion einfielen. Einige Jahre spater horte man, da? er in Llanwnda seine eigene Schmiede aufgebaut hatte. Er heiratete Esyllt, die Freundin meiner Frau, und Mair wurde geboren. Au?er irgendwelchen Vermutungen gab es keinerlei Hinweise darauf, da? er etwas mit Efas Tod zu tun hatte. Einige meinten, ein umherziehender Bettler hatte sie getotet, denn die Goldkette, die sie immer getragen hatte - eine Kette aus Rotgold, die Gurgust fur sie angefertigt und die sie sehr geliebt hatte -, fehlte. An der Kette befand sich ein goldener Anhanger mit einem Edelstein in Gestalt eines Hasen, dem Symbol von Andrasta, der alten heidnischen Gottin meines Volkes.«
»Andrasta?« erkundigte sich Fidelma. »Von dieser Gottin habe ich noch nie gehort.«
»Es hei?t, da? die gro?e Konigin Boudicca sie anrief, ehe sie die Romer vor langer, langer Zeit aus ihrem Konigreich im Osten Britanniens verjagte«, erklarte ihr Goff.
»Und diese Goldkette samt Anhanger fehlte?«
»Ja. Man schlo? daraus, da? Efa ausgeraubt und dann erwurgt worden war.«
»Dennoch fiel Verdacht auf Iorwerth?«
»Er ist ein ausgesprochen boser Mensch, Schwester«, meldete sich Rhonwen zu Wort. »Ich traue ihm ohne weiteres einen Mord zu.«
Einen Augenblick lang uberlegte Fidelma. »Ist Dinas weit von hier entfernt?«
»Hier an der Kuste entlang schon. Doch wenn man der Kuste ein paar Meilen nordwestlich von Llanwnda folgt und dann ein Boot uber die gro?e Bucht nimmt, so liegt die Insel Dinas auf der anderen Seite - etwa funf Meilen weit. Sie wird haufig von Ceredigion aus angegriffen. Gurgust und seine Tochter Efa sind dort schon langst vergessen. Das alles geschah vor zwanzig oder mehr Jahren.«
»Es ist merkwurdig, da? Gurgusts Tochter und Iorwerths Tochter unter ahnlichen Umstanden umgekommen sind,« stellte Fidelma nachdenklich fest.
»Was fur eine Verbindung sollte es zwischen den beiden Fallen geben?« fragte Goff.
»Du hast gesagt, da? Gurgust bei einer Grenzfehde ums Leben kam?«
»Ja.«
»Bist du ganz sicher?«
»So habe ich es gehort.« Auf einmal leuchteten die Augen des Schmieds auf. »Wenn Gurgust noch am Leben ware und uberzeugt davon, da? Iorwerth seine Tochter umgebracht hat, dann hatte er sich langst geracht. Gurgust ist schon lange tot.«
Rhonwen neigte sich uber den Tisch und legte eine Hand auf seinen Arm. »Dennoch mag die gute Schwester einen Grund haben, so zu fragen. Meinst du, Id-wal hat nicht schuld an Mairs Tod? Glaubt Bruder Meurig das auch?«
»Du hast uns erklart, den Uberfall auf das Kloster Llanpadern zu untersuchen«, warf Goff dazwischen, ehe Fidelma etwas sagen konnte. »Weshalb interessierst du dich dann fur Mairs Tod?«
Fidelma beruhigte ihn. »Wir sind zusammen mit Bruder Meurig nach Llanwnda geritten. Er soll den Mord dort aufklaren. Es ist nur naturlich, da? dieser Fall auch unsere Aufmerksamkeit weckte. Und wenn wir Bruder Meurig helfen konnen, tun wir es gern.«
»Also glaubst du, da? Idwal unschuldig ist«, warf Rhonwen scharfsinnig ein. »Kein Richter wurde seine Zeit mit so etwas verschwenden, wenn er nicht vermutete, da? die Dinge anders liegen, als es scheint.«
»Wie gut kennt ihr Idwal?«
»Wie Goff schon sagte, wir sind eine kleine Gemeinde«, erwiderte Rhonwen.
»Was haltst du von ihm?«
»Was ich von ihm halte?« fragte Rhonwen erstaunt.
»Traust du ihm einen Mord zu?«
»Wem ist ein Mord zuzutrauen und wem nicht unter den entsprechenden Bedingungen?« entgegnete Goff. »Uns allen ist ein Mord zuzutrauen, meine ich.«
»Ich glaube, Schwester Fidelma mochte wissen, wie ihr Idwal einschatzt. Ist er ein liebenswerter Junge? Wurde er jemanden ohne Grund toten?«
Goff rieb sich die Nase. »Er ist ein Idiot.«
Rhonwen stie? einen mi?billigenden Laut aus und schuttelte den Kopf. Fidelma wandte sich an sie.
»Du siehst das wohl anders?«
»Er ist kein Schwachkopf. Er ist einfach langsam. Fast wie ein Kind. Er hatte keine schone Kindheit, nachdem Iolo, der Schafer, gestorben war. Iolo hat den Jungen schon als Saugling zu sich genommen. Id-wal war noch sehr klein, als ihn Iestyn, Iolos Bruder, nicht mehr haben wollte. Spater mu?te sich Idwal als umherziehender Hirte selbst ernahren.«
»Ich streite ja gar nicht ab, da? der Junge ein gutmutiger Kerl ist«, gab Goff zu. »Das kann man nicht leugnen. Immer, wenn eines seiner Lammer stirbt, weint er bitterlich. Doch wer wei?, was ihn zu dieser Tat getrieben hat? Wir alle tragen den Instinkt zum Toten in uns, wenn es die Umstande von uns verlangen. Der Junge war immer sehr verschlossen. Er behielt seine Gedanken fur sich. Wer wei? schon, welcher Zorn in seinem Inneren gewutet haben mag?«
»Also glaubst du auch an seine Schuld?« fragte Eadulf.
»Ich vertraue den Au?erungen von Mannern, deren Meinung ich schatze.«
»Und wessen Meinung schatzt du? Wer hat dir gesagt, da? Idwal schuldig ist?« fragte Fidelma leicht aufgebracht.
»Nun, Iestyn aus Llanwnda naturlich.«
Rhonwens Miene druckte Abscheu aus.
»Du haltst wohl nicht viel von Iestyn, oder?« erkundigte sich Fidelma.
»Wenn ich nur daran denke, da? er Idwal einfach davonjagte ... Und nun besitzt er die Unverfrorenheit, ihn des Mordes zu bezichtigen.«
Goff versuchte sich zu rechtfertigen. »Iestyn ist ein guter Freund von mir. Vielleicht tat er recht daran, den Jungen nicht selbst gro?zuziehen. Vielleicht hat er die Sache kommen sehen.«
»Ich wei?, da? sich hier alles schnell herumspricht. Aber wann hast du mit Iestyn geredet?« wollte Fidelma wissen.
»Gestern. Er kam mit einem Karren vorbei, der repariert werden mu?te.«
»Ich dachte, er sei mit Iorwerth befreundet. Der hatte doch viel schneller helfen konnen.«
»Mein Mann will sagen«, erklarte Rhonwen, »da? Iestyn eine Wagenladung voller Felle an einen Handler ubergeben wollte, als ihm sein Wagen kaputtging. Es war einfacher, ihn hier reparieren zu lassen, als den Karren den ganzen Weg nach Llanwnda zuruckzuziehen.«
»Ich verstehe. Iestyn hat euch von dem Mord erzahlt und gesagt, da? Idwal der Tater sei.«
»Ja«, antwortete Goff und erhob sich. »Ich mu? jetzt in meine Schmiede zuruck.«
Fidelma stand auf, Eadulf folgte ihr zogernd.