»Und wir mussen unsere Reise fortsetzen. Doch ich will euch zuvor noch eine einzige Frage stellen.«

Goff machte eine Handbewegung, die darauf schlie?en lie?, da? er so lange noch Zeit hatte.

»Du sagst, da? die Ortschaften hier in engem Kontakt miteinander stehen, ihr eine kleine Gemeinde seid und jeder den anderen kennt?«

Rhonwen fing an, den Tisch abzuraumen. Sie lachelte. »Wollt ihr etwas uber jemanden wissen?«

»Ja, allerdings. Was konnt ihr mir uber einen Mann sagen, der sich Clydog Cacynen nennt, oder uber einen anderen, der Corryn hei?t?«

Der Becher, den Rhonwen gerade in Handen hielt, fiel zu Boden und zerbrach in viele Scherben. Ein Rest von dem Met spritzte uber die Holzdielen. Rhonwen entschuldigte sich nervos und sammelte die Scherben auf.

»Wo ist euch der Name Clydog begegnet?« fragte Goff.

»In diesem Gebiet soll sich ein Geachteter aufhalten; man hat uns vor ihm gewarnt«, log Fidelma unbefangen. »Ich mochte einfach nur wissen, um wen es sich handelt.«

»Wenn du etwas uber Clydog wissen willst, mu?t du Pater Clidro fragen. Er hat einmal den Versuch unternommen, mit ihm einen Frieden auszuhandeln.«

»Aber Pater Clidro ...«, hub Eadulf an.

»Pater Clidro, wie du dich erinnerst, ist nicht mehr in Llanpadern und auch keiner der Monche des Klosters«, warf Fidelma rasch ein, wobei sie Eadulf warnend anblickte.

»Und wir haben euch alles gesagt, was wir wissen«, erwiderte Goff entschieden. »Ich konnte nur noch einmal das wiederholen, was ihr ohnehin schon von anderen erfahren habt. Ich kann euch nur eindringlich bitten, Clydog aus dem Weg zu gehen. Fur unser Volk ist er eine Gei?el. Er hat scharfe Ohren, und er bestraft rasch. Mehr sage ich nicht. Ich wunsche euch viel Gluck auf eurer Reise.«

Es war Fidelma und Eadulf nicht entgangen, da? Rhonwen bei der Nennung von Clydogs Namen die Fassung verloren hatte. Sie hatten nun auch lange genug ihre Gastfreundschaft in Anspruch genommen.

Goff lehnte es ab, Geld von ihnen anzunehmen. Er hatte ihnen die Gastfreundschaft ja schlie?lich angeboten, wie er sagte. Er au?erte die bei solchen Gelegenheiten ublichen Worte, da? es mehr wert sei als Silber und Gold, wenn die frommen Leute fur ihn und seine Familie beteten. Fidelma und Eadulf segneten sie daraufhin. Doch das alles geschah recht formlich und ohne besondere Herzlichkeit.

Dann nahmen Fidelma und Eadulf an der Schmiede aus Dewis Handen ihre Pferde in Empfang, lie?en sich von dem Jungen den Weg nach Llanwnda zeigen und ritten los.

»Sehr merkwurdig«, sagte Eadulf, nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinander hergeritten waren.

Fidelma, in Gedanken versunken, blickte ihn an. »Was?«

»Erinnerst du dich an Rhonwens Reaktion, als wir nach Clydog fragten? Auch der Schmied wurde wortkarg und schien sich zu furchten.«

»Zweifellos hat das einen Grund«, stimmte sie ihm zu. »Leider konnen wir von Pater Clidro nichts mehr uber Clydog erfahren. Ich vermute, da? er auch vor Raub und Plunderung nicht zuruckschreckt.«

»Ehe wir es nicht von ihm selbst horen, was ich aber nicht empfehle«, erwiderte Eadulf ironisch, »werden wir nicht dahinterkommen, glaube ich. Doch was das Verschwinden der Bruder von Llanpadern betrifft, konnen wir meines Erachtens Gwlyddien nun die Losung des Ratsels liefern, sosehr sie mich auch beschamt.«

Fidelma lachte auf. »Eine Erklarung hatten wir zu bieten, aber ob es die richtige ist? Komm, ich mochte deine Version horen.«

Ihre Skepsis machte Eadulf ein wenig betroffen. »Meine Erklarung ist die gleiche wie vorher.«

»Und die ware .?«

»Ich nehme mein Volk nicht in Schutz, du wei?t selbst, da? viele angelsachsische Schiffe die Kusten hier bedrohen und Guter und Sklaven erbeuten. Ein Schiff der Hwicce ist vor Anker gegangen, und die Leute haben darauf das Kloster Llanpadern uberfallen. Dabei wurde einer der Hwicce getotet . Der Mann, den wir in dem Sarg gefunden haben. Dann schleppten die Angreifer ihre Gefangenen zum Schiff. Als sie die Klippen erreichten, von denen man ihr Schiff sehen konnte, geschah etwas Unerwartetes.

Vielleicht versuchte jemand zu fliehen. Sieben der Monche wurden daraufhin niedergemetzelt. Die Waffen und ein Schild der Hwicce weisen darauf hin, wer die Tater waren.«

Fidelma blickte ihren Gefahrten zweifelnd an. »Die Theorie ist gut«, gab sie zu.

Eadulf zog verargert die Stirn kraus. »Die Theorie? Kannst du ihr nicht folgen?«

»Nicht so, wie du sie darlegst. Du vergi?t, da? Pater Clidro nicht zum Zeitpunkt des Uberfalls umgebracht wurde. Als wir ihn fanden, war er noch nicht lange tot.«

»Das hatte ich ganz vergessen«, erwiderte Eadulf enttauscht.

»Ich glaube aber, da? du in bestimmten Punkten recht hast. Ein sachsisches Schiff . Ich wei? nicht genau, ob es aus dem Konigreich kam, das du erwahnt hast. Doch wenn wirklich ein sachsisches Schiff vor der Kuste ankerte, wie Goff ja auch sagte, dann hat es sicher eine Rolle bei dem Uberfall auf Llanpadern gespielt, ganz gleich, was da wirklich geschehen sein mag.«

»Der Rest meiner Theorie stimmt«, meinte Eadulf hartnackig.

»Die Fakten sprechen aber eine andere Sprache. Vergi? einfach, da? du ein Sachse bist.«

Eadulf grinste amusiert. »Das ist ziemlich schwierig in diesem Land hier, wo ich standig daran erinnert werde«, gab er trocken zu bedenken.

»Was geschieht denn gewohnlich, wenn deine Landsleute eine Ortschaft plundern? Es gab eine Reihe solcher Uberfalle in Laigin und Muman, wir kennen das. Also, wie gehen sie immer vor?«

Eadulf schwieg.

»Sie brennen alles nieder, zerstoren alles und schleppen ihre Beute fort«, begann Fidelma, ohne auf seine Antwort zu warten. »Sie nehmen junge Manner und Madchen als Sklaven mit, die anderen werden umgebracht. Welche Anhaltspunkte gibt es dafur, da? so etwas auch in Llanpadern geschehen ist?«

»Pater Clidro ist .«

»Pater Clidro wurde ausgepeitscht, in die Scheune gebracht und dann aufgehangt. Er ist weder von einem Schwert noch von einem Speer niedergestreckt worden. Und offenbar ist er erst gestorben, nachdem das angelsachsische Schiff schon wieder fort war. Wo war er wahrend des Uberfalls?«

Eadulf mu?te zugeben, da? seine Theorie hier nicht stimmte. Auch ihm war das merkwurdig erschienen, doch er hatte keine logische Erklarung dafur finden konnen.

»Doch was ist mit den sieben ermordeten Brudern an der Kuste? Was ist damit?« protestierte er.

»Das hat damit vielleicht nichts zu tun, Eadulf. Denk mal genau nach. Die meisten von ihnen wurden durch einen Schwerthieb von hinten umgebracht. Ein Hieb in den Nacken. Sie sind alle an der gleichen Stelle getotet worden, was nicht darauf hindeutet, da? sie versucht haben, ihren Haschern zu entkommen, oder? Und nachdem er sieben Monche umgebracht hat, welcher Krieger wurde da sein Schild, ein Messer und ein zerbrochenes Schwert neben den Leichen liegenlassen?«

Eadulf erinnerte sich an die Fragen, die Fidelma Dewi zu dem zerbrochenen Schwert gestellt hatte. Es war kein Blut am Schwert gewesen, und das abgebrochene Stuck war nirgendwo zu finden.

»Willst du etwa sagen, das alles sei bewu?t inszeniert worden, damit die Leute denken, Sachsen seien dafur verantwortlich?« fragte er besturzt. »Willst du etwa sagen, da? es keine Sachsen waren?«

Fidelma schuttelte den Kopf. »Der Sachse im Steinsarg und auch das Schiff vor der Kuste haben irgendwie damit zu tun. Ich bin mir nur noch nicht sicher, in welcher Weise.«

Uberrascht betrachtete er sie. »Doch wenn es nicht wegen des Uberfalls war, weshalb sollte ein sachsisches Schiff hier sonst vor Anker gehen?«

»Genau das frage ich mich auch.«

Einen Moment lang schwieg Eadulf. »Dann sind wir wohl mit unserem Latein am Ende.«

Fidelma sah ihn abschatzig an. »Tempus omnia re-velat«, sagte sie tadelnd.

»Die Zeit mag die Dinge zwar ans Licht bringen, aber konnen wir es uns leisten zu warten?« erwiderte er gereizt.

»Wir mussen warten«, meinte sie ruhig. »Wir mussen Geduld haben.«

»Hast du vergessen, welche Bedrohung fur uns von Clydog und seinen Mannern ausgeht?«

»Nein, das habe ich nicht. Wie ich dir schon sagte, ich glaube, er ist vielleicht der Schlussel zu dem Ganzen.«

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